Ingolstadt
Weg, so schnell sie konnte

Ziri Rideaux verließ Ingolstadt und filmte in Kriegsgebieten und in Armenvierteln – erst in Los Angeles wurde sie heimisch

14.11.2011 | Stand 03.12.2020, 2:10 Uhr

Glückliche Kindheit: Ziri im Heustadel mit Jugendfreund Bert.

Ingolstadt (DK) Sich der spießbürgerlichen Gesellschaft anzupassen, war noch nie ihr Ding. Weder als erster Punk am Scheiner-Gymnasium, noch im weiteren Leben, das sie als Kriegsberichterstatterin an die Krisenherde der Welt führte. Inzwischen ist Filmemacherin Ziri Rideaux in Los Angeles heimisch geworden.

Für Ziri Wagner konnte es nicht schnell genug gehen. Das Abi machte sie am Scheiner-Gymnasium fertig. Doch schon diese Zeit war für sie als „sehr politischer Mensch“ mit hohem, ja zu hohem Anpassungsdruck verbunden. „Ich war der erste Punk dort und musste jede Woche zum Direktor“, erzählt die heute 44-Jährige. Als sie ihre Hochschulreife in der Hand hatte, suchte sie das Weite. Das war damals München, wo sie ein Journalistikstudium aufnahm. Bald zog sie weiter nach Berlin; getrieben von der Suche nach der Bestimmung. Den Mauerfall und die Wiedervereinigung erlebte sie als junge Fernsehreporterin hautnah mit („das war superinteressant“), doch was danach folgte, verlor schnell seinen Reiz. Mit Cherno Jobatey moderierte sie ein Magazin. „Da wusste ich, was ich nicht machen wollte.“ In ihr schlummert ein extrem kritischer Geist. Ins Korsett eines Fernsehsenders wollte sie sich nicht pressen lassen. „Das hätte ein Ausmaß der Anpassung abverlangt, das ich nicht leisten konnte.“

Also zog sie als freie Filmemacherin hinaus in die Welt. Ein Jahr sollte die Reise dauern; es wurden fünf. Ziri filmte für ARD, ZDF, BBC und andere Sender an Kriegsschauplätzen wie Irak, Afghanistan, Ruanda, Somalia oder Bosnien. „Ich habe sehr viel Leid gesehen.“ In ihren Filmen gibt es ein wiederkehrendes Element: das Schicksal des vermeintlich schwachen Geschlechts. „Frauen leisten so viel, die Männer stecken die Lorbeeren dafür ein.“ Ziri lebte in Kolumbien sogar auf der Straße für eine Reportage. „Da macht man sich viele Gedanken über das Leben.“

Ihre Städte wurden immer größer. Bis Mitte der 1990er Jahre die Liebe zuschlug – in doppeltem Sinn. Ziri kam nach Los Angeles und lernte ihren späteren Mann Patrick Rideaux kennen. Beide wurden in Kalifornien heimisch. „Los Angeles ist meine Stadt“, sagt sie. Es sei „wie das personifizierte Internet: Wenn man weiß, was man sucht, findet man alles. Man kann sich aber auch verlieren.“

Verloren hat Ziri den Kontakt nach Ingolstadt nie. „Ein bis zwei Mal im Jahr komme ich zurück.“ Heuer für Monate sogar aus einem tragischen Grund. Ihre Schwester war (wie die verstorbenen Eltern) an Krebs erkrankt. Ziri stand ihr als Rückenmarkspenderin zur Seite. Den Kampf haben beide gewonnen.

Tagtäglich muss sich Ziri weiter in der Filmwelt beweisen. „Es ist extrem hart in dem Geschäft. Ich habe über Jahre sehr, sehr viel gearbeitet. Ich bin eine Businessfrau.“ In ihrer Produktionsfirma „Ziriusfilms“ und einer Fotoagentur beschäftigt sie zehn Angestellte. Das lässt ihr Zeit, sich der Künstlerkarriere, den drei Pferden, dem Schamanismus und der Flamencogitarre zu widmen.

Doch das Filmen lässt sie nie los. Ihre Dokumentationen wie „Treewoman“ sind preisgekrönt. Für ihr erstes abendfüllendes Werk „Backgammon“ erhielt sie bei den Filmfestspielen von Cannes sogar den Independent-Award aus den Händen von Prinz Albert von Monaco. Ihr großes Ziel klingt so: „Europäische Inhalte mit der Maschinerie Hollywoods verarbeiten.“ Damit in der „Blockbuster“-geprägten Traumfabrik anzukommen, „braucht es eine riesige Hartnäckigkeit“. Seit Jahren kämpft Ziri um „Project Hammer“. Der autobiografische Film soll für zehn Millionen Dollar in Südafrika gedreht werden. Im Frühjahr geht es los.