Ingolstadt
Die Zahlen liegen auf dem Tisch

Kammerspiele fürs Stadttheater sollen 38,9 Millionen Euro kosten - Freistaat zahlt mindestens die Hälfte

22.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:18 Uhr
Auf der Grünfläche zwischen Stadttheater (rechts), Donau/Schlosslände (unten) und Donaukaserne/Tränktorstraße (links) könnten die Kammerspiele entstehen. −Foto: Schalles/Reibel

Ingolstadt - Des Dramas nächster Akt?

Oder ist es eine Tragödie, an deren Ende bekanntlich stets jemand stirbt - in diesem Fall das ganze Projekt? Oder gibt es ein Happy End? Das ist die Ausgangslage, bevor sich am Dienstag ein weiterer Vorhang für die Diskussion um die Ingolstädter Kammerspiele hebt. Dieses Mal ist es aber in der gemeinsamen Sitzung von Aufsichtsrat der Stadttochter INKoBau und dem Stadtentwicklungsausschuss eine neue und ziemlich spannende Episode, da belastbare Zahlen vorliegen und auch eine wegweisende Entscheidung zur Entwicklung Ingolstadts zu treffen ist - die erste des neuen Stadtrats.

Auf 38,9 Millionen Euro berechnet das Architekturbüro Blauraum die vorläufigen Baukosten für den Theaterbau, wie jetzt vor der Sitzung bekannt geworden ist; wobei laut der Stadtverwaltung mindestens beziehungsweise sogar eher deutlich mehr als die Hälfte vom Freistaat kommen soll. Der Entwurf des Hamburger Büros war der Sieger der Juryentscheidung im Architektenwettbewerb, und die Planer sollen nun auch die Kammerspiele - sollte denn jetzt die Vorprojektgenehmigung vom Stadtrat erteilt werden - weiter entwickeln dürfen. Sie seien "das geeignetste Planerteam" , heißt es in der Sitzungsvorlage von INKoBau und Stadtverwaltung für die Stadträte. Blauraum liegt damit wie im Jurywettbewerb, auch hier vor den damals Zweitplatzierten Morger Partner (Basel) und dem dritten Sieger Staab Architekten (Berlin), die ebenfalls wieder ihre Unterlagen einreichten. Eines der beiden Büros war dabei in der reinen Kostenschätzung etwas günstiger, Blauraum lag laut der Stadtverwaltung aber nur "mit minimalem Abstand" dahinter.

Die Zahlen des "Bestbieters" für den Theaterbau seien in der Prüfung insgesamt nachvollziehbar. Die Kostenschätzung "kann als realistische Zielvorgabe angesehen werden", so die Überzeugung der städtischen Verantwortlichen aus INKoBau, Kulturreferat und Stadtplanungsreferat. Das heißt natürlich zudem, dass Stadtstellen wie die Architekten davon ausgehen, dass sich die Kammerspiele sowohl wirtschaftlich als auch technisch in dem Grünstreifen zwischen Theaterplatz, Schlosslände und Donaukaserne (Tränktorstraße) errichten lassen. Dieser Standort würde nun festgezurrt. Bekanntlich wäre davon die Theatertiefgarage West betroffen. Auch hierzu haben die Architekten ihre Planungen konkretisiert: Blauraums Entwurf sieht insgesamt 96 Tiefgaragenstellplätze (Theater West hat 320, Theater Ost 322) wegfallen, wobei einberechnet ist, dass 25 Stellplätze auch neu geschaffen werden. Das Budget für Rückbau, Wiederherstellung und Umbau der Tiefgarage alleine wird in dem Gesamtbudgetschätzungen der Architekten mit 2,2 Millionen Euro veranschlagt.

In der Summe von insgesamt 38,9 Millionen als Projektbudget ist auch ein Risikobudget von 3,7 Millionen Euro enthalten. Da in der bestehenden Tiefgarage als Baugrube gearbeitet werden soll, dürften zumindest unvorhergesehene Überraschungen für die Archäologen ausbleiben.

Inzwischen gefühlt aus der Shakespeare-Zeit stammt übrigens der Wert von 30 Millionen Euro als Kostenschätzung, den der Stadträte (in alter Zusammensetzung) im Juli 2017 als Kostenobergrenze übernahm und festlegte. Erstens bezog sich die Summe auf die längst aufgegebene Planung für einen Theaterbau im Klenzepark (2015). Und zweitens nahm man auch bei der legendären 50-gegen-1-Entscheidung (gegen Sepp Mißlbecks denkwürdige Donauidee) im vergangenen Sommer zur Kenntnis und akzeptierte, dass die 30 Millionen für den Platz auf der Theatertiefgarage hinten und vorne nicht reichen würden. Darauf hatte die INKoBau bereits eindeutig hingewiesen.

Damals ging es in den Schlagabtauschen aber vor allem darum, warum die Planungen für das Großprojekt so lange dauern und ob eine Entscheidung von der damals noch regierenden Koalition aus CSU und FW bis nach der Kommunalwahl hinausgezögert worden würde. Ein bisschen kurz kam in der Diskussion bisher immer, dass der Freistaat (damals in Person von Finanzminister Markus Söder auch höchstpersönlich vor Ort verkündet und an anderen Theater-/Kulturstandorten freilich bereits umgesetzt) bis zu drei Viertel der Kosten übernimmt. Das wunderte sogar den frisch gewählten OB Christian Scharpf vor drei Wochen in seiner Antrittsrede: "Wir geben, ohne mit der Wimper zu zucken, viele Millionen für ein neues Parkhaus aus. Das wird weder in der Stadtpolitik noch in den Medien großartig thematisiert. Die Diskussion über Kammerspiele, bei denen der Freistaat 75 Prozent der förderfähigen Kosten übernimmt und bei denen die Betriebskosten auf ein Minimum reduziert sind, nimmt hingegen seit Jahren beinahe dramenhafte Züge an. Das verstehe, wer will. "

Auf knapp 20 Millionen Euro, also gut die Hälfte der Bausumme, wird bei "konservativer Schätzung" letztlich die Förderung durch den Freistaat gesehen. Optimistischere Stellen der Stadtverwaltung gehen sogar von deutlich mehr aus.

Am Dienstag kommt nun erstmals die abgewandelte Gretchen-Frage auf die Bühne des neuen Stadtrats: Wie halten es die Mitglieder mit den Kammerspielen, da jetzt Zahlen vorliegen? Sie sollen 3,3 Millionen Euro freigeben, um die nächsten Planungsschritte anzugehen. Die finale Projektgenehmigung soll durch den Stadtrat erfolgen, wenn die konkrete Entwurfsplanung der Architekten auf Basis ihrer vorliegenden Kostenberechnung eingegangen ist.

DK