Ingolstadt
Die meisten Züge fahren

Lokführerstreik hat in Ingolstadt nur geringe Auswirkungen – die Pendler sind trotzdem sauer

06.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:01 Uhr

Nürnberg ja, München nein: So sah es gestern früh auf den Gleisen drei und vier auf dem Ingolstädter Hauptbahnhof aus. Während die Regionalzüge, die von Privatbahnen bedient werden, fuhren, fielen etliche ICE-Verbindungen aus. - Fotos: Stückle

Ingolstadt (DK) Es ist der größte Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Bis Montag will die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) den Bahnverkehr in Deutschland lahmlegen. Auf dem Ingolstädter Hauptbahnhof ist davon am Donnerstagmorgen kaum etwas zu merken – zumindest auf den ersten Blick.

Es ist kurz vor 7 Uhr: Eine Horde Jugendlicher läuft aus der Bahnhofshalle und eilt zum nächsten Bus. In der Halle selbst herrscht emsiges Treiben. Beim Bäcker steht eine lange Schlange, und auch der kleine Supermarkt und das Café sind gut frequentiert. Business as usual, könnte man meinen.

Dennoch ist an diesem Tag vieles anders als sonst. Durchsagen und Hinweise auf den elektronischen Anzeigetafeln in der Bahnhofshalle weisen auf Beeinträchtigungen durch den Streik der GDL hin. Vor allem verschiedene ICE-Verbindungen und vereinzelte Regionalzüge fallen aus. Die meisten Pendler haben sich vorab im Internet informiert. Oder gleich vorgebaut: Wer etwa zum Flughafen musste oder einen dringenden Geschäftstermin hatte, will sich an solchen Tagen nicht auf die Bahn verlassen. So haben die Ingolstädter Autovermietungen Hochkonjunktur: „Wir bekommen gar nicht so viele Autos her, wie wir vermieten könnten“, sagt Rainer Dorbert, Stationsleiter bei „Avis“. Er schätzt, dass täglich etwa 50 Leute mehr anrufen als sonst, um ein Auto zu mieten. So wird Claus Weselsky, der GDL-Vorsitzende, wohl nicht zur bei „Sixt“ zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt.

„Zug fällt aus“, heißt es auf Gleis drei, wo um 7 Uhr eigentlich ICE 985 nach Nürnberg abfahren sollte. Der ICE nach Nürnberg auf dem Gleis gegenüber ist pünktlich, andere haben Verspätung. Die Bahn hat einen umfangreichen Notfallplan aufgestellt. Trotz Streik können dadurch bayernweit mehr als 50 Prozent der Zugverbindungen bedient werden, sagt ein Bahnsprecher unserer Zeitung. In Ingolstadt sind es noch mehr. Denn auf vielen von hier abgehenden Regionalverbindungen – etwa Richtung Augsburg oder Regensburg – verkehren Privatbahnen wie die Bayerische Regiobahn und agilis. Deren Lokführer haben eigene Tarifverträge.

Thomas Higl pendelt jeden Tag von Obergriesbach zu seiner Arbeitsstätte nach Ingolstadt. Er ist mit der Regiobahn pünktlich eingetroffen und hat sogar noch Zeit für ein kleines Frühstück. Jetzt hofft er, dass dies auch am Freitag so bleibt. Die harte Linie der GDL kann er nicht gutheißen. „Ein sicherer Job ist auch was wert“, sagt er an die Adresse der Lokführer. Der Streik, findet er, treffe die Falschen.

„Streikrecht ist gut, aber langsam übertreiben sie’s“, meint eine junge Frau auf dem Weg zu ihrem ICE nach Nürnberg. Ein Mann, der täglich zu seiner Arbeitsstätte nach Ingolstadt pendelt, hat sich für eine andere Variante entschieden. Er hat für die Streiktage seine Verwandten in Ingolstadt um Asyl gebeten.

Für „völlig unangebracht“ hält ein weiterer Bahnkunde die Aktion der GDL. „Das ist so, wie wenn am Autoband diejenigen, die schrauben, sagen, sie schrauben jetzt nicht mehr, und alle anderen stehen blöd rum.“

Brigitte Kiwitz wollte am Donnerstag von der Insel Usedom aus mit dem Zug in ihren Heimatort nach Königsbrunn fahren. Freitagfrüh auf dem Ingolstädter Hauptbahnhof sieht die ältere Dame geschafft aus. Sie hat eine Reise mit Hindernissen hinter sich. Zuerst, erzählt sie, habe der Zug wegen einer Baustelle in Berlin Verspätung gehabt. Jetzt trifft sie der Lokführerstreik. „Ich muss nach Augsburg. Und Augsburg ist von Donauwörth aus wie abgeschnitten.“ Über Ingolstadt kommt sie mit der Privatbahn weiter. „Es wäre interessant, zu wissen, ob sich die Streiks auf die Preise auswirken“, sagt sie beim Einsteigen.