Ingolstadt
Märkte setzen auf Abschreckung

Gehäufte Ladendiebstähle: Da und dort schon uniformiertes Wachpersonal im Einsatz

08.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:54 Uhr
In der Zucheringer Netto-Filiale ist seit einiger Zeit uniformiertes Wachpersonal im Einsatz. Fürs Foto durfte aber niemand posieren. −Foto: Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Den klassischen Kaufhausdetektiv gibt es auch noch, doch mehr und mehr setzen größere Verbrauchermärkte und Einkaufszentren auf sichtbare Abschreckung von Ladendi

Ladendiebstahl ist im Prinzip ein alter Hut, seit Aufkommen der großen Selbstbedienungsläden quasi ein Universaldelikt, das auch in Polizeiberichten auftauchte, als von größerer Zuwanderung aus dem Ausland noch keine Rede sein konnte. Auch reicht das Spektrum der Täter quer durch alle Bevölkerungsschichten. Und dennoch ist auffällig, dass in Ingolstadt das Auftauchen von Wachdiensten im Einzelhandel in der jüngeren Vergangenheit in denkwürdiger Relation zur Flüchtlingskrise steht.

Besonders markant: Am Netto-Markt in Zuchering, nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit für Hunderte Flüchtlinge aus dem vormaligen Transit- und jetzigen Ankerzentrum in Oberstimm, stehen neuerdings immer wieder mal schwarz uniformierte Wachleute am Eingang. Schon wiederholt wurden sie in den vergangenen Wochen in Zwischenfälle verwickelt, in die auch Zuwanderer verstrickt waren. Mehrfach musste die Polizei zu Hilfe gerufen werden, die jetzt von einer "temporären Phase" mit gehäuften Vorfällen, aber nicht von einem permanenten Einsatzschwerpunkt spricht - auch wenn die Streifentätigkeit im Umfeld dieses SB-Marktes zuletzt verstärkt worden ist. Aus dem Markt selbst verlautete, dass das Securitypersonal reihum an mehreren Netto-Standorten eingesetzt werden solle.

Aus der örtlichen Kriminalitätsstatistik lässt sich ein gewisser Zusammenhang zwischen dem schlagartigen Zuwachs an Flüchtlingen im Jahr 2015 und einem Anstieg der Fallzahlen bei Ladendiebstählen im Folgejahr durchaus herauslesen - das hatte Polizeipräsident Günther Gietl, Chef des hiesigen Präsidiums Oberbayern Nord, bereits im vergangenen Herbst in einer Lageeinschätzung vor dem Stadtrat eingeräumt. Nach einer deutlichen Spitze im Jahr 2016 sind die Zahlen 2017 aber wieder rückläufig gewesen und scheinen sich auch in diesem Jahr eher wieder auf etwas niedrigerem Niveau einzupendeln (siehe Kasten unten).

Ingolstadts stellvertretender Inspektionsleiter Matthias Schäfer lässt bei Deutung der Statistik Vorsicht walten, hält es aber für wahrscheinlich, dass bei der inzwischen erkennbaren Trendumkehr mehrere Faktoren eine Rolle spielen. So könne die stärkere Wachsamkeit im Einzelhandel inzwischen durchaus Resultate zeitigen. Andererseits gibt Schäfer zu bedenken, dass eine mittlerweile eingesetzte Sozialisierung vieler Zuwanderer in der neuen Umgebung auch gewisse Effekte mit sich gebracht haben könnte: Das Unrechtsbewusstsein mancher Menschen, die aus ihrer Heimat tägliche Kleinkriminalität kennen, könne inzwischen durchaus ausgeprägter sein als zu Beginn ihrer Zeit in Deutschland.

Im Handel weist man Zusammenhänge zwischen gehäuften Ladendiebstählen durch Flüchtlinge und erhöhten Sicherheitsmaßnahmen offiziell zurück. Es sei bei jährlichen Inventurverlusten von rund zwei Milliarden Euro im deutschen Einzelhandel sicher kein Wunder, dass die Unternehmen Interesse an Gegenmaßnahmen und Aufklärung hätten, erläutert zum Beispiel Christian Strauß, Sprecher von Edeka Südbayern in Gaimersheim. Die genossenschaftliche Lebensmittelkette setze seit jeher auf diskrete Beobachtung der Kundschaft durch zertifiziertes Personal versierter Detekteien, so Strauß. Eine "Abschreckung" potenzieller Diebe durch uniformierte Securityleute sei bei den von Edeka direkt betriebenen Märkten sicher nicht geplant.

