Ingolstadt
Jetzt drehen sie auf

Nach der Übernahme durch Gunvor: Raffinerie wird langsam angefahren – und die Mitarbeiter sind voll dabei

28.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:07 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Die Mienen der Menschen am Werkstor sind deutlich entspannter als noch vor ein paar Wochen. „Endlich geht’s los“, lautet die einhellige Meinung. Die Stimmung der rund 330 Mitarbeiter der früheren Petroplus-Raffinerie ist nach der Übernahme durch die Gunvor-Gruppe geradezu euphorisch.

Das neue Firmenschild ist noch nicht da. Lediglich die weiße Fahne mit dem graublauen, eckigen G, dem Firmenemblem des zypriotischen Rohstoffhändlers Gunvor, flattert auf dem zum Teil auf Ingolstädter, zum Teil auf Köschinger Gebiet gelegenen Betriebsgelände im Wind. „Das ist das wichtigste Signal“, sagt Pressesprecherin Susanne Ehrnthaler. Signal dafür, dass die letzte Ingolstädter Raffinerie nach der Insolvenz des früheren Betreibers Petroplus gerettet ist.

Die letzten Monate waren hart. Für die 330 Beschäftigten in Ingolstadt genau so wie für den Rest der insgesamt 400 Mitarbeiter der früheren Petroplus. Viele Familien, vor allem in Kösching, haben gleich mehrere Angehörige, die bei Petroplus beschäftigt waren. Sie alle haben nach der Insolvenz gehofft und noch mehr gebangt. „Wir wussten, wir haben eine gute Raffinerie. Die Insolvenz ist nicht unser Verschulden“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Dietmar Hengl. Deshalb hätten die meisten auch fest daran geglaubt, dass es weitergeht.

Der Betriebsratschef war in den vergangenen Monaten ein gefragter Mann. Er wurde mit Fragen geradezu bombardiert. „Keiner hat genau gewusst, was eine Insolvenz überhaupt bedeutet.“ Die Existenzängste der Mitarbeiter waren groß. „Die ersten drei Monate waren von Angst geprägt“, erzählt Hengl von der Zeit nach Bekanntwerden der Petroplus-Pleite. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt herrscht auf dem Werksgelände geradezu Euphorie.

„Endlich geht’s los“, sagt Laborleiter Helmut Zellner. Gerade zum Schluss zu, meint er, war die Unsicherheit „schon irgendwie nervig“. Seit im Mai bekannt wurde, dass die Gunvor-Gruppe die Raffinerie übernehmen wird, gab es Spekulationen, „wann geht’s los“. Denn nach der Insolvenz lief die Anlage nur im Warmhaltebetrieb – nicht zuletzt wegen der Fernwärme, ein Punkt, der künftig noch intensiviert werden soll. „Schön, dass sie wieder angefahren wird“, meint der Laborant Georg Karl aus Schrobenhausen. Die Zeit des Wartens, sagt er, „war eine schwierige Zeit“.

Aus und vorbei. „Die Stimmung ist gut“, findet Benjamin Heller, der seit vier Jahren in der Destillation tätig ist. „Alle sind positiv gestimmt und freuen sich.“ Die Zeit, in der auch er Angst um seinen Job hatte, ist vergessen. Alle Mitarbeiter – in der Ingolstädter Raffinerie und der Marketinggesellschaft, die für den Verkauf des Heizöls zuständig ist, sind das 400 – wurden übernommen. Es werden sogar zusätzlich 30 Beschäftigte eingestellt. Die einzigen Verlierer sind einige Mitarbeiter in Altersteilzeit. Was die aktive Altersteilzeit anbelangt, liefen laut Hengl jedoch noch Verhandlungen.

„Die Jungs scharren mit den Hufen. Die wollen jetzt loslegen“, sagt Produktionsleiter Uwe Bernhard. Doch eine Raffinerie, nachdem sie nur teilweise im Warmhaltebetrieb gefahren wurde, lässt sich nicht auf Knopfdruck einschalten. Bis sie nach und nach hochgefahren wird, vergehen gut zwei Wochen. Zunächst, so Bernhard, werde die Anlage langsam aufgewärmt. „Das muss man sich vorstellen wie bei einem Rohbau.“ Da müsse auch erst das Wasser mittels Heizlüfter aus der Wand gezogen werden. So müssen auch die Anlagenteile einer Raffinerie erst geleert und mit Kohlenwasserstoff gefüllt werden, bevor die Destillation in Gang gebracht wird.

Beim Anfahren wird auch öfter die Fackel zu sehen sein. Hier werden überschüssige Gase gezielt verbrannt. Wenn dies der Fall ist, leuchtet im Kontrollzentrum ein Lämpchen. Im Herzen der Anlage kann jeder Vorgang in der Raffinerie verfolgt werden. Ein Meer von großen und kleinen Bildschirmen sowie unterschiedlich farbige Knöpfe zeigen jeden einzelnen Prozessparameter an.

Das erste Rohöl aus Triest ist bereits unterwegs. Wenn die Anlage komplett läuft, werden die Mitarbeiter der Raffinerie – allen voran Betriebsratschef Hengl – endlich feiern.