Ingolstadt
"Unendlich traurig"

Viele mit Heribert Fastenmeier verbundene Menschen reagieren fassungslos auf seinen Tod

28.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr
Tristesse am späten Donnerstagnachmittag: Am Klinikum wurde die Nachricht vom Tode Heribert Fastenmeiers mit Bestürzung aufgenommen. Der ehemalige Geschäftsführer hatte sich in der U-Haft am Mittwoch das Leben genommen. −Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Die Nachricht vom Tode Heribert Fastenmeiers hat in Ingolstadt bei vielen Bestürzung hervorgerufen. Bekannte, Freunde und Kollegen ringen um Worte.

"Ich bin tief betroffen, er war ein besonderer Mensch", sagt der ehemalige Pressesprecher des Klinikums, der im April dieses Jahres zusammen mit Fastenmeier bei ihrem Treffen am Baggersee festgenommen worden war, seit Juli aber wieder aus der U-Haft entlassen ist. "Wenn er so was macht, muss es schon schlimm gewesen sein", erklärt der Journalist, der selbst bis jetzt als einer der Beschuldigten im Verfahren geführt wird. Das letzte Mal habe er Fastenmeier gesehen, als sie beide noch in Haft waren. "Da sind wir aneinander vorbeigegangen, das war nur Kopfnicken und Daumen hoch." Schließlich habe in dem Gefängnis für die beiden ein Kontaktverbot gegolten.

U-Haft, so erzählt der Mann, sei "furchtbar, erniedrigend, menschenunwürdig". Er selbst habe das zwölf Wochen lang ertragen müssen, Fastenmeier dagegen sei schon etwa dreimal so lange inhaftiert gewesen. Was das bedeute, könne man sich nur ausmalen, wenn man schon selbst in U-Haft gesessen habe, sagt der Ex-Pressesprecher.

"Ich bin einfach nur unendlich traurig", sagt Bürgermeister Sepp Mißlbeck, ein Jugendfreund Fastenmeiers, den mit dem Ex-Fußballer Fastenmeier auch seine lange Zeit als Präsident des MTV Ingolstadt verbindet. Die Verwerfungen und Diskussionen, die im vergangenen Jahr rund um Fastenmeier und das Klinikum bekannt geworden sind, rückten am Tag der Todesnachricht freilich in den Hintergrund. "Ich werde ihn stets nur als einen Jugendfreund in Erinnerung behalten", so Mißlbeck. "Die Nachricht von seinem Tod macht mich nachdenklich und bestürzt."

So geht es auch vielen Medizinern, die mit Fastenmeier zusammengearbeitet haben. "Für mich war es ein totaler Schock", sagt der SPD-Stadtrat und Allgemeinarzt Anton Böhm. Schon in der Nacht habe er von dem tragischen Tod erfahren. "An Schlaf war da nicht mehr zu denken." Genauso schockiert seien die Kollegen, mit denen er gestern telefoniert und gesprochen habe, auch in seiner Praxis. Die meisten dort seien schließlich Assistenzärzte im Klinikum gewesen. "Er war ja ein fester, tatkräftiger Mensch, ich habe gedacht: Der steht das durch", sagt Böhm. Aber auch viele Patienten hätten gefragt, warum die ganzen Ermittlungen und die U-Haft so lange dauern mussten. Böhm: "Das hat ihn wohl demoralisiert." Und jetzt habe Fastenmeier keine Möglichkeit mehr, sich zu verteidigen. "Man hätte schon gerne gehört, was er zu den Vorwürfen sagt", erklärt der Mediziner.

So ein Ende habe Fastenmeier nicht verdient. Denn seine Verdienste müsse man auch würdigen, sagt Böhm. So ein großes Krankenhaus so lange zu führen wie der Ex-Geschäftsführer, das sei eine große Leistung. Dreieinhalb Jahre betrage die durchschnittliche Verweildauer eines Krankenhausmanagers, Fastenmeier hielt sich 13 Jahre. "Er hat unser Klinikum durch manche Tiefen geführt und gut weitergebracht", sagt Böhm. "Eine Privatisierung mussten wir mit Fastenmeier nie befürchten."

