Ingolstadt
Sturm auf die Schatzkammer

