"Für eine kleine Pfarrei eine Wahnsinnsleistung"

25.08.2006 | Stand 03.12.2020, 7:35 Uhr

Ingolstadt (sag) Noch in diesem Jahr soll der Mailinger Landwirt Martin Sangl in Würdigung seiner Verdienste durch Kultusminister Thomas Goppel mit der Bayerischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet werden. Seine Leistung ist unübersehbar: Mit Hilfe von Pfarrer Karl Mödl stieß er die Rettung der St. Martinskirche und ihrer kostbaren Orgel an.

Die Kirchenbänke wurden bereits verheizt, die neoromanische Martinskirche war zum Abriss freigegeben. Nur aus Geldmangel hatte man den Abbruch immer wieder hinausgeschoben. Dann jedoch trat im Oktober 1973 das Bayerische Denkmalschutzgesetz in Kraft und alle Gedanken an einen Abriss waren obsolet geworden. 1977 folgte die Außenrenovierung und im Anschluss wurde innen das Notdürftigste repariert. Bis 1993 benützte man die Kirche als Aussegnungshalle. Erst Pfarrer Mödl brachte den Gedanken ins Spiel, in St. Martin wieder Gottesdienste abzuhalten. Am 22. Oktober 1995 war es dann soweit.

Aus einem der beiden Beichtstühle von 1778 – beide sind nicht mehr in Gebrauch – zieht Martin Sangl ein etwa 50 Zentimeter großes Holzfragment mit ornamentalen Verzierungen heraus, einzig übrig gebliebener Rest der alten Bankreihen. "Auch wenn es sich nach Expertenmeinung so oder so g’hört – aber wenn ich von etwas überzeugt bin und mein Gewissen befiehlt mir, das so und nicht anders zu tun, dann zieh’ ich das durch, selbst wenn ich dann ein paar Leute gegen mich aufbringe." Der Sturkopf des Denkmalschützers Martin Sangl jedenfalls hat seiner Heimatgemeinde Mailing mit der alten St. Martinskirche zumindest ein Kleinod bewahrt – selbst wenn seine Kritiker bis heute nicht klein beigeben wollen, wie Sangl meint.

Kontakt mit wichtigen Leuten

"Man muss auch zur richtigen Zeit die richtigen Leute ins Spiel bringen" – auch diese Erfahrung hat der rührige Heimatpfleger gemacht. Durch seine Mitgliedschaft im Jurahausverein kam er bereits früh in Kontakt mit Leuten, die über Sach- und Fachverstand verfügten; so beispielsweise mit Emanuel Braun, Diözesankonservator in Eichstätt – "ein ganz ein erstklassiger Fachmann". Doch egal von welcher Seite her man solch eine Renovierung anpacke – "man muss so diszipliniert sein und sich selber zurücknehmen können", ist Sangl überzeugt.

"Die Geschichte unserer St.-Martins-Kirche ist astrein belegt." Sogar auf Pläne von der Vorgängerkirche sei er gestoßen. Wer hätte zum Beispiel ahnen können, dass in dieser Kirche von 1847 bis heute "allein drei Hochaltäre gestanden haben, drei Orgeln und zwei Mal Seitenaltäre"? Die Verantwortlichen in Mailing seien stets bestrebt gewesen, in der Martinskirche immer das Beste stehen zu haben. Gegen den Widerstand des Eichstätter Ordinariats führte Pfarrer Fanderl sogar diverse "Schwarzbauten" durch, so beispielsweise das glasierte Turmdach, das in Franken und Bayern eine uralte Tradition hat. Auch ließ er ein Glockentürmchen am Sakristeigiebel bauen – alles ohne Genehmigung.

1866 war die Kirche schließlich fertig gestellt und damit der ganze Stolz der Mailinger. Ein Gedenkstein hinter der Eingangstür zur Kirche erinnert an die Mühen des Pfarrers, der vielfach entgegen den Wünschen seiner Kirchenleitung handelte. Der jahrelange Zank und Streit habe diesen derart zermürbt, so vermutet Sangl, dass er bereits zwei Jahre nach der Fertigstellung der St.-Martins-Kirche starb.

Sangls Interesse für Denkmäler kommt bei ihm nach eigener Einschätzung nicht von ungefähr. So war sein Ur-Ur-Urgroßvater Kirchenpfleger. Bei seinen Recherchen stieß er darauf, dass er außerdem mit dem damaligen Baumeister Häusler verwandt ist. Sein eigenes Werkeln sieht Sangl deshalb in gewisser Weise als Genugtuung und Rechtfertigung dafür an – "vielleicht hab ich’s doch im Blut", meint er und lacht. "Die Mailinger waren zwar sehr reich, aber auch sehr sparsam – die hab’n nix weg g’schmissn", so der Denkmalpfleger. Zum Beispiel wurden Steine von der 1846 abgebrochenen ehemaligen Burgkapelle von 1158 für diesen Kirchenbau an gleicher Stelle verwendet. Einige Stellen im Kircheninneren sind unverputzt geblieben und zeigen diesen hochwertigen, frostbeständigen Dolomitstein mit seiner überaus exakten Bearbeitung. Auch existierten Hinweise, so Sangl, dass bei der Grundsteinlegung für die Burgkapelle die Baupläne in Glas versiegelt und Münzen beigegeben wurden. "Nur hat man diesen Grundstein später nicht mehr wiedergefunden – dieser Schatz ruht wahrscheinlich heute noch unter dieser Kirche."

Akustik hoch gelobt

Sangls größter "Coup" war die Sanierung der Kirchenorgel. "Ein Gotteshaus ist ein Gesamtkunstwerk", antwortet er auf die Frage, weshalb er sich so für die Orgel eingesetzt habe. "Raum, Licht, Akustik . . . das ist alles eins." Selbst heutige Musikexperten lobten die Akustik in St. Martin über alles, "weil dies wahrscheinlich der beste Konzertraum in Ingolstadt ist", so Sangl. Die große Orgel aus- und eine kleine, moderne dafür einbauen – "das wäre auf gut deutsch Antiquitätenschwindel".

Sangl erreichte bei einem Besuch beim Finanzdirektor in Eichstätt eine Aufstockung des Zuschusses von 26 000 Mark auf 89 000 Mark. Dank weiterer Zuschüsse und vieler Spenden – Sangl allein sammelte 30 000 Mark – wurde die Orgel in ihrer vollen Pracht wiederhergestellt. "Für eine so kleine Pfarrei mit drei Kirchen eine Wahnsinnsleistung", schwärmt Sangl.

"Wie Sechser im Lotto"

Als kleine Odyssee erwies sich die handwerkliche Wiederherstellung der Orgel, da zwischenzeitlich Teile der alten Orgel verschwunden waren. Als einen "Sechser im Lotto" bezeichnet Sangl heute den Umstand, dass er per Zufall ein "Duplikat" der Orgel entdeckte, "vom selben Orgelbauer, bis auf zwölf Monate dasselbe Baujahr, in einer gleich großen Kirche, mit der gleichen Mensur und mit fast allen Pfeifen, die wir gebraucht haben". Die grenzenlose Freude schaut Sangl noch heute aus den Augen.