Ingolstadt
Beinahe schwerelos

Mit einem Schattentanzstück überwinden behinderte Kinder ihre Bewegungsgrenzen

09.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:40 Uhr

Großen Applaus bekamen die Kinder und Jugendlichen, die im Schattentanzstück „Ferminas Reise zum Vollmond“ mitspielten. Hinter dem Projekt steht der Ingolstädter Verein „Besondere Menschen“,der Kunst- und Kulturkurse für Menschen mit Behinderung anbietet. - Foto: Ebeling

Ingolstadt (DK) Elena ist ein Mädchen mit blondem, schulterlangem Haar. Sie trägt eine Brille, ihr Markenzeichen ist ihr roter Schutzhelm. Elena ist geistig und körperlich behindert. Bei dieser Aufführung spielt das keine Rolle. Sie ist Hauptdarstellerin im Tanzstück des Ingolstädter Projekts „Besondere Menschen“.

„Ferminas Reise zum Vollmond“ heißt das Schattentanzstück, in dem Elena als Hauptfigur eine Reise zum Vollmond unternimmt – dorthin, wo jeder in der Schwerelosigkeit gleich ist und Bewegung keine Rolle spielt. Vergangenen Donnerstag wurde das Stück im neuen Kulturzentrum Halle 9 am Hauptbahnhof von rund 20 Kindern und Jugendlichen mit Behinderung aufgeführt. Dahinter steht der Ingolstädter Verein „Besondere Menschen“, der Tanz- und Kunstkurse für Kinder und Jugendliche mit Behinderung anbietet.

Hinter einer großen Leinwand spielen sie als Schattengestalten die Geschichte von Fermina, die von ihrem Papa zum Geburtstag ein Teleskop geschenkt bekommt. Als sie durch das Okular sieht, erblickt sie fantastische Dinge. Traumwelten erscheinen, Kreaturen mit langen Fingernägeln und Könige auf Thronen, mit einem Zepter in der Hand. Und plötzlich ist Fermina selbst ein Teil dieser Welt, tanzt mit dem Mond und findet auf dem vermeintlich toten und wüsten Himmelskörper ihre Liebe.

Die Leistungen der Schauspieler werden mit Bravorufen aus dem Publikum honoriert. Auch Maria Nieves Tietze vom Verein „Besondere Menschen“, die Leiterin des Theaterprojekts, ist zufrieden. Die gebürtige Argentinierin steht als Tänzerin mit auf der Bühne. Zwar gebe es ein Regiebuch, aber unvorhergesehene Momente könnten immer passieren, erzählt sie. Im Tanz reagiert sie auf die Impulse der Kinder, ohne vorher genau zu wissen, wie diese aussehen. Das sei eine besondere Situation für die Kinder und Jugendlichen, da sie im Alltag meist passive Rollen einnehmen.

Bislang finden die Workshops und Proben des Vereins „Besondere Menschen“ in sozialen Einrichtungen oder einem kleinen Raum in der Ingolstädter Innenstadt statt, wo jedoch Platz und ein Fahrstuhl fehlen. Ziel ist es, irgendwann ein Kunstzentrum für behinderte Menschen im Ingolstädter Zentrum zu gründen. Es soll mit Ateliers, Bühnen und Seminarräumen eine Bildungs- und Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung werden. „Nach einer geeigneten Immobilie suchen wir derzeit noch“, berichtet die Projektleiterin Maria Nieves Tietze.

Mit dem Stück „Ferminas Reise zum Vollmond“ will Tietze Berührungsängste nehmen. „Das funktioniert vor allem mit körperlicher Kommunikation“, erklärt sie. Tatsächlich kommen die einzigen, sensibel angespielten Töne während der Aufführung aus den Lautsprechern. Ihr Klang vermittelt das Gefühl von Leichtigkeit.