Ingolstadt
Kostspielige Verkehrsrevolution

Was bringt eine Stadtbahn? - Ingolstädter Delegation auf Erkundungstour in Regensburg

24.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:55 Uhr
Auf der Regensburger Galgenbergbrücke lässt sich die Delegation aus Ingolstadt von Thomas Feig, Leiter des neuen Regensburger Amtes für den Neubau der Stadtbahn (dunkles Hemd), die geplante Trassenführung erklären. −Foto: Heimerl, dpa

Ingolstadt (DK) Die Regensburger Nachbarn gehen mutigen Schrittes auf ein neues Nahverkehrs-Zeitalter zu: Im vergangenen Jahr hat ihr Stadtrat nahezu einmütig beschlossen, in die Planung einer Stadtbahn einzusteigen und den Busverkehr nach Realisierung dieses Mammutprojekts - Zeithorizont: 15 Jahre - ganz dem neuen Verkehrsmittel anzupassen. Ein Modell für die Lösung Ingolstädter Verkehrsprobleme?

Nach Vorstößen einer privaten Initiative und Anträgen zunächst der UDI und später auch der CSU, sich in der Sache schlau zu machen, hat am Mittwoch eine Delegation aus Stadträten, Verwaltungsleuten und eingeladenen Bürgern einen Informationsbesuch in der Domstadt absolviert. Nach Gesprächen mit Regensburger Verantwortlichen und einer Besichtigungstour auf der geplanten Bahntrasse herrschte mehrheitlich Ernüchterung vor: Die Voraussetzungen, unter denen bei den Nachbarn an das ehrgeizige Projekt herangegangen wird, unterscheiden sich offenbar merklich von denen in Ingolstadt.

Regensburg kämpft vor allem mit einer Überlastung seines Bussystems, wovon in Ingolstadt noch längst keine Rede sein kann. Die Domstadt steht an der Schnittstelle zwischen einer Machbarkeitsstudie, die den dortigen Stadtrat 2018 ermutigt hat, tiefer in das Thema einzusteigen, und der nun erst anlaufenden Planungsphase, für die eigens ein neues Amt gegründet worden ist.

Dessen Leiter Thomas Feig und Bau- und Planungsreferentin Christine Schimpfermann gaben Auskunft über die Projektziele - und über die mögliche Kosten, die ganz erheblich sein dürften: Für die Realisierung einer knapp 15 Kilometer langen Gesamtstrecke mit zwei Linien werden derzeit überschlägig 246 Millionen Euro veranschlagt. Nochmals etwa die gleiche Summe käme für die Schaffung geeigneter Infrastruktur (vor allem für die Modernisierung oder den Neubau von Brücken und für einen neuen Bahnbetriebshof) hinzu, so dass man sich bereits bei Gesamtkosten von einer halben Milliarde Euro bewegt.

Wie Regensburgs Finanzreferent Dieter Daminger anmerkte, ist noch nichts von diesen Investitionen in der Finanzplanung der Stadt abgebildet; man traue sich aber aufgrund konstant hoher Gewerbesteuereinnahmen den Einstieg in dieses auch finanziell äußerst ambitionierte Vorhaben zu.

Regensburg vertraut offenbar auch auf erhebliche Fördermittel des Bundes (80 Prozent für den Trassenbau auf völlig neuen, nur für die Bahn reservierten Strecken). Referent Daminger: "Ohne intensive staatliche Förderung ist solch ein System nicht einführbar." Es sei deshalb wichtig und richtig, sich zur Sicherung solcher Zuschüsse rechtzeitig auf den Weg zu machen, unterstrich Planungsreferentin Schimpfermann: "Wenn wir jetzt nicht anfangen mit der Planung, dann kriegen wir's nie."

Die Ingolstädter Delegation konnte sich anschließend bei einer Busfahrt durch die für die Strecken ausgesuchten Stadtteile davon überzeugen, dass es in der Domstadt zwar einerseits großzügig geplante Neubausiedlungen gibt, durch die bequem noch eine Bahnstrecke geführt werden kann, dass die gewünschte Trasse aber auch Viertel mit älterer Bausubstanz berührt, in denen es sehr eng werden dürfte und wo man den Grundbesitzern quasi durch die Vorgärten fahren müsste. Prognose aus der Besuchergruppe: Da werden die Regensburger Verantwortlichen noch jede Menge "Spaß" bekommen.

Als Blaupause für künftige Ingolstädter Verkehrslösungen, dieser Eindruck verfestigte sich unter den Gästen mehr und mehr, wird das Regensburger Bahnmodell kaum taugen. Oberbürgermeister Christian Lösel zeigte sich gegenüber dem DK in einer ersten Stellungnahme vor allem von den Kosten beeindruckt: Die exorbitanten Investitionssummen habe er mit Erstaunen vernommen, so der Rathauschef. Lösel ließ durchblicken, dass er sich eine Verlagerung von Verkehr auf die Schiene in Ingolstadt eher auf den bestehenden Strecken der DB und allenfalls in "Ausfädelungen" an besonders verkehrsstarken Anknüpfungspunkten vorstellen kann.

Der Verkehrsexperte Ludwig Hörner, regionaler Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), riet nach der Exkursion im Gespräch mit dem DK, keinesfalls auf eine Stadtbahnlösung à la Regensburg zu setzen. Die Voraussetzungen in Ingolstadt seien einfach andere. Hier müsse man es erst einmal schaffen, das bestehende Bussystem attraktiver zu machen, das noch keinesfalls an seiner Leistungsgrenze angelangt sei.

Bernd Heimerl