Günter Ochs arbeitete mit Heribert Fastenmeier viele Jahre lang zunächst als Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum und dann als Ärztlicher Direktor zusammen, bis er im Februar 2016 in den Ruhestand ging. Im Verbund mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Erich Göllner sei es ein "sehr fruchtbares Arbeiten" gewesen, sagt ein sichtlich ergriffener Ochs. Er habe mit Göllner telefoniert, der "schwer getroffen" sei. Auch ihm tue es furchtbar leid - für die Familie wie für Fastenmeier selbst, sagt Ochs. Für das Klinikum habe Fastenmeier "Ungeheures" geleistet. "Wir haben ihm viel zu verdanken." Er habe den Ex-Geschäftsführer auch immer als "visionären und dynamischen Mann erlebt", der eine Kämpfernatur gewesen sei. Umso mehr sei er von seinem Tod entsetzt. Fastenmeier müsse wegen der U-Haft, bei der er sich frage, wieso sie so lange dauern musste, sehr verzweifelt gewesen sein. "Es tut schon weh, dass so ein anerkannter Mann so ein Ende nimmt."

In der Kapelle des Klinikums erinnert seit gestern Mittag eine Porträtaufnahme an Fastenmeier. Viele Mitarbeiter und auch Patienten haben Kerzen entzündet. "Wir wollten hier einen Ort schaffen, an den die Leute kommen können", erklärt Pfarrerin Petra Kringel. Wie wichtig dieses Angebot offenbar ist, hat auch ihr katholischer Kollege Kaplan Johannes Weise gemerkt. Er selbst ist erst seit einem guten Jahr im Klinikum tätig und hat Fastenmeier deswegen nicht mehr persönlich kennengelernt, aber er merkt in Gesprächen, wie viele sich im Klinikum noch mit ihm verbunden fühlen. "Viele Menschen hier sind sehr betroffen", sagt er. Über die Hintergründe des Falls will Weise freilich nicht spekulieren. Als ehemaliger Gefängnisseelsorger weiß er aber, wie belastend eine U-Haft sein kann. Vor allem eine nagende Ungewissheit könne - anders als etwa nach einem rechtsgültigen Urteil - "schon brutal" sein, hat er erfahren. Besonders dann, wenn sich die Untersuchungshaft über einen längeren Zeitraum hinziehe.

Die Haftbedingungen sind auch in den Kollegengesprächen auf den Fluren des Klinikums immer wieder Thema. "Es mag sein, dass Fastenmeier Fehler gemacht hat, aber ihn deswegen gleich so lange ins Gefängnis sperren", fragt eine Angestellte. "Hoeneß war ein gutes Jahr im Gefängnis, dann war alles vorbei." Warum habe bei Fastenmeier schon die U-Haft so lange gedauert? Darüber schimpfen hier viele." Fastenmeier wegen "Fluchtgefahr" im Gefängnis zu halten, sehe sie nicht ein. "Wo hätte er denn hin sollen" Manch einer habe den Umgang mit ihm als "unfair" empfunden. Viele Kollegen würden gerade besonders an Fastenmeiers Familie denken, die im Klinikum schließlich gut bekannt sei. Freilich sei Fastenmeier "nicht immer leicht" gewesen. Er habe im Klinikum "nicht nur Freunde gehabt" und sei manchmal "wie ein Pate" aufgetreten. Aber ein solches Ende habe ihm niemand gewünscht. "Wir stehen alle unter Schock, sind entsetzt und sprachlos", sagt die Frau.

