Ingolstadt
Pirouette auf Rädern

In einer Performance zum Thema Rollstuhl tanzt die 15-jährige Marina Lösel die Hauptrolle

04.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:27 Uhr

Ingolstadt (DK) „Gelb wie die Sonne“, sagt Marina Lösel und strahlt. Die Schülerin trägt heute zum ersten Mal ihr Kostüm für ihren großen Auftritt: ein gelbes Kleid und eine türkise Hose. „Bitte hinsetzen“: Das ist der Titel einer Performance am Montag in der Halle 9, die sich mit dem Thema Rollstuhl auseinandersetzt. In den Hauptrollen tanzen Marina, eine 15-jährige Köschingerin, und eine Profitänzerin aus Frankfurt.

Noch steht Marina auf beiden Beinen, gleich wird sie sich in einen Rollstuhl setzen: Sie spielt eine Querschnittsgelähmte, die davon träumt, tanzen zu können. Seit Monaten hat die 15-Jährige mit Down-Syndrom trainiert, angeleitet von Maria Nieves Tietze. Die Ingolstädter Schauspielerin und Tanzpädagogin arbeitet seit Jahren mit Behinderten, inzwischen im von ihr gegründeten Kunstzentrum Besondere Menschen. Im Oktober hatte ihr Stück „Sinne“ im Altstadttheater Premiere, jetzt folgt die Aufführung zum Thema Rollstuhl, die sie in der Einladung als „performatives Tanztheaterstück“ bezeichnet.

Zahlreiche Menschen mit und ohne Handicap gestalten den Abend gemeinsam. Dazu gehören Musik mit Mitgliedern des Georgischen Kammerorchesters, eine Kunstausstellung zum Thema sowie ein Bühnenbild der renommierten Künstlerin Kathy Kornprobst, die selbst im Rollstuhl sitzt.

Aus Frankfurt reist für die Vorstellung die professionell ausgebildete Tänzerin Svende Obrocki an. Gemeinsam mit Marina tanzt sie eine Choreographie, in der der Unterkörper reglos bleibt. Stattdessen schieben die Tänzerinnen ihre Beine mit den Händen umher, befinden sich dabei im Rollstuhl oder auf dem Boden.

Marinas Vorteil ist ihr Elefantengedächtnis. Zwar fällt ihr das Rechnen oft schwer, nicht immer findet sie die richtigen Worte, um sich auszudrücken. Auf der Bühne aber bewegt sie sich, ohne nachzudenken, weiß jeden Schritt auswendig. „Sie übt tagelang“, erzählt Mutter Sabine Schauer. Ihre Tochter habe sich dabei verändert, sei jetzt viel selbstbewusster: „Maria gibt Marina die Chance, etwas Besonderes zu sein.“

Marina probt derweil auf der Bühne schon einmal den Text, den sie in dem Stück aufsagen wird. „Meine müden Füße, ihr müsst tanzen“, ruft sie laut. Am Montag, 7. Dezember, spricht sie diesen Satz das erste Mal vor Publikum – um 18 Uhr im Kulturzentrum 9 am Hauptbahnhof. Um 17.30 Uhr ist Einlass, die Veranstaltung dauert mit Pause etwas über eineinhalb Stunden. Mehr Informationen zum Kunstzentrum Besondere Menschen gibt Maria Nieves Tietze unter der E-Mail-Adresse kunstzentrum@gmail.com.