Friedrichshofen
Lutherisch und lebensfroh

Vor 50 Jahren wurde die Friedrichshofener Thomaskirche eingeweiht – bis heute die Heimat einer sehr aktiven Gemeinde

06.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:10 Uhr

Gotteshaus auf der Höhe der Zeit: die Baustelle der Thomaskirche 1962. Das Werk des Architekten Theodor Steinhauser kam bei den Friedrichshofenern sehr gut an. - Foto: Evangelische Gemeinde Friedrichshofen

Friedrichshofen (DK) Am 19. Mai 1963 wurde die Kirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde Friedrichshofen eingeweiht, die 1978 den Namen Thomaskirche erhielt. Das Gemeindeleben gilt als sehr rege, die Zahl der Mitglieder steigt.

Das Jubiläum wird eine Woche lang gefeiert. Sie bauten eine feste Burg tief in der altbayerischen Diaspora. In der Kolonistensiedlung Friedrichshofen lebten Lutherische und Reformierte bis zum Zweiten Weltkrieg weitgehend unter sich. Katholiken galten hier vor den Toren Ingolstadts (einst das Zentrum der Gegenreformation) als Exoten. Doch der starke Zustrom von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen in der Zeit nach 1945 verschob die konfessionellen Gewichte fundamental. Friedrichshofen geriet „in die paradoxe Situation“, so schreibt der Ortschronist und leidenschaftliche Lutherische Gustl Bernhardt, „dass sich hier überdurchschnittlich viele katholische Familien ansiedelten, wodurch bald die evangelische Gemeinde in die Minderheit geriet“. Es herrschten also wieder altbayerische Verhältnisse.

Was nicht bedeutete, dass die evangelische Bevölkerung fortan eine Nischenexistenz führte. Auch sie wuchs kräftig. Gegenüber dem heutigen Hotel Heidehof wurde 1946 eine Notkirche errichtet. „Es gehörte zu den großen Herausforderungen der Kirche“, heißt es in Bernhardts Buch, „diesen entwurzelten, verstörten und vertriebenen Menschen seelsorgerlichen Rat und Beistand zu geben“ und ihnen „neben der geistigen Heimat auch ein Zuhause in der neuen Umgebung zu schaffen“.

Die Notkirche machte ihrem Namen bald in jeder Beziehung Ehre, denn darin ging es immer ungemütlicher zu. Es musste eine richtige Kirche her! Gottlob nahm sich Dekan Christoph Simon (1913 – 1966) der Aufgabe an. Er war das prägendste Oberhaupt des Dekanats Ingolstadt in jener Zeit und ein Kirchenerbauer vor dem Herrn. Simon eilte quasi von Einweihung zu Einweihung. In seiner Amtszeit entstanden – um nur wenige zu nennen – das Gemeindezentrum St. Matthäus, die Kirchen St. Lukas und St. Markus, die Gemeindezentren St. Johannes und St. Paulus – und eben auch die neue Heimat der Friedrichshofener Protestanten.

Simon trieb das Projekt voran. Der Bauplatz kostete 20 000 Mark. Schon damals war der Raum eng; Friedrichshofen erfreute sich nach wie vor großer Beliebtheit unter Zureisenden. Der Grundsteinlegung am 25. März 1962 folgte am 19. Mai 1963 die Weihe des innovativen Gotteshauses mit Kindergarten und Vikarswohnung, ein Werk des Architekten Theodor Steinhauser. „Die Friedrichshofener waren stolz darauf, dass hier so was Modernes gebaut wurde“, erinnert sich Bernhardt. „Die Kirche war stilbildend und gab dem Ort städtebaulich gesehen erst seine Mitte.“

Damals war die evangelische Kirche Friedrichshofens (nach Thomas wurde sie am 1. Advent 1978 benannt) noch eine Zweigstelle von St. Matthäus. Der erste Geistliche, Vikar Josef Grill, ist in besonderer Erinnerung geblieben. Ihm folgten die Vikare Andreas Hildmann, Günter Granzin und Wolfgang Menke. 1971 wurde in Friedrichshofen eine eigene Pfarrstelle errichtet (bis 1992 zusammen mit Gaimersheim). Der erste Pfarrer hieß Helmuth Wunderling. Sein Nachfolger war Hubert H. Vogt.

Seit 2010 ist Sonja Schobel die Pfarrerin der Kirchengemeinde. Sie fühlt sich hier sehr wohl. „Rund um unser Gemeindezentrum ist eine Art Marktplatz entstanden.“ Auch das freut sie. Es rührt sich tatsächlich eine Menge am Buchenweg. Die Gemeinde wächst – entgegen dem Bundestrend. „Im vergangenen Jahr hatten wir 35 Taufen und 25 Beerdigungen. Dazu 13 Eheschließungen“, berichtet Schobel. Die Zahl der Gemeindemitglieder stieg im Jahr 2012 um 100 auf 2700. Sie weiß, dass diese Entwicklung mit dem kräftigen Bevölkerungswachstum zusammenhängt – aber eben nicht nur. „Wir haben auch viele junge Familien und bemühen uns, für alle attraktiv zu sein.“ Bernhardt kennt noch einen Grund für die Beliebtheit: „Diese Gemeinde ist sehr modern, offen und durchlässig.“

Das rege Gemeindeleben trägt ebenfalls eine Menge dazu bei, dass es in der Thomaskirche sowie im 1996 eingeweihten Gemeindezentrum meist ziemlich zugeht. Stolz ist Pfarrerin Schobel auch auf die Reihe „Der etwas andere Gottesdienst“ – und natürlich auf die Musik, die große Domäne der Gemeinde. Die Leidenschaft für gemeinsames Singen und Musizieren prägt die Kirche seit Jahrzenten. Das ist vor allem das Verdienst des Kirchenvorstands Günther Bernhardt (Gustls Bruder), der schon als 15-Jähriger Orgel spielte, die Kirchenchöre aufbaute und sich auch sonst im Gemeindeleben gern engagierte. Günther Bernhardt begründete 1973 die Reihe der Adventskonzerte und setzte sich für die Pfeifenorgel ein, die seit 1981 erklingt.

Es tönt noch mehr in der Thomaskirche und darüber hinaus: Der von Manfred Arnold geleitete Posaunenchor feiert im Zuge des Kirchenjubiläums sein 30-jähriges Bestehen. Er ist – wie der ebenfalls in der Gemeinde beheimatete Gospel-Sunshine-Chor – eine ökumenische Gemeinschaft. Pfarrerin Sonja Schobel merkt strahlend an: „Da singen und spielen auch viele Katholiken mit!“