Ingolstadt
Im Rausch immer wieder extrem auffällig

Reichertshofener Tötungsdelikt: Ingolstädter Polizei hatte mit der mutmaßlichen Täterin schon vorher jede Menge Arbeit

06.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Sebastian Schanz

Ingolstadt/Reichertshofen (DK) Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines alkoholkranken Reichertshofeners im Mai vorigen Jahres ist es gestern um das Vorleben des Opfers, aber auch um die jüngere Vergangenheit der 40-jährigen Angeklagten gegangen. Die ebenfalls als Alkoholikerin geltende Frau soll den 51-jährigen Mann in einer stundenlangen nächtlichen Auseinandersetzung nach einer angeblich von ihm versuchten Vergewaltigung derart traktiert haben, dass er starb. Sie ist deshalb wegen Totschlags angeklagt.

Der zierlichen Angeklagten würde kaum jemand auf den ersten Blick exzessives Verhalten zutrauen. Doch sie hat selber bereits am ersten Verhandlungstag eingeräumt, unter Alkoholeinfluss „sehr laut“ werden zu können. Wenn sie ungewollt betatscht werde, könne sie sogar fuchsteufelswild werden, hatte sie sinngemäß bekannt – dies auch vor dem Hintergrund, dass sie früher einmal vergewaltigt worden sei.

Hatte sie erst einmal einiges getrunken (meistens Wodka in rauen Mengen), geriet die studierte Kunsthistorikerin, die offenbar den Einstieg ins Berufsleben verpasst hat und in ihrer Berliner Zeit ins Obdachlosenmilieu abgerutscht war, schnell außer Rand und Band. Dies zumindest darf aus den gestrigen Einlassungen eines Ingolstädter Streifenpolizisten und aus den zahlreichen bei der Polizei notierten Auffälligkeiten aus dem Frühjahr 2014 geschlossen werden. Weit über ein Dutzend Mal hatten Beamte die jetzige Angeklagte in Ingolstadt „einfangen“ und ins Klinikum einweisen müssen, weil sie im Rausch Menschen in ihrer Umgebung belästigt oder beleidigt haben soll. Mitunter soll sie demnach auch in Gesellschaft damit begonnen haben, sich zumindest teilweise zu entkleiden.

An einem Tag gab es laut Polizei sogar mal drei Maßnahmen gegen die Alkoholikerin kurz hintereinander. „Diese Frau hat jeder gekannt auf der Dienststelle“, sagte dazu gestern der als Zeuge vernommene Beamte, der einige Stunden nach den Vorgängen in Reichertshofen als erster Polizist mit der mutmaßlichen Täterin Kontakt gehabt hatte.

Am schlimmsten allerdings musste wohl das Reichertshofener Opfer mit der Frau Bekanntschaft machen – auch wenn das Gericht natürlich zu erörtern hat, ob und inwieweit sein Verhalten in der Tatnacht den (mutmaßlichen) Gewaltausbruch bei seiner Besucherin provoziert hat. Vorsitzender Thomas Denz wollte deshalb gestern von mehreren als Zeugen geladenen Bekannten des Getöteten wissen, wie sich der 51-Jährige sowohl von seinen Trinkgewohnheiten her als auch gegenüber Frauen gegeben hat.

Die Freunde schilderten den Mann durchweg als ruhig und friedfertig. Aufgrund seiner stark angegriffenen Gesundheit nach einem Unfall, vor allem aber wegen seines jahrelangen starken Alkoholkonsums sei er zuletzt wohl kaum noch zu körperlichen Anstrengungen und vielleicht auch nicht mehr zu größerer sexueller Betätigung in der Lage gewesen, hieß es. Eine Bekannte sagte aus, dass er ihr gegenüber niemals zudringlich geworden sei, obwohl sie einmal zwei Monate bei ihm gewohnt habe. Andererseits soll der Reichertshofener aber immer wieder versucht haben, Frauenbekanntschaften übers Internet zu machen – offenbar aber ohne großen Erfolg.

Einem Gynäkologen, der die mutmaßliche Täterin nach ihrer Festnahme auf Geheiß der Polizei untersucht hatte, waren bei der Frau keine Merkmale aufgefallen, die auf frisch erlebte sexuelle Gewalt hingedeutet hätten. Einige Kratzspuren auf ihrem Rücken seien wohl bereits älteren Datums gewesen, so der Mediziner.

Der bislang auf sieben Verhandlungstage angesetzte Prozess soll in zwei Wochen fortgesetzt werden.