Kösching
"Pogo ist nicht pleite, Pogo saniert"

Geschäftsführer des angeschlagenen Köschinger Modehauses will Insolvenz-Begriff die Schärfe nehmen

03.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:38 Uhr
Die Marke "Pogo" heißt nicht nur Mode, betont Karlheinz Pogoretschnik (Mitte) vor seiner Galerie in Kösching, wo diverse Geschäfte untergekommen sind. Mit Berater Thomas Planer (links) und Rechtsanwalt Alexander Fridgen durchläuft der Geschäftsführer das Insolvenzverfahren. −Foto: Stephan

Kösching (DK) Die Mitarbeiter des angeschlagenen Köschinger Modehauses Absolut Pogo sind gestern über die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens informiert worden.

Dieses will Geschäftsführer Karlheinz Pogoretschnik wie berichtet über die Insolvenz in Eigenverwaltung retten. Im Zuge dessen möchte er diesem Begriff auch die Schärfe nehmen.

In der Galerie Pogo am Köschinger Hauptsitz von Absolut Pogo ging es gestern Vormittag eher ruhig zu. An der Tür eines geschlossenen Ladens hing ein roter Zettel mit der Information, dass der Betrieb wegen einer Mitarbeiterversammlung erst um 12 Uhr beginne. Den Grund für diese kannten bisher nur wenige Kunden, wie aus einigen Unterhaltungen hervorging. "Dafür ist es noch zu früh", sagte Karlheinz Pogoretschnik später.

Auch viele Angestellten wurden von der Nachricht, dass Absolut Pogo sich über die Insolvenz in Eigenverwaltung neu ausrichten und damit wieder fit für die Zukunft machen will, wohl überrascht. Wenngleich Thomas Planer der Überzeugung ist, dass die meisten schon mitgekriegt haben, wie es um den "Pogo" steht. "Die Angestellten merken doch, wenn die Verluste an Marktanteilen immer größer werden", sagte der Insolvenzberater der Planer & Kollegen GmbH, der Pogoretschnik in den kommenden Monaten als Experte zur Seite stehen wird.

Die Stimmung bei der Versammlung, die gestern in Wettstetten abgehalten wurde, beschrieb Planer deshalb als "relativ ruhig". Dazu habe beigetragen, dass die Mitarbeiter früh erfuhren, dass die Gehälter vorerst gesichert sind. "Sie sahen, dass es weitergeht, auch wenn wir nicht versprechen konnten, alle Arbeitsplätze und Läden erhalten zu können", ergänzte Planer. Er sprach von einem "deutlichen Gefühl des Zusammenhalts" unter den Angestellten als "unternehmerische Familie".

Pogoretschnik selbst ging - ganz der Unternehmer - im Gespräch mit unserer Zeitung erst einmal auf den Wandel in der Textilbranche ein. Er bezog sich nicht nur auf die Digitalisierung, sondern auch auf die Gewichtung von qualitativ hochwertiger Kleidung: "Urlaub und Karten für Peter Maffay sind heute wichtiger als neue Jeans. " Dazu komme die Konkurrenz durch Billigmarken wie Primark oder, regional gesehen, das FOC im Süden Köschings. Doch dann offenbarte Pogoretschnik, dass auch ihn die Insolvenz natürlich nicht kalt lässt: "Am Ende der Versammlung war ich ein bisschen emotional", erzählte er. Vor allem, als er die Tränen einer langjährigen Mitarbeiterin gesehen habe.

Der Absolut-Pogo-Geschäftsführer versteht, dass der Begriff "Insolvenz" die großteils weibliche Belegschaft zunächst verschreckt hat. Er wollte diesem deshalb die Schärfe nehmen und betonte: "Pogo ist nicht pleite, Pogo saniert. " Der Schritt in die Insolvenz in Eigenverwaltung als "neue juristische Grundlage" sei die Konsequenz aus vielen unfruchtbaren Gesprächen mit Vermietern und Lieferanten.

Als rechnerisches Beispiel nannte er einen seiner Läden in einem Regensburger Einkaufszentrum, in dem der Umsatz in den vergangenen Jahren von 1,1 Millionen auf rund 700000 Euro zurückgegangen sei. "Das passt heute im Verhältnis zur anfangs ausgehandelten Miete einfach nicht mehr. " Und auch, wenn der Geschäftsmann nichts von Verschuldung hören möchte, sagte er: "Wir haben gerade noch rechtzeitig gehandelt. "

Sein Berater bestätigte: "Insolvenz ist kein böses Wort mehr für Scheitern, vor allem seit es die Möglichkeit der Eigenverwaltung gibt. " Vielmehr sei es mutig, frühzeitig zuzugeben, Hilfe zu benötigen. Auch Rechtsanwalt Alexander Fridgen, der als Sachwalter eine überwachende Funktion inne hat, betonte: "Es zeugt von unternehmerischer Weitsicht, nicht zu warten, bis kein Euro mehr auf dem Konto ist. " Deshalb habe das Ingolstädter Amtsgericht dem Schritt in die Insolvenz in Eigenverwaltung auch erst zugestimmt.

