Ingolstadt
Der Blick liegt auf dem Rechtsmediziner

Prozess um das tödliche Beziehungsdrama in der Obdachlosenunterkunft geht dem Ende entgegen

08.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:54 Uhr
Zwischen Angst und Phasen des Mitleids soll die mutmaßlich von ihm getötete Lebensgefährtin des 49-jährigen Angeklagten in ihrer Liebesbeziehung geschwankt haben. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Der vierte Prozesstag am Landgericht verdeutlichte es gestern noch einmal: Der mutmaßlich gewaltsame Tod der 34-Jährigen in der Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser war der grausame Höhepunkt einer schlimmen Beziehung, zu der vielen Menschen aus dem Umfeld von Opfer und mutmaßlichem Täter im Nachhinein letztlich die Worte fehlten, als sie deren gewaltsame Dimension erfuhren.

Nicht so zwei Nachbarinnen aus der städtischen Einrichtungen, die vor allem die Getötete gut bis sehr gut kannten. "Es gibt einen Gott! ", zischte eine 45-Jährige gestern am Landgericht in Richtung des "zu richtenden" Angeklagten, der seine Freundin laut Vorwurf der Staatsanwaltschaft im September 2017 erschlagen haben soll. Eine 58-jährige Bewohnerin brach gestern im Angesicht des mutmaßlichen Täters sogar mehrfach in Tränen aus. Bei ihr war die Getötete quasi täglich und hatte für sie eingekauft. Noch wenige Stunden, bevor sie tot in ihrem Bett in der Wohnung gegenüber gelegen war, hatte die 34-Jährige auf eine Zigarette und ein Bier bei ihr vorbeigeschaut. Dabei war der Nachbarin das massive Hämatom über dem linken Auge aufgefallen. "Wie ein Stein", sagte sie gestern. Doch die lebensfrohe Frau habe für sie stets nur fadenscheinige Ausreden parat gehabt. "Vom Fahrrad gefallen" - in dieser Kategorie. Dabei war sie das Prügelopfer ihres Freundes, was dieser der Strafkammer um Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl auch eingestanden hat.

An Schläge in der verhängnisvollen Nacht zum 5. September will er sich aber nicht erinnern können. Die große Frage des Prozesses ist nun, ob die Folgen eines akuten Übergriffes die Gehirnblutung, an der die 34-jährige laut der Autopsie gestorben ist, hervorgerufen haben. Und dann ist für die Schwurkammer noch zu bewerten, ob der Angeklagte mit einer Tötungsabsicht zugeschlagen oder die Tötung zumindest durch entsprechende Schläge billigend in Kauf genommen haben könnte. Oder wollte er vielleicht zwar verletzen, aber nicht töten? Dann käme eine deutlich milder geartete Verurteilung wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge infrage, auf die möglicherweise die Verteidigung abzielt. Einen entsprechenden Hinweis, dass der Straftatbestand rechtlich im Raum steht, hat die Schwurkammer aber noch nicht gegeben. Sie wartet ab, wie das Gutachten des vom Gericht beauftragten Rechtsmediziners ausfällt, der sich im Prozess noch zu den genauen Todesumständen äußern wird.

Eine Frage ist dabei sicherlich, welche Rolle die wiederholten Verletzungen vor allem am Kopf der Frau spielten, die der Angeklagte ihr - wie er eben selbst gestand - bei seinen wiederholten Prügelattacken (mutmaßlich im Alkohol- und Drogenrausch) verpasst hatte. Gab es Vorschädigungen, die durch einen bestimmten Auslöser in dieser Form hatten tödlich wirken können? Gegenüber ihrer Nachbarin hatte das spätere Opfer wiederholt über andauernde Kopfschmerzen geklagt.

Der Angeklagte. Trotz der wiederholten Misshandlungen und immer wieder aufflammenden Streitereien hatte sich die Frau nicht von ihm trennen wollen oder können. "Das war ein Auf und Ab", sagte die Kriminalpolizistin, die in dem Fall federführend ermittelte, dem Gericht. SMS-Nachrichten, die Richter Bösl gestern vortrug, belegten genau das. Zwischen Liebesschwüren, besonders von ihrer Seite ("Du bist alles, was ich brauche"), und massiven Vorwürfen aus Eifersucht schwankte die Beziehung der beiden wohl schweren Alkoholiker im Tagesrhythmus. Bis zum tödlichen Ende im September vorigen Jahres.

Am Montag sollen die Plädoyers gehalten werden. Die Urteilsverkündung ist für Freitag in einer Woche geplant.
 

Christian Rehberger