Ingolstadt
Von Bayerns und Berlins Schulen

Neue Impulse: Schulleiterin Margret Rasfeld stellt Lernmodell vor

10.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:37 Uhr
Die Ziele der Agenda 2030 im Rücken: Margret Rasfeld referierte am Reuchlin-Gynasium über ihr Reformschulprogramm. Zwei Schülerinnen ihrer Schule erzählten von dem Unterrichtsmodell. −Foto: Hausmann

Ingolstadt (DK) Am Montag hat die Schulleiterin der Evangelischen Gemeinschaftsschule Berlin-Zentrum, Margret Rasfeld, ihr Reformschulprogramm am Reuchlin-Gymnasium vorgestellt. "Nachhaltigkeit in der Bildung" lautete der Vortrag. Ein Modell mit Selbstorganisation der Schüler.

Schule mal ganz anders: Die Kinder in den Vordergrund, weg von der Leistungsgesellschaft - ihre Forderungen sind nicht neu, aber Margret Rasfeld hat sie auch umgesetzt an ihrer Schule in Berlin Mitte. Ihr Konzept fand bundesweite Beachtung. Nun gab die aktive Ruheständlerin ihre Tipps für ein alternatives Schulsystem am ältesten Ingolstädter Gymnasium weiter. Pisa-Musterschüler Bayern wird von einer Berliner Pädagogin geschult.

"Die Eltern sind ganz wichtig für eine große Transformation", eröffnete Rasfeld den anwesenden Schülern, Eltern und Lehrern. Die Schulleiterin und Bildungsinnovatorin ist der Ansicht, dass Gymnasien es am schwersten hätten, aus dem alten System herauszukommen. Ihr Vortrag entpuppte sich als Rundumschlag - Rasfeld übte Kritik an dem Lebensmodell in Deutschland. "Jeder möchte höher, schneller, weiter." Man stelle zu hohe Erwartungen an die Jungen und Mädchen, so die Mitbegründerin der Initiative "Schule im Aufbruch". Das bedeute mehr Stress, könnte zu Kopfschmerzen, Erschöpfung und im schlimmsten Fall auch zu Burnout bei Kindern führen. "Die Schule schadet der Kreativität", doziert Rasfeld. Zustimmendes Nicken aus dem Publikum. Bekräftigt holt sie aus: "Ich glaube, Exen verletzen Kinderrechte". Hier folgen allerdings Lacher aus dem Publikum. Doch die Aufmerksamkeit hat sie. Der Druck der Leistungsgesellschaft müsste "Wertschätzung, Beziehung und Partizipation" weichen.

Im defizit-orientierten Schulsystem stünde der Unterrichtsstoff im Zentrum, der Mensch werde dabei außer Acht gelassen. Rasfelds Lösungsvorschlag: Kinder bräuchten "anspruchsvolle Aufgaben, die sie im Team lösen können" statt Einzelarbeiten.

Hinter der Referentin stehen bunte Kartons mit den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Dazu zählt auch das Ende von Armut und Hunger. Rasfeld sieht diese Ziele der Vereinten Nationen als Baustein einer Bildungsreform. Darauf basierend hat sie einen "Paradigmenwechsel" an ihrer Schule in Berlin-Mitte durchgeführt. Acht Jahre gemeinsames Lernen seien besser als die Differenzierung in Bildungsstufen. "Man sollte nie nach Leistung trennen", fordert Rasfeld. An ihrer Schule habe sie deshalb eine neue Lernform gefunden: Drei Jahrgänge werden jeweils gemischt, bilden ein "Team". An der Ganztagschule sind die Schüler ihrer Selbstorganisation überlassen: In einem Lernbüro können sie sich neue Unterrichtsinhalte selbst beibringen. Wer etwas nicht versteht, fragt erst einen älteren Schüler um Rat. Dann erst sollte er sich an den Lehrer wenden.

"Warum wollen Sie denn den Lehrer abschaffen?", erkundigte sich eine Frau aus dem Publikum. Das sei nicht der Fall, erwiderte Rasfeld, der Lehrer sei Begleiter beim selbstorganisierten Lernen. Denn ohne Lehrer funktioniert auch ihr System nicht: Beispielsweise fungiert ein "Logbuch" als ein Nachweis für die Schüler, dass sie im Unterricht waren.

Von ihren Erfahrungen berichteten die Schülerinnen Maia und Helene, die Rasfeld mit an das Reuchlin brachte. Besonders gefalle den Schülern der Projekttag, der einmal wöchentlich stattfindet. In dem Fach "Verantwortung" könnten sie so zum Beispiel bei einem sozialen Projekt auf einem Bauernhof aushelfen.

Rasfeld, die ihre Ratschläge in einem Buch veröffentlichte, hat mit ihren Aussagen scheinbar einen Punkt getroffen, wie sich auch nach dem Vortrag bestätigte. Manche Eltern suchten ein persönliches Gespräch. Die Referentin war einer Einladung eines Lehrers des Reuchlin-Gymnasiums gefolgt, der an einer Lehrerfortbildung mit ihr an der Katholischen Universität (KU) Eichstätt teilnahm. Ingrid Hemmer, Professorin am Lehrstuhl für Didaktik der Geographie und zugleich Nachhaltigkeitsbeauftragte, war als Vertreterin der KU mit Studenten da. Reuchlin-Schulleiterin Edith Philipp-Rasch sagte: "Da geht es dann los im Kopf... Aber natürlich ist so etwas hier nicht in dem Stil umsetzbar." Am selben Tag hatte Rasfeld vor den Lehrern referiert, am nächsten folgten Workshops mit den Klassen.

Anna Hausmann