Urgestein im himmlischen Dienst

Weißer Bart und roter Mantel: Helmut Schlittenlohr gibt seit 40 Jahren den Nikolaus im Pius-Kindergarten

06.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:47 Uhr
Lange Tradition: Seit vier Jahrzehnten kommt Helmut Schlittenlohr als Nikolaus verkleidet in den Kindergarten St. Pius. Seinen Bischofsstab durfte heuer Kindergartenkind Yasin halten. −Foto: Brandl

Ingolstadt - (DK) Generationen kleiner Kinder hat er, eingekleidet in sein rotes Bischofsgewand und mit dem berühmten, manchmal gefürchteten goldenen Buch in der Hand, schon gelobt oder getadelt: Seit 40 Jahren gibt der Ingolstädter Helmut Schlittenlohr im Kindergarten St. Pius an der Ungernederstraße den Nikolaus.

 


So auch am Freitag: Rund 100 Mädchen und Buben aus vier Kindergartengruppen - die Käfer, Mäuse, Löwen und Bären - rutschen im Turnsaal aufgeregt auf ihren Stühlen hin und her und ballen im Schein zweier brennenden Adventskerzen (der Kindergarten hat am zweiten Adventssonntag ja bekanntlich zu) die kleinen Hände zu Fäustchen. Dann endlich ertönt draußen auf dem Korridor das Glöckchen und ein dumpfes Klopfen an der Tür kündigt den himmlischen Besuch an. "Grüß Gott, liebe Kinder", begrüßt der Nikolaus kurz darauf die Kinder mit einem Bariton, der aufhorchen lässt. Der kleine Yasin darf heute den Bischofsstab halten, weiß der Heilige Mann. Also tritt der Junge hervor und steht mit dem Nikolaus im Mittelpunkt der folgenden halben Stunde, in der Lieder gesungen und Kinderspiele gespielt werden. Bis der Nikolaus schließlich zum ernsten Teil seines Besuchs übergeht.

Die Kleinsten im Hort könnten sich schon von den Eltern verabschieden, ohne Tränen zu vergießen, verrät das Buch, aus dem er nun liest. Auch hätten sie schon gelernt, sich die Hausschuhe alleine anzuziehen. "Das ist schön", lobt der weißbärtige Mann. Die etwas Älteren zeigten die Kleineren, wie die Spiele funktionieren, hebt der Nikolaus anschließend wohlwollend hervor. Nur mit dem Aufräumen klappe es noch nicht wirklich, übt er leise Tadel. Die Vorschulkinder kümmerten sich dafür toll um die Patenkinder und deckten selbstständig den Tisch. "Das liest sich wirklich sehr gut", findet er. Was ihm jedoch nicht gefalle sei, das manche Kinder die Wände im Kindergarten bemalten und versuchten über das Treppengeländer zu klettern. "Wie kommt man denn auf so etwas? ", wundert sich der Allwissende - und hat zum Schluss doch noch ein Lob für alle Kinder parat: Er wisse, dass es generell Kinder gebe, die andere Kinder schlagen oder beschimpfen. "Das sehe ich hier nicht so oft, und das freut mich besonders", sagt er, bevor er seine Säcke mit Schokolade verteilt.

"Ich habe früher im Piusviertel gewohnt", sagt Schlittenlohr, der im Nordostviertel aufgewachsen ist, heute in Oberhaunstadt lebt und vielen auch als hervorragende Bowler oder Kegler beziehungsweise aus seiner Tätigkeit als Vorsitzender der SPD-Seniorengruppe 60plus, als Schatzmeister des SPD-Kreisverbandes, Vizevorsitzender des Bezirksausschusses in Haunstadt oder auch freier Mitarbeiter des DONUKURIER bekannt ist.

Seine Tochter sei schon in diesen Kindergarten gegangen, erzählt er. Und da er damals der einzige Mann im Elternbeirat gewesen sei, sei ihm gar nichts anderes übrig geblieben, als in die Rolle des Nikolaus zu schlüpfen, so der heute 71-Jährige, der als Nikolaus auch die Jugendfußballer des TSV Etting besucht und darüber hinaus hier und da auch privat die Rolle übernimmt. Auch für die Kinder in der eigenen Familie und Verwandtschaft zog er sich früher den roten Mantel über und versteckte sein Gesicht hinter einem weißen Bart. "Mein Neffe hat mich aber an den Schuhen erkannt", amüsiert er sich.

Früher habe er die Kinder öfter einmal zur Ordnung rufen müssen, erinnert sich Schlittenlohr. Heute lässt das Urgestein im himmlischen Dienst lieber Altersmilde walten, wie sein Auftritt zeigt. Kindergartenleiterin Petra Nölp schätzt die Verlässlichkeit von Schlittenlohr, der jedes Jahr als Nikolaus fest eingeplant sei, wie sie versichert. "Er ist in seiner Rolle sehr gütig und dazu ein echter bayerischer Nikolaus, der außerdem absolut fußballbegeistert ist", lobt sie.

DK

 

Michael Brandl