Ingolstadt
Spieglein, Spieglein an der Wand

Die Gründerpreisträger von Mirrads platzieren zielgruppengerechte Werbung im Alltag - und wollen hoch hinaus

14.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:14 Uhr
Selbstbewusste Gründer: Das "Mirrads"-Team aus Andreas Kerscher, Markus Seitle und Peter Stahr (von links) mit einem Demonstrations-Werbespiegel im Gründerzentrum brigk. −Foto: Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Ein wenig Eitelkeit darf sein: Kaum ein Mensch, der - allein vor einem Spiegel - nicht auch ein paar Sekunden hineinschaut. Deshalb eignet sich ein Spiegel seit jeher auch als Werbefläche. Das Ingolstädter Start-up Mirrads nutzt mit digitaler Technik und einem pfiffigen Konzept genau diesen Umstand für eine Geschäftsidee, die das Zeug hat, den Werbemarkt aufzumischen.

Jeder Marketingstratege muss darauf bedacht sein, die potenzielle Kundschaft für sein Produkt dort abzufangen, wo sie mit einiger Wahrscheinlichkeit gehäuft auftritt. Ganz profan gesagt: Für ein Haarwasser wirbt man besser beim Friseur als an der Metzgertheke. Die vor allem auf Männer abzielende Auto- und Bierwerbung bei TV-Fußballübertragungen spricht ja Bände. Warum also nicht auch dort, wo an angesagten Treffpunkten in größeren Städten bestimmte Publikumsgruppen aufschlagen, gezielt auf Kundenfang gehen? Und zwar genau dort, wo jeder mal irgendwann vorbeikommt - in Eingangsbereichen oder auf Toiletten.

In einigen Ingolstädter Locations hängen inzwischen Werbespiegel von "Mirrads": Ein paar Kneipen sind dabei, die Technische Hochschule (THI) und das DAV-Kletterzentrum am Baggerweg. Gut möglich, dass es in einigen Monaten schon wesentlich mehr Standorte geben wird, denn die Unternehmensgründer um den 28-jährigen Peter Stahr haben sich viel vorgenommen. Erst Ingolstadt, dann das Umland, bald darauf Bayern und irgendwann der Rest der Welt stehen auf ihrem Expansionsplan. Was die jungen Leute, die derzeit in einem Eck des Gründerzentrums brigk Am Stein residieren, so optimistisch macht, ist der schon jetzt verbuchte Geschäftserfolg: Die Sache wirft Geld ab - eines Tages vielleicht sogar das große. Und den Ingolstädter Gründerpreis gab es jetzt obendrein. Allemal gut fürs Renommee.

Angefangen hat alles vor zwei Jahren an der THI, wo Peter Stahr und sein Mitgründer An-dreas Kerscher (21) den Bachelorstudiengang User Experience Design (anwenderorientierte Gestaltung von digitalen Nutzeroberflächen, aber auch von Produkten) belegt haben. Bei einem internen Wettbewerb ging es seinerzeit um Anwendungsmöglichkeiten und Vermarktung digitaler Türschilder. Das brachte viel Basiswissen, aber auch die Erkenntnis, dass hier zwar ein Massenmarkt offen steht, dass dieser aber keine zielgruppenorientierten Werbekampagnen ermöglicht.

Das ist bei Spiegeln anders. Sie verführen zum Stehenbleiben und Hineinschauen - erst recht, wenn sie nicht nur das Spiegelbild des Betrachters, sonder auch noch wechselnde Schriften oder gar bunte Animationen zeigen. Hier können Werbebotschaften sehr stringent an den Mann oder die Frau gebracht werden, zumindest, wenn die Publikumsfrequenz hoch und die Nutzergruppe recht homogen ist. Im Kletterzentrum bietet sich beispielsweise vordringlich Werbung für Sportprodukte an, in einer Szenekneipe wahrscheinlich eher solche für Lifestyle oder weitere gastronomische Angebote.

Die Technik ist nicht wirklich neu: Bereits seit etwa zehn Jahren, sagt Peter Stahr, sind Spiegel auf dem Markt, die über derart spezielles Glas verfügen, dass Lichtsignale, die von einem rückwärtig verbauten Display kommen, hindurchgelassen werden, während von dem eigentlichen Bildschirm im Hintergrund nichts zu sehen ist. Es gibt auch längst Unternehmen, die dies kommerziell nutzen, bislang aber offenbar stets sehr eng zugeschnitten auf ganz besondere Kundenkreise aus der Wirtschaft oder auf etwas versnobte Privatanwender. Ein Massenmarkt ist offenbar mit digital aufgerüsteten Spiegeln nie erschlossen worden. Bis jetzt.

Die Gründer von "Mirrads" haben genau das vor. Nicht die einsame Dorfkneipe verspricht ihnen Geschäfte, wohl aber spielen großstädtische Szenebetriebe eine wichtige Rolle im Unternehmenskonzept. Denn "Mirrads" will nicht Gastronomen animieren, sich die Technik anzuschaffen und dann selber um Werbekunden zu bemühen. Das Start-up will vielmehr Spiegel installieren, die bereits mit einem komplett abgestimmten Werbeprogramm beim Wirt ankommen. Der Hausherr wird dann an den Werbeeinnahmen beteiligt .

"Wir brauchen nicht mehr als eine Steckdose und einen Internetanschluss für Aktualisierungen", sagt der gelernte Fachinformatiker Stahr, der sein Team inzwischen mit Mediengestalter Markus Seitle verstärkt hat. Für den endgültigen Start in einen breiteren Markt wird jetzt noch ein Vertriebsexperte gesucht. Wenn im Oktober der Mietvertrag beim brigk ausläuft, soll in eigenen Räumen die nächste Stufe gezündet werden. Da bahnt sich etwas an.

Bernd Heimerl