Planer kann gewisse Ängste nachvollziehen, da bezüglich Insolvenz über viele Jahre "eine Zerschlagungs- und keine Sanierungskultur" geherrscht habe. Trotz aller Erfolgsaussichten sei er aber froh, dass der Insolvenz-Begriff nach wie vor einen Schreckmoment birgt: "Die Leute merken, dass es so nicht weiter gehen kann. " Sanierung, die erfahrungsgemäß in diesem Größenverhältnis neun bis zwölf Monate beanspruche, bedeute nachhaltige Verhaltensveränderung - und zwar aller Beteiligten. Das seien nicht nur Geschäftsführung und Angestellte, sondern auch Kunden: "Einzelhandelläden sterben zunehmend, aber viele schauen nur zu und handeln nicht", merkte Planer an. "Wir wünschen uns die Treue der Kunden, um ein alteingesessenes Traditionsgeschäft zu unterstützen. " Im Gegenzug sei mit attraktiven Preisen und deutlichem Onlineausbau zu rechnen.

Pogoretschnik wies indes auf ein Bild hinter ihm, das seine Bürowand ziert. Es zeigt unter anderem einen aus der Asche auferstehenden Phönix. In Bezug auf diese Metapher sagte er fast hoffnungsvoll: "Ich bin überzeugt, dass die Eigenverwaltung ein fantastisches Instrument ist, um sich auf Augenhöhe mit Lieferanten und Vermietern einigen zu können. "

Tränen, Häppchen und gute Wünsche

Kösching (tjs) Das erste Lehrmädchen im Verkauf des Modeunternehmens der Familie Pogoretschnik war Annemarie Pietzonka.

Sie begann ihre Ausbildung mit 14 Jahren - und blieb über fünf Jahrzehnte bis zum Beginn ihrer Rente 2014. Weil sie bis heute ein enges Verhältnis zu einigen Angestellten und Geschäftsführer Karlheinz Pogoretschnik pflegt, hat auch sie gestern die Mitarbeiterversammlung besucht.

Die Nachricht von der Insolvenz kam für Pietzonka überraschend, sagte sie hinterher gegenüber dem DK. Sogar mit den Tränen musste sie kämpfen. "Wenn man so lange im Betrieb war, entwickelt sich eine familiäre Bande. " Im ersten Moment dachte sie an den 2014 gestorbenen Seniorchef Karl Pogoretschnik: "Er war immer so ein lieber und zurückhaltender Mensch, was würde er nun sagen? "

Pietzonka berichtete von einer ruhigen, aber sorgenvollen Stimmung bei der Versammlung. Es gab Häppchen und Kaffee - ein Zeichen, "dass das keine Trauerfeier sein sollte", sagte sie, ergänzte aber auch: "Ich verstehe die Insolvenz, aber natürlich machen sich die Leute Gedanken wegen des Lohns und ihres Arbeitsplatzes. "

Wenn das Wort "Insolvenz" fällt, gibt es laut Pietzonka zunächst einen Schreckmoment. "Man begreift nicht, was das bedeutet", sagte sie. "Aber in der Versammlung wurde gut erklärt, was Eigenverwaltung heißt, sodass alle ein bisschen beruhigt waren. " Ganz so zuversichtlich, wie Pogoretschnik sich offenbar gab, ist Pietzonka nicht. "Ich bin unsicher, aber ich würde es ihm sehr wünschen", beteuerte sie.

Seine ehemalige Angestellte ging auf Pogoretschniks Mut zum Risiko ein, aus der eigenen Tasche ein "Modeimperium" in Kösching aufzubauen. Seither habe sich in der Textilbranche viel verändert. Dass das Unternehmen nun finanzielle Probleme hat, nehme der Geschäftsführer komplett auf sich. "Er meinte, dass er zu hoch spekuliert hat", erzählte Pietzonka. "Ich wünsche ihm deshalb auch, dass er vorsichtiger wird. "Foto: Stephan (Archiv)

Tanja Stephan