Ingolstadt
Kinder, die auf Kanonen sitzen

Armeemuseum bittet die Bürger um Fotos aus dem Schlosshof - Bilder-Scannen und Gespräche am 25. Juli

16.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:58 Uhr
Solche Fotos sucht das Armeemuseum: Alexander John fotografierte 2003 seine Tochter Nele im Hof des Neuen Schlosses. −Foto: Alexander John / Historischer Verein Ingolstadt

Ingolstadt - Gut möglich, dass einige Eltern aus dem alternativ-intellektuellen Milieu anderer Großstädte pikiert reagieren, wenn sie dieser Kombination ansichtig werden: Kinder und Waffen.

Vielleicht würde dann manch einer was von "Militärisch-industrieller Komplex geht ja wohl gar nicht" raunen und kritisch-pazifistisch dreinschauen. In Ingolstadt dagegen pflegen die meisten Bürger ein entspanntes Verhältnis zu Kindern, die auf altem Kriegsgerät herumturnen. In der Stadt des Bayerischen Armeemuseums (es residiert seit 1972 im Neuen Schloss) ist dieser Anblick ein Klassiker. Die 16 historischen Kanonenrohre, die seit 1974 den Schlosshof schmücken, gehören für viele Schanzer einfach dazu. Generationen von Kindern (darunter zahllose kleine Museumsbesucher von auswärts) saßen schon fröhlich auf den Ungetümen, rege fotografiert von den amüsierten Eltern. Um solche Bilder bitten das Armeemuseum und der Historische Verein die Bürger nun.

Sie richten einen Aufruf zur Unterstützung und Mitwirkung an die Bevölkerung. Motto: "Ich auf der Kanone - Das Schlossareal Ingolstadt in Fotos und Erinnerungen. " Museumsleiter Ansgar Reiß und Vereinsvorsitzender Matthias Schickel laden alle dazu ein, am Samstag, 25. Juli, zwischen 11 und 16 Uhr ins Schloss zu kommen und Fotos aus den Familienalben, die auf dem Gelände des einstigen Herzogssitzes geschossen wurden, mitzubringen. Sie schreiben: "Sie können uns Fotos schenken, oder wir können sie vor Ort scannen, so dass Sie sie wieder mit nach Hause nehmen können. Selbstverständlich können Sie über die Verwendung nach Ihrem Willen entscheiden. Dabei möchten wir Sie auch gerne über Ihre Erinnerungen an das Neue Schloss befragen. "

Es ist den Initiatoren dieser nostalgisch-historischen Akti-on ein großes Anliegen, mit den Bürgern, die Bilder vorbeibringen, ins Gespräch zu kommen. "Wir wollen mehr über die Vergangenheit des Schlosses erfahren", sagt Reiß. Deshalb freut er sich auch über Aufnahmen, die vor 1974 entstanden; es müssen also nicht nur Kinder auf Kanonen zu sehen sein. "Aus der Nachkriegszeit, als das Schloss schwer beschädigt war, haben wir nur ganz wenige Fotos. " Bis in die 1960er war das Schlossareal bewohnt. "Es gab ein Malergeschäft, einen Geigenbauer und Schrebergärten, denen wir die Obstbäume verdanken", erzählt der Museumsleiter. Er hofft: Vielleicht kommen am 25. Juli auch ehemalige Schlossbewohner. "Uns würde mehr über diese Zeit sehr interessieren! "

Ein Leitgedanke der Aktion lautet: "Ich und mein Schloss". Reiß: "Es ist ein Schloss der Bürger. Hier wird keine elitäre Wissenschaft betrieben. " Die Kanonen im Hof signalisieren diesen Funktionswandel seit 1974. "Sie waren einst herrschaftliche Repräsentationsobjekte der Wittelsbacher, die von Bürgern, vor allem Kindern, friedlich in Besitz genommen wurden. " Eine schöne Symbolik, findet Reiß.

Die verzierten Kanonenrohre, darunter Beutestücke aus Kriegen gegen die Osmanen, wurden im 16. und 17. Jahrhundert gegossen. "Sie wurden seit Jahrhunderten nicht verwendet und sind heute Denkmäler", sagt Reiß. Die Artillerierelikte zeigen, "dass alte Dinge nicht mehr gefährlich sind". Der Museumsleiter beschreibt die "besondere Spannung", die zwischen den martialischen Objekten und den Kindern entsteht, die begeistert auf ihnen reiten. "Wann kann man schon mal auf Denkmälern herumklettern? Die gehen nicht kaputt. " Eine ganze Salve von Argumenten also, falls einige Eltern doch Bedenken haben, wenn Kinder auf Geschützen posieren.

Das Armeemuseum will die schönsten Fotos aus den Familienalben ausstellen. Ein Motto der Schau könnte lauten: "Kindheit in Ingolstadt" - natürlich immer mit Ritt auf der Kanone, diesem Schanzer Klassiker.

DK