Ingolstadt
Touristen-Quartett machte auch Italien unsicher

Prozess um Raub im Klenzepark: Die beiden Angeklagten kassierten auf Sizilien jeweils Bewährungsstrafen

10.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:22 Uhr

Ingolstadt (DK) Sie waren am Überfall auf einen jungen Mann im Klenzepark beteiligt und reisten anschließend mit dessen Geld und Auto nach Italien.

Auch dort wurde ein Überfall verübt - auf einen Pizzaboten. Diese Episode wurde am Freitag im Strafverfahren gegen eine Ingolstädterin und einen ihrer Bekannten vor dem Landgericht aufgehellt. Am nächsten Freitag soll gegen die beiden jungen Leute das Urteil gesprochen werden.

Bereits an den beiden vorausgegangenen Prozesstagen ist vor der 1. Strafkammer die Geschichte dieses doch etwas bizarren Kriminalfalls nachvollzogen worden (DK berichtete). Die 23-jährige Ingolstädterin hatte einen guten Bekannten unter einem Vorwand zu einem spätabendlichen Treffen beim Holzpavillon im Klenzepark gelockt, wo er dann von drei weiteren jungen Leuten, darunter der jetzige Mitangeklagte, überfallen und mit einem Messer bedroht wurde. Wegen des Einsatzes der Waffe gilt das Delikt in der Anklage als besonders schwere räuberische Erpressung.

Die Kammer hat am Freitag per Hinweis erneut klar gemacht, dass sie nach der bisherigen Beweisaufnahme davon ausgeht, dass der Angeklagte, ein 23-jähriger Gelegenheitsarbeiter, obgleich eher Mitläufer, sehr wohl mit einer entsprechenden Verurteilung rechnen muss. Er habe sich, so Vorsitzender Jochen Bösl, bei Einsatz des Messers durch einen anderen jungen Mann (der noch in Italien in Auslieferungshaft sitzt) nicht vom Geschehen losgesagt. Allenfalls komme ein minderschwerer Fall in Betracht.

Es war aber weniger die Waffengewalt als vielmehr der Gesamteindruck dieses Falles, der Beabachter irritiert hat: Dass vier junge Leute, die sich praktisch gerade erst kennengelernt haben, ihre Urlaubswünsche mit einem spontan geplanten Überfall verwirklichen wollen und dazu einen Menschen massiv berdrohen und schädigen, darf als ungewöhnlich gelten. Tatsächlich war das Quartett mit dem gestohlenen Auto bis nach Sizilien gelangt, wo man den Vater des jetzigen Angeklagten besucht hatte.

Unter der Mittelmeersonne wollte die Urklaubsfreude allerdings doch nicht sonderlich lange währen, denn das mit der Scheckkarte des Ingolstädter Opfers ergaunerte Geld hielt natürlich nicht lange vor. Als es auch nicht mehr für einfache Nahrungsbeschaffung reichte, verfielen die Touristen aus Deutschland auf eine weitere recht plumpe Lösung: Sie orderten übers Handy bei einem Schnellrestaurant Pizza und Cola und fielen dann auf offener Straße über den Boten her, der mit einem Fußtritt in den Bauch in die Flucht geschlagen wurde. Zudem stahl die Gruppe offenbar kurz darauf die Kennzeichen eines abgestellten italienischen Wagens, um damit die Nummernschilder am gestohlenen deutschen Auto zu überdecken.

So weit kam es aber dann nicht mehr, denn als Polizisten aufgrund von Hinweisen aus der geschädigten Pizzeria am nächsten Abend die Gegend des Überfalls kontrollierten, stießen sie auf das Quartett aus Germania, in dessen Auto sich eine Axt und mehrere Messer fanden. Die Bande wanderte in Untersuchungshaft.

Vorsitzender Bösl las am Freitag die Übersetzung eines Urteils vor, das im vergangenen November vom Landgericht in Messina gegen die beiden jetzt in Ingolstadt auf der Anklagebank sitzenden jungen Leute ergangen ist. Beide waren wegen des Raubes zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und später wegen eines von der Ingolstädter Staatsanwaltschaft erwirkten europäischen Haftbefehls an die deutsche Justiz ausgeliefert worden. Eine noch minderjährige Mittäterin wurde ebenfalls in ihre Heimat abgeschoben; sie sitzt mittlerweile in Baden-Württemberg in Haft. Die in Italien verhängten Bewährungsstrafen sind in Deutschland nicht gesamtstrafenfähig, könnten aber von der hiesigen Strafkammer bei ihrer Urteilsfindung dennoch grundsätzlich mit in Betracht gezogen werden.

Bei der 23-jährigen Ingolstädterin, die laut psychiatrischem Gutachten an einer Borderline-Störung leidet, könnte es laut Gericht wegen der weitaus geringeren Beteiligung (sie hatte sich vor dem Überfall abgesetzt) auf eine einfache räuberische Erpressung hinauslaufen. Bei dem jungen Mann steht wegen einer bereits stärker ausgeprägten Drogengewöhnung (er konsumierte vorwiegend Amphetamine) auch eine mögliche zwangsweise Unterbringung in einer Entziehungsklinik im Raum. Eine Gutachterin bescheinigte ihm zumindest Symptome einer beginnenden Abhängigkeit.

Bernd Heimerl