Ingolstadt
Jeder Schuss in Gold aufgewogen

Sanierung des Schützenheims in der Ochsenschlacht soll satte 3,3 Millionen Euro kosten

12.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:30 Uhr
Volltreffer? Auf den Schießständen der Feuerschützen (oben der Eingangsbereich) wird es dank Einsatz von Kleinkalibermunition auch schon mal laut. Der entstehende Pulverdampf wirft allerdings Probleme auf und soll mit einer neuen Lüftungsanlage schneller abgesaugt werden. −Foto: Fotos: Hauser, Eberl / Archiv

Ingolstadt (DK) Sie führen das Prädikat "privilegiert" bereits im Vereinsnamen, und in diesen Tagen wird im Stadtrat auch deutlich, warum das berechtigt ist: Am heutigen Mittwoch wird auch der Kulturausschuss erfahren, warum der Sanierung des Schützenheims der Königlich privilegierten Feuerschützengesellschaft von 1445 in der Ochsenschlacht zugestimmt werden soll. Kosten: 3,3 Millionen Euro.

Über die Alimentierung von Vereinen aus Mitteln der öffentlichen Hand gibt es immer wieder mal Diskussionen, sicher nicht nur in Ingolstadt. Mit dem Projekt, das in den vergangenen Monaten im Hochbauamt Konturen angenommen hat und das jetzt im Sitzungsdurchlauf der Stadratsausschüsse gelandet ist, hat Ingolstadt allerdings alle Chancen, beim Bund der Steuerzahler wahrgenommen zu werden. "Für das Geld", so äußert sich ein Kenner, "baut man eigentlich eine Turnhalle."

Nichts kommt von ungefähr. Im Fall der Feuerschützen (rund 160 Mitglieder), die für sich in Anspruch nehmen, ältester Verein der Stadt zu sein, reichen die Wurzeln des kostspieligen jetzigen Bauvorhabens weit zurück - in die 70er- Jahre, als die Stadt dem Verein im Zuge eines Grundstückgeschäftes die notariell beglaubigte Zusicherung gegeben hatte, ihm im seinerzeit neuen Schul- und Sportzentrum Südwest "im Untergeschoss eine Schießanlage zur Verfügung zu stellen", wie in der gegenwärtigen Beschlussvorlage erläutert wird. Jahre später hatte die Verwaltung durch juristische Schritte versucht, sich der absehbaren Folgekosten dieses Vertrages zu entledigen, war aber in zwei Instanzen, zuletzt vor dem Oberlandesgericht München, gescheitert.

Es sei von den Richtern "alles nochmals bestätigt" worden, bekannte Bürgermeister Sepp Mißlbeck jetzt im Sportausschuss, wo das heikle Thema vor einigen Tagen erwartungsgemäß auf Kritik stieß. "Das ist eine Katastrophe", ließ sich zum Beispiel Grünen-Stadtrat Christian Höbusch vernehmen. Die Feuerschützen seien mit der satten Millionengabe "so privilegiert - da können sich andere nur die Finger abschlecken". Gut möglich, dass es heute im ebenfalls zuständigen Kultur- und Schulausschuss ähnliche Kommentierungen geben wird. Um ein Ja werden die Stadträte aber mit Blick auf die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Schützen (letztlich entscheiden soll am 28. Juni der Stadtrat) kaum umhinkommen. Oder etwa doch?

Die gewaltige Investition in den Schießsport war schon außergewöhnlich zu nennen, als sie vor bald vier Jahren in der mittelfristigen Finanzplanung der Stadt auftauchte - seinerzeit noch auf 1,2 Millionen Euro taxiert, was den DK im Dezember 2014 zu einer Nachfrage beim damaligen Finanzreferenten, Bürgermeister Albert Wittmann, bewogen hatte. Der hatte schon seinerzeit auf die mittlerweile strengeren Auflagen für Schießanlagen und auf den Knebeleffekt des Vertrags mit dem Verein hingewiesen: "Wir haben keinen Ermessensspielraum."

Bis zur Feinplanung für die Vereinsheimsanierung gingen noch drei Jahre ins Land. Diese lange Vorlaufzeit hat es offenbar mit sich gebracht, dass die Baupreise weiter davon galoppierten und die Feuerschutzauflagen womöglich noch strikter geworden sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtkosten von mittlerweile geschätzten 3,3 Millionen Euro sei durch die Anforderungen an den Brandschutz bedingt, heißt es jetzt im Rathaus. Unter anderem müsse ein zweiter Rettungsweg geschaffen werden.

Kostentreiber ist angeblich auch eine neue Lüftungszentrale für die Ochsenschlacht, die mit rund 850000 Euro veranschlagt worden ist. Sie versorgt zwar auch die Turnhalle des Sportkomplexes und kommt somit allen Nutzern zugute, doch haben offenbar die inzwischen verschärften amtlichen Vorschriften für den Abzug von Pulverdampf aus der Schießanlage (hier wird auch mit Kleinkalibermunition geschossen) mit den Anstoß zu der Neuinstallation gegeben.

Ohne diesen Posten und ohne die Planungskosten, die nach DK-Informationen allein schon mit einer halben Million Euro aufschlagen, landet man nach einer Rechnung der Verwaltung beim reinen Sanierungsaufwand für Schützenheim und Schießanlage immerhin aber auch noch bei rund 1,9 Millionen Euro - wesentlich mehr als in der Finanzplanung vor vier Jahren angenommen. In der Entscheidungsvorlage der Verwaltung tauchen (ohne genaue Preisangaben) auch Kostenstellen wie die "Schaffung von getrennten Umkleidemöglichkeiten für Damen/Herren" und "Neuauslegung der Küche" auf. Dinge, die nach Verwaltungsverständnis offenbar unabdingbar für ein gepflegtes Anlegen auf Zielscheiben sind.

Ob ohne diese aufwendige Sanierung bzw. ohne einen derart üppigen Finanzbedarf, durch den Kritiker bereits jeden in der Ochsenschlacht künftig abgegebenen Schuss in Gold aufgewogen sehen, der Bestand der Feuerschützen gefährdet wäre, steht dahin. Ihr Erster Schützenmeister Peter Bacso merkte gestern auf Anfrage an, dass die "Privilegierten" immerhin schon seit gut zehn Jahren ihren 50-Meter-Stand nicht mehr nutzen konnten. Im Hochbauamt war bei einer DK-Anfrage zum Bericht Ende 2014 argumentiert worden, ohne eine voll funktionsfähige Schießanlage sei der "Tod des Vereins" absehbar. Das wollte bei der Stadt, so scheint es, gerade beim angeblich ältesten Ingolstädter Verein wohl niemand verantworten.
 

Bernd Heimerl