Ingolstadt
Dem Drachen die Hand reichen

Gedanken zum Leid: Münchener Philosophin Celina von Bezold spricht bei Abend des Hospizvereins

12.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:15 Uhr
Die Philosophin Celina von Bezold sprach auf Einladung des Hospizvereins im DK-Verlagsgebäude. Seinen Dank sprach anschließend Christoph Riedel vom Hospizverein aus. −Foto: Foto: Hospizverein

Ingolstadt (DK) Im Rahmen seines 25-jährigen Bestehens lud der Hospizverein Ingolstadt zu einem Vortragsabend mit der Münchener Philosophin Celina von Bezold in den Veranstaltungsraum des DONAUKURIER ein.

"Dem Drachen die Hand reichen": In diesem Bild entwickelte die Referentin eindrucksvolle Gedanken zum Leid im menschlichen Dasein. Dasein vollzieht sich nach Sören Kierkegaard, dem Gewährsmann der Rednerin, im Spannungsfeld von "Ich bin" und "Ich habe zu sein".

Der Drache sei das mythische Bild für das Bedrohliche, Schreckliche, für das Leid im Leben des Menschen. Leid entstehe durch Extreme. Das eine Extrem könne das "Ich bin" sein. Die Mutter, die den Tod eines Kindes betrauert, könne das Geschwisterchen nicht mehr versorgen, weil sie ganz in dieser Trauer ist, betont die Referentin: "Ich bin und kann mich nicht mehr zu anderem verhalten. " Das andere Extrem bestehe darin, dass sich Menschen nur noch verhalten. "Das ist wie Tennisspielen an einer Ballmaschine, die einem mit hoher Geschwindigkeit Bälle zuspielt. Der Spieler reagiert nur noch auf die Bälle. Er ist nicht mehr bei sich selbst, sondern ganz bei seiner Reaktion. " Dieses Leid diagnostizierte die Philosophin für viele Unternehmen, wo Mitarbeiter nicht mehr zu sich selbst kommen, weil sie sich nur noch in Reaktion, im Sich-Verhalten zu ihren Aufgaben bewegen.

Dabei gelinge im Vertrauen auf sich selbst der Umgang mit dem Leid. Wer den Drachen in seiner Bedrohlichkeit aushalte, ihm die Hand reiche, dem verwandele er sich - Rilke zufolge - in eine Prinzessin. "Die unerlöste Prinzessin wartet im Drachen auf den Prinzen, der tapfer dem Leid einen sinnvollen Kern zutraut. " Darin bestehe die Haltung der Hospizbegleiter, die dem Schrecken des Sterbens begegneten und ihn aushielten, bis sich die Persönlichkeit, das gute Leben des Sterbenden, zeige.

"Ein gutes Sterben gibt es nicht", führte die Philosophin aus. Es gebe das gut begleitete Sterben, das dem Betroffenen helfe, mit der radikalen Angst davor zu leben, dass es bald nichts mehr zu leben und zu erleben gebe. Der Tod selbst ängstige nicht. In ihm überschreite der Einzelne endgültig alle Grenzen und Blockaden seines Lebens. Entgrenzung sei ein Grundbedürfnis des Menschen. Als Beispiel dafür zitiert von Bezold die Aussage eines Gourmets angesichts des nahenden Todes, der sich freue, den Geschmack des Todes zu genießen. "In dieser Haltung reichte er dem Tod die Hand und konnte sein Sterben aushalten. "
Nach einer kurzen Diskussion und dem Dank des Vorstandes des Hospizvereins an die Philosophin klang der Abend bei angeregten Gesprächen aus.