Auch auf offizieller Seite wägt man an diesem Tag die Worte mit Bedacht ab. Das Statement aus der Pressestelle des Klinikums fällt kurz aus: "Die Nachricht vom Tod Heribert Fastenmeiers in der Untersuchungshaft hat Klinikum, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Verbandsversammlung zutiefst erschüttert. Das Mitgefühl und die Anteilnahme gelten der Familie und den Angehörigen."

Heribert Fastenmeier

Es war eine bemerkenswerte Karriere, die Heribert Fastenmeier hingelegt hat, und eine, die ihm nicht in die Wiege gelegt war: Am 9. August 1954 wurde er in Ingolstadt in einfachen Verhältnissen geboren – was er nie verleugnet und auch nie vergessen hat. Fastenmeier war keiner, der Wert auf schnelle, teure Sportwagen legte oder auf extravagante Hobbys. Er joggte, spielte Fußball, fuhr auch noch als Geschäftsführer des Klinikums teilweise mit dem Fahrrad von seinem Wohnort Hitzhofen in die Arbeit, und er arbeitete viel, viel mehr als andere. 80 Stunden in der Woche waren in seiner Zeit am Klinikum keine Seltenheit. Das nötigte selbst seinen größten Kritikern Respekt ab.

Mit diesem Fleiß und einer gewissen Zielstrebigkeit ausgestattet, startet Fastenmeier, der zunächst eine Lehre bei der Post im allgemeinen Verwaltungsdienst absolviert hatte, in jungen Jahren seinen Aufstieg. Er holt die Mittlere Reife nach, macht das Fachabitur, schlägt bei der Bundeswehr die Offizierslaufbahn ein und studiert dann an der Beamtenfachschule Verwaltungswissenschaften. 1981 beginnt Fastenmeiers Beziehung zum Klinikum: Er wird dort stellvertretender Personalchef und empfiehlt sich für höhere Aufgaben. 1986 rückt er in seiner Abteilung auf, 2003 wird er dann Geschäftsführer.

Rehazentrum, Ärztehaus, Medizinisches Versorgungszentrum, Strahlenbunker, die Zusammenarbeit mit der GOIN-Notfallpraxis sowie die Generalsanierung des Klinikums, die zwar noch läuft, aber von Fastenmeier angestoßen wurde: All diese Projekte gehören zu seinen Erfolgen, ebenso wie die wirtschaftliche Stabilität, die er dem Klinikum verlieh. Es gibt auch eine andere Sicht auf den Klinikumschef Fastenmeier: Eine, die ihm den Aufbau eines Geflechts aus Tochterfirmen vorwarf, in dem sich niemand außer Fastenmeier selbst mehr zurechtfand, die ihm Alleingänge unterstellte, Unbeherrschtheit und die Beschäftigung von Familienangehörigen. Fastenmeier polarisierte, er hatte auch unter den Ärzten des Klinikums Feinde, genauso wurde er aber von vielen geliebt – am Klinikum wie außerhalb.

Fastenmeier brachte es fertig, als Chef eines der größten Arbeitgeber der Region im Tarifstreit bei einer Kundgebung der Gewerkschaft Verdi in Streikweste mitzumachen. Er war auch lange Jahre SPD-Mitglied, erst in der Untersuchungshaft trat er aus, wohl aus Enttäuschung über die – aus seiner Sicht – mangelnde Unterstützung der Genossen in seinem Fall.

Einige Jahre lang engagierte sich der sportliche Ingolstädter auch beim MTV als Leiter der Fußballabteilung, nachdem er zuvor ein leidenschaftlicher Spieler gewesen ist. Er hatte sogar zu der Mannschaft gehört, der 1978 der Aufstieg in die Zweite Bundesliga gelungen war. Mit seinem Tod hinterlässt Heribert Fastenmeier, der 63 Jahre alt wurde, eine große Lücke, nicht nur für seine Frau und seine drei Kinder. Auch am Klinikum, an dem Fastenmeier die längste Zeit seines Lebens verbrachte, und in der Region wird man noch lange an ihn denken und sich sicher nicht nur an die letzten anderthalb Jahre erinnern.