Eine Anfrage in der Verwaltung des Discounters Netto, der in Zuchering in auffälliger Nähe zum Ankerzentrum in Oberstimm neuerdings auf deutlich erkennbares Wachpersonal setzt, blieb bis gestern unbeantwortet. In der für den bayerischen Raum zuständigen Rewe-Zentrale wollte man auf Fragen zur Thematik nicht näher eingehen. Das Unternehmen setzte da und dort in seinen Märkten Sicherheitspersonal ein, wolle sich aber nicht zu Einzelheiten und schon gar nicht zu Gründen für derlei Maßnahmen äußern, so eine Sprecherin.

Auch im Westpark ist ein Sicherheitsdienst unterwegs, und zwar regelmäßig von Montag bis Samstag, wie Geschäftsführer Frank Hausschmid erklärt. "Wir machen das seit über einem Jahr, um das Sicherheitsgefühl der Kunden zu befriedigen." Ausschlaggebend sei der Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum in München 2016 gewesen, bei dem neun Menschen ums Leben kamen.

Von den Kunden habe er positive Rückmeldungen bekommen, genauso wie von den Mietern, sagt Hausschmid. "Die haben jederzeit die Möglichkeit, den Sicherheitsdienst zu rufen." Mehrere Diebstähle hätten sich so schon aufklären lassen - und noch mehr verhindern. Größere Einsätze habe der Sicherheitsdienst noch nicht gehabt. "Aber dann würden wir ohnehin die Polizei rufen", sagt der Centermanager. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma trügen auch keine Waffe. "Die sind Dienstleister. Die überwachen auch gleichzeitig den Parkraum, schauen, dass keiner querparkt oder die Feuerwehrzufahrt zustellt."

Mit der nahen Unterkunft für Asylbewerber an der Neuburger Straße habe die Einführung des Sicherheitsdienstes nichts zu tun, versichert Hausschmid. Ihm sei auch keine besondere Häufung von Diebstählen durch die Asylbewerber bekannt.

Seit einiger Zeit setzt auch das Donau-City-Center in Zentrumsnähe auf einen Sicherheitsdienst. "Sporadisch", sagt Petra Riechert von der Neuburger VIB Vermögen AG, die das Center führt. Es habe keinen Vorfall gegeben, der das Centermanagement zu diesem Schritt veranlasst hat. Es gehe um Prävention, erklärt Riechert. "Wir hatten von unseren Mietern gehört, dass es Hinweise von Kunden gibt, dass sie sich nicht so ganz wohlfühlen. Und um ihnen ein gutes Einkaufsgefühl zurückzugeben, haben wir eben den Sicherheitsdienst eingesetzt." Seitdem werde von Zeit zu Zeit patrouilliert.
 TRENDWENDE ERKENNBAR 
Der DK hat sich jetzt von  der Ingolstädter Polizeiinspektion  die Fallzahlen bei Ladendiebstählen aus der jüngeren Vergangenheit  fürs Stadtgebiet nennen lassen. Demnach war der Anstieg der jährlichen Ladendiebstähle in Ingolstadt von 2015 mit 677 angezeigten Fällen auf 1019 registrierte Vorkommnisse in 2016 signifikant. In diesem Zeitraum war bekanntlich der größte Ansturm von Asylbewerbern zu verzeichnen gewesen.
 
Im vergangenen Jahr war die Zahl allerdings bereits  wieder etwas rückläufig, bewegte sich   mit 943 Fällen aber immer noch auf relativ hohem  Niveau. Im ersten Halbjahr 2018 wurden in der Stadt  430 Ladendiebstähle angezeigt, was − bei aller Unsicherheit, was die weitere Entwicklung bis zum Jahresende angeht − zunächst einmal für einen weiteren Rückgang spricht.
 
Matthias Schäfer, stellvertretender Leiter der Ingolstädter Polizeiinspektion, spricht von einem 30-prozentigen Anteil von Flüchtlingen an den zur Anzeige gebrachten Ladendiebstählen dieses Jahres. Das macht deutlich, dass die Beteiligung von Asylbewerbern an diesen Straftaten in Relation zu Gesamtbevölkerung  als durchaus gehäuft anzusehen ist.