Ingolstadt
"Ich kann jedes Argument widerlegen"

Anwältin Adelheid Rupp begründet Klage gegen Stadt wegen Zulassung des Bürgerbegehrens "Hände weg vom Grünring!"

10.11.2021 | Stand 14.11.2021, 3:33 Uhr
Klage gegen Bescheid der Stadt: Rechtsanwältin Adelheid Rupp (l.) vertritt Franz Hofmaier und Reglindis Seyberth in Sachen Bürgerbegehren. Dritter Kläger ist Malik Diao. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt - Sie zeigen sich siegessicher in der Verwaltungsstreitsache gegen die Stadt Ingolstadt wegen Zulassung des Bürgerbegehrens "Hände weg vom Grünring!": Franz Hofmaier und zwei andere Mitstreiter haben Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht, nachdem der Stadtrat auf Empfehlung des Rechtsamts das Bürgerbegehren trotz der notwenigen Unterschriftenzahl nicht zugelassen hat.

Die mit dem Fall betraute Rechtsanwältin Adelheid Rupp zerpflückte am Dienstag bei einem Pressetermin regelrecht den 16-seitigen Bescheid, der ihrer Ansicht nach den "Charakter einer Hausarbeit" habe. Ihr Hauptargument: Für einen Bürgerentscheid seien andere Maßstäbe anzusetzen als streng juristische. Außerdem: "Ich kann jedes Argument widerlegen."

Bebauungsplan Nr. 613 Ä soll aufgehoben werden

Nach Einschätzung der Anwältin ist der Bescheid der Stadt rechtswidrig, ein Bürgerentscheid sei demzufolge durchzuführen. Wie mehrfach berichtet, zielt das Bürgerbegehren mit 5119 Unterschriften darauf ab, den Bau der Mittelschule Nordost im zweiten Grünring zu verhindern. Konkret geht es, wie in der Fragestellung formuliert, um die Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 613 Ä vom 14. Dezember 2020.

Schon die Fragestellung wurde vom Rechtsamt beanstandet - Kritikpunkt ist die ausreichende inhaltlichen Bestimmtheit. Anwältin Rupp kann das nicht nachvollziehen, nachdem die Stadt selbst diese Bezeichnung gebrauche: "Sollte der Beklagten diese Bezeichnung nicht konkret genug sein und ihrer Ansicht nicht nachvollziehbar, so möge sie künftig die Bezeichnung von Bebauungsplänen ändern."

Im übrigen würden bei Bürgerbegehren, deren Fragestellung auch ein Laie verstehen müsse, andere Maßstäbe angesetzt. "Die Formulierung beschreibt es genauso wie die Beschlussvorlage des Stadtrats. Es ist erstaunlich, dass dies zum Vorwurf erhoben wird", konterte Rupp.

Auch am Begriff "Biotopverbund" scheiden sich die Geister. Das Bürgerbegehren verwendet ihn in seiner Begründung für den zweiten Grünring. Die Stadt beruft sich hingegen auf die gesetzliche Definition, derzufolge der Grünring kein Biotopverbund sei. Rupp setzt entgegen, dass der Begriff immer wieder benutzt wird ohne Bezugnahme auf die gesetzlichen Anforderungen.

Sogar von der Stadt selbst, wie die Rechtsanwältin ausführlich darlegte. In der Broschüre "Visionen für Ingolstadt" etwa werde der Begriff "Biotopverbund" ganz im Sinne der Kläger, also wie beim Bürgerbegehren, verwandt. Oder in der Faunistischen Habitatanalyse von 2019. "In jedem Schrieb gebraucht die Stadt selbst diesen Begriff in Bezug auf den zweiten Grünring." Laut Rupp sei die Stellungnahme des Umweltamtes daher "völlig unzutreffend" und "an den Haaren herbeigezogen". "Bürger machen Bürgerbegehren, nicht Juristen. Es kann nur darum gehen, die städtische Planung durchzudrücken."

Außerdem, so Rupp weiter, werde in der Begründung des Bürgerbegehrens hinsichtlich des Klimawandels keine unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt, wie von der Stadt behauptet, sondern nur eine Befürchtung geäußert. "Das ist Beispiel für eine Politik, die nicht auf dem Stand der Zeit ist - jetzt, wo alle vom Klimawandel reden", kommentierte Rupp die Argumentation.

Die Stadt hat jetzt Gelegenheit für eine Stellungnahme. So ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht könne laut Rupp Jahre dauern. Grund für ein Eilverfahren wäre erst gegeben, wenn die Stadt konkrete Maßnahmen treffe und Fakten schaffe. Das strittige Bauprojekt im zweiten Grünring liegt aktuell nicht auf Eis. "Ich war überrascht, dass trotzdem das Wettbewerbsverfahren weitergeht", sagte Stadträtin Angela Mayr (FW), die das Bürgerbegehren unterstützt. "So ein Wettbewerb ist ja noch keine Umsetzung", entgegnete Rupp. "Aber die Stadt gibt damit immenses Geld aus für ein Projekt, das scheitern wird. Ich finde, das geht völlig an der Sache vorbei."

Im Übrigen forderte die Anwältin den Oberbürgermeister auf, "bitte einen kooperativen Führungsstil an den Tag zu legen". Sie äußerte zudem den Verdacht, ob sich Ingolstadt "generell sehr wenig mit der Schulentwicklung beschäftigt" habe. "Da ist jetzt die Kreativität der für die Schulen Zuständigen gefragt: Schulsprengel dürfen auch mal verändert werden."

Hat sich die Stadt genug bemüht ums Rieter-Gelände?

Immer wieder taucht in dem Zusammenhang die Frage auf, ob die Stadt sich ausreichend um das ehemalige Rieter-Gelände bemüht habe. Kläger Franz Hofmaier sagte, Unterzeichner des Bürgerbegehrens hätten darauf hingewiesen, auf dem Areal stünden Gebäude, die sich nach entsprechenden Umbauten als Schule eignen würden. Und auch pädagogische Bedenken wurden laut, ob so eine Mammutschule zeitgemäß sei, so Hofmaier.

Der frühere ÖDP-Stadtrat bedauerte, "dass wir gezwungen werden, den Rechtsweg einzuschreiten". Das verursache nicht nur Kosten, für die jetzt Spenden gesammelt werden. "Das wäre nicht nötig gewesen", sagte Hofmaier.

DK