Ingolstadt
"Man muss das alles im Ganzen sehen"

Der scheidende Gestaltungsbeirat Karl Frey über hitzige Diskussionen und vermeintlich verpasste Chancen

28.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:45 Uhr

Foto: Hermann Redl

Ingolstadt (DK) Über zehn Jahre war Karl Frey, Architekt und einstiger Diözesanbaumeister Eichstätts, Mitglied im Ingolstädter Gestaltungsbeirat. Ende des Monats scheidet der 75-Jährige - wie Vorsitzender Ludwig Wappner und Rita Lex-Kerfers - aus (siehe Kasten). Etliche Architekten und Bauherrn haben dem Expertengremium in den vergangenen Jahren ihre Pläne vorgelegt. Der Beirat hat sie bewertet, Änderungen vorgeschlagen und Kritik geübt. Auch wenn die Einschätzungen des Gestaltungsbeirats nicht bindend sind, bilden sie doch eine wichtige Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat. Damit hat das Gremium einen großen Einfluss auf das Erscheinungsbild der Stadt.

Herr Frey, Sie kennen den Gestaltungsbeirat aus zwei Perspektiven. Als vortragender Architekt und als Mitglied.

Karl Frey: Das stimmt. Ich habe dort - es muss im Jahr 2009 oder 2010 gewesen sein, der Gestaltungsbeirat war jedenfalls noch ganz neu - Projekte vorgetragen, die ich als Architekt in Ingolstadt gemacht habe: Die Turnhalle vom Canisiuskonvikt, die Schulerweiterung vom Gnadenthal und den Orbansaal.

 

Sie waren ab 2006 selbst Mitglied. Welches Projekt ist Ihnen aus ihrer Zeit im Gestaltungsbeirat in Erinnerung geblieben, von dem Sie heute sagen, das prägt Ingolstadt mehr als es andere tun?

Frey: Ich möchte da kein einzelnes Projekt herausholen. Man muss das alles im Ganzen sehen. Ich glaube, dass der Gestaltungsbeirat schon Impulse gegeben hat. Impulse zur Qualitätsverbesserung in der Stadtentwicklung und der Sanierung. So haben wir etwa die Projekte auf dem Audi-Gelände ganz positiv beeinflusst. Oder den Museumsbereich und die Hochschule. Da gab es zwar harte Auseinandersetzungen, aber das Ergebnis war doch positiv. Reibung erzeugt immer etwas Feuer. Und Feuer kann auch etwas Positives sein.

Es gab sicher Diskussionen im Gremium, aber auch die Öffentlichkeit hat an einigen Diskursen und Entscheidungen regen Anteil genommen. So mancher bedauert, dass die Sitzungen des Gestaltungsbeirates nicht öffentlich sind. Muss das so sein?

Frey: Vielleicht war der Einstieg in unser Gespräch ganz gut. Nachdem ich ja selbst einer war, der seine Projekte dem Gestaltungsbeirat vorstellen sollte und wollte. Da war es angenehm, die Dinge zunächst einmal in einer internen Runde abzuklären. Aufrund meiner damaligen Erfahrung finde ich es besser, wenn die Vorlagen zuerst im Fachgremium beraten und auch kritisch diskutiert werden. Der Gestaltungsbeirat kann dem Planer auch Hilfe und Unterstützung geben. Das war für mich eigentlich der wesentliche Punkt. Und erst danach ist vielleicht der Zeitpunkt für eine Öffentlichkeit gegeben. Ich habe etwa in Gesprächen mit dem DONAUKURIER die Themen immer auf den Tisch gelegt - mit Pro und Contra. Die Diskussionen, die wir im Gestaltungsbeirat hatten, das darf dann natürlich auch bekanntwerden. Warum auch nicht?

 

Dann könnte man ja eine Sitzung mit öffentlichem und nichtöffentlichem Teil machen. Wie im Stadtrat.

Frey: Das ist eine Entscheidung des Stadtrates. Ich selbst bin gespalten. Jeder qualifizierte Architekt wird die Öffentlichkeit grundsätzlich aber nicht scheuen.

 

Wäre so eine zweigeteilte Sitzung ein Weg, den auch Sie für gangbar halten?

Frey: Gegenfrage: Ist der jetzige Weg so falsch?

 

Über manche Themen - Stichwort Gießereigelände - wird unter einigen Ingolstädtern emotional gestritten. Mancher meint, wenn das schon ein öffentlicher Raum sein soll, sollte die Öffentlichkeit auch mitdiskutieren.

