Ingolstadt
Aus dem Depot in die Schatzkammer

In der neuen Ausstellung des Armeemuseums ist ein Raum besonders wertvollen Exponaten vorbehalten

27.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:11 Uhr
Eine Schubkarre vom Ingolstädter Festungsbau aus dem Jahr 1532 gehört zu den Exponaten in der neuen Dauerausstellung des Bayerischen Armeemuseums, über die sich Direktor Ansgar Reiß (links) und Kurator Tobias Schönauer besonders freuen. In der küntigen Schatzkammer des Neuen Schlosses werden künftig unter anderem eine extrem seltene Panzerhose (unten links) und eine frühe Rüstung (unten rechts) ausgestellt. Ein eigener Raum ist dem Thema Belagerungen gewidmet (unten Mitte). Derzeit werden die letzten Arbeiten in der Ausstellung erledigt. Heute in einer Woche wird die Schau zum ersten Mal öffentlich zugänglich sein. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Tobias Schönauer hat einen Schatz gehoben.

Allerdings ist er dafür nicht mit Spaten und Pickel unterwegs gewesen oder hat mit einem U-Boot Schiffswracks untersucht - der Historiker hat in der Vorbereitung der neuen Dauerausstellung das Depot des Bayerischen Armeemuseums durchforstet. Und er wurde fündig. Seine gehobenen Preziosen bestehen freilich nicht aus Gold und Edelsteinen, sind aber dennoch so wertvoll, dass es in der neuen Ausstellung eine eigene "Schatzkammer" für sie geben wird. "Es sind Stücke aus unserer Sammlung, die besonders selten sind", erklärt Ansgar Reiß, der Direktor des Museums.

Eine Besonderheit in der Schatzkammer ist etwa die Kleidung eines europäischen Conquistadors. Eine Expedition entdeckte sie Ende der 1920er Jahre in Peru. Das Armeemuseum erhielt sie als Geschenk, obwohl Wams und Hose mit der bayerischen Armee nichts zu tun haben. Dennoch ist das Gewand so besonders, dass es die Ausstellungsmacher zeigen wollten und nicht wieder im Depot verstecken. "Es gibt kein vergleichbares Stück", erklärt Kurator Schönauer. Textilien, die älter als 400 Jahre sind, gebe es kaum, da sich die Stoffe mit der Zeit zersetzen, erklärt Reiß. Die Garderobe des spanischen Eroberers stammt aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. "Experten, die davon gehört haben, waren sofort aus dem Häuschen", sagt Schönauer, und Reiß ist sich sicher: "Da werden bald die Leihanfragen aus anderen Museen kommen. "

Ein anderes wertvolles Ausstellungsstück ist eine Helmhaube aus Leinen, Wolle und Leder. Solche Kopfbedeckungen trugen Ritter bei Turnieren unter dem Helm. Das ausgestellte Stück - weltweit ist derzeit nur etwa ein Dutzend vergleichbarer Kopfbedeckungen bekannt - stammt aus der Zeit zwischen 1480 und 1520. "Sie wurde in einem Fehlboden in einem Hühnerstall in Südtirol gefunden", berichtet Schönauer. "Sie musste ein Jahr lang dekontaminiert werden, weil sie so gestunken hat. " Neben der Haube und dem Gewand finden sich in der Schatzkammer unter anderem eine mit Metallplatten bewehrte Panzerhose, eine Pirschbüchse Ottheinrichs und eine Frühform der Ritterrüstung. Die Stücke werden bewusst in Szene gesetzt: In dem dunklen Raum scheinen sie, nur von einem Spot beleuchtet, fast in der Vitrinen zu schweben. Mit einem Tastendruck können die Besucher die Beleuchtung auf die erklärenden Texte aktivieren. Objektkarten bieten die Möglichkeit, sich eingehender mit den Exponaten zu beschäftigen.

Ganz anders ist der Raum ein Stock darüber gestaltet. Hier widmet sich die Ausstellung dem Thema Festungsbau und Belagerungen und bietet damit deutliche Anknüpfungspunkte auch an die Ingolstädter Stadtgeschichte. So ist hier etwa eine Schubkarre aus dem Jahr 1532 zu sehen, die Archäologen auf dem Gießereigelände unweit des Schlosses ausgegraben haben. Sie lässt etwas von den Mühsalen erahnen, die die Erbauer der Schanz auf sich genommen haben, um die Stadtbefestigung zu errichten. "Es ist ein Exponat, das vom Alltagsleben der Menschen erzählt", betont Schönauer. In der zentralen Vitrine des Raums ist ein Belagerungsharnisch aus dem Jahr 1680 samt Helm zu sehen. Ebenfalls ein "extrem seltenes Stück", erklärt der Historiker. Auf der Brust sind die Spuren eines Einschusses zu sehen. "Eine solche Delle ist normal", erklärt der Experte. "Sie stammt von einem Probeschuss, der auf den Harnisch abgegeben wurde. " Drei weitere Löcher auf der Rückseite weisen darauf hin, dass die Rüstung tatsächlich auch einmal im Kriegseinsatz war.

Nicht alle Exponate sind neu. Manche waren bereits vor der Napoleon-Landesausstellung im Jahr 2015 im Schloss zu sehen. Etwa das große Gemälde, das die Belagerung einer Stadt zeigt, die von mächtigen Festungsbauten umgeben ist. 40 Jahre hing das Bild im Tanzsaal des Schlosses. Die Informationstafel allerdings muss erneuert werden. Nicht nur, weil die künftig alle zweisprachig sind, sondern auch, weil sich bei der Vorbereitung der Ausstellung herausgestellt hat, dass die belagerte Stadt auf dem Bild nicht wie lange geglaubt Neuhäusel bei Wien, sondern Mainz ist. Unter anderem erkannte ein Arbeiter, der im Belagerungs-Raum die Vitrinen aufbaute, seine Heimatstadt und machte so ebenfalls eine wertvolle Entdeckung im Ingolstädter Schloss.

NÄCHSTE WOCHE IST ERÖFFNUNG

Die großen Schlachten sind geschlagen. Die Einrichtung der neuen Dauerausstellung "Formen des Krieges 1600 - 1815" ist fast fertig. "Es geht nur noch um ein paar Details und Nacharbeiten", sagt Ansgar Reiß, der Direktor des Bayerischen Armeemuseums im Neuen Schloss. Bei der Konzipierung der Schau haben Ausstellungs-Architektin Janet Görner und Kurator Tobias Schönauer darauf geachtet, auch die Räume an sich zur Geltung kommen zu lassen. "Unser größtes und wichtigstes Exponat ist das Schloss", betont Schönauer.

Am Montag, 3. Juni, wird die Fertigstellung der Dauerausstellung mit einem internen Festakt im Schloss gefeiert. Zu Gast ist unter anderem der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler (CSU). Es haben sich auch einige Historiker und andere Experten angekündigt, die gespannt sind, wie im Schloss das eine oder andere besondere Exponat präsentiert wird, berichtet Schönauer. Prof. Marian Füssel aus Göttingen wird einen Vortrag zum Thema "Kriegstheater: Formen militärischer Gewalt in der Frühen Neuzeit" halten. Am Dienstag, 4. Juni, ist die neue Dauerausstellung das erste Mal für die Öffentlichkeit geöffnet.

Johannes Hauser