Frey: Sie haben jemanden vor sich, der aus der Zeit der Anfänge der Bürgerbeteiligung kommt. Ich erinnere mich an meine ersten Projekte in München. Da war es ein ganz wesentlicher Faktor, wenn es um Planungen und Stadtentwicklung geht, frühzeitig mit den Bürgern die Eckpunkte abzuklären. Da kann ich Ihnen nur beipflichten und da ist etwa auch die Presse immer ausdrücklich erwünscht. Jetzt sind wir aber schon einen Schritt weiter. Und da gibt es manchmal unterschiedliche Auffassungen. Ja, wenn wir im Gestaltungsbeirat manche Punkte kritisch anmerken, dann sind diese für den planenden Kollegen nicht immer sofort einsehbar. Insofern: Öffentlichkeit in einer bestimmten Vorphase der Stadtplanungsprozesses auf jeden Fall, aber in dem Moment, in dem man ins Detail geht, kann es zielführend sein, wenn man das erst einmal intern abklärt und dann an die Öffentlichkeit geht.

 

Der Gestaltungsbeirat wurde manchmal kritisiert, weil sich der ein oder andere Ingolstädter mehr Mut bei Gestaltungsentscheidungen gewünscht hätte. Der Wolkenbügel ist zwar schon einige Jahre her. . .

Frey: . . .der Museumsentwurf von Braunfels.

Der Entwurf geistert in Diskussionen noch heute als Beispiel einer verpassten Chance durch die Stadt. Aktuell sind es die Entwürfe zum Digitalen Gründerzentrum auf dem Gießereigelände, bei dem einige fürchten, dass hier die Möglichkeit vergeben wird, einen markanten Punkt in der Stadtsilhouette zu setzen. Was entgegnen Sie solchen Stimmen?

Frey: Mit dem Wolkenbügel schneiden sie so einen Gehry-Effekt wie in Bilbao an und da ist die Frage: Braucht Ingolstadt so etwas? Ich meine, Ingolstadt hat Audi! Der Wolkenbügel alleine ist es ja nicht. Was für mich in diesem Bereich wichtiger wäre, ist der Bezug der Donau zum Stadttheater, zur Hochschule, zur Akademie und zum Hotel. Diese Verknüpfungen zwischen Fluss und Stadt - das ist der Punkt. Da sind wir bei einem Thema, das ich als Stadtplaner in der Öffentlichkeit diskutieren würde. Das meine ich mit Bürgerbeteiligung. Der Bügel als solcher - mein Gott - da gibt es unterschiedliche Ansätze, ob der jetzt das Highlight gewesen wäre. Ich bezweifele das sogar.

 

Tatsächlich?

Frey: In Köln gibt es ja auch diese Bügel. Da sind es Wohnblöcke am Fluss entlang. Ist es das? Ich kann mich da nicht so begeistern.

 

Jetzt wird das prägende Gebäude an dieser Stelle wohl das Kongresshotel werden.

Frey: Das Hotel hat eine reiche Geschichte. Das, was Kuehn Malvezzi als letzten Entwurf auf den Tisch gelegt haben, war meines Erachtens eine sehr positive Entwicklung und eine unwahrscheinlich tolle Architektur. Auch mit dem Entree. Und da sind wir wieder beim Gestaltungsbeirat. Wir haben ja nur eine beratende Funktion. Entscheidend ist der Stadtrat. Da lege ich großen Wert drauf, denn es wird uns oft etwas angekreidet, dabei können wir den Stadtrat oder den Planungsausschuss nur beraten.

 

Das Gespräch führte Johannes Hauser.
 

Neue Besetzung


Zum 1. April verlassen der bisherige Vorsitzende Ludwig Wappner (München), sein Stellvertreter Karl Frey (bis 2010 Eichstätter Diözesanbaumeister) und Rita Lex-Kerfers (Bockhorn) das Gremium. Neu sind Wilfried Wang aus Berlin und Ueli Zbinden aus Zürich, die beide im Preisgericht für den städtebaulichen Wettbewerb zum Neubau der Kammerspiele saßen. Wangs Vertretung während seiner häufigeren Verpflichtungen als Professor an der University of Texas in Austin ist seine Büropartnerin Barbara Hoidn. Dazu soll die Wiener Landschaftsarchitektin Maria Auböck bei Bedarf zu den Beratungen hinzugezogen werden. Nach wie vor gehören der Stuttgarter Hans Klumpp, der Dresdner Thomas Knerer sowie die Berlinerin Ulrike Poeverlein dem Gremium an - genauso wie bei Bedarf der Karlsruher Verkehrsplaner Dirk Zumkeller. Die Beiratsperiode dauert bis zum 31. März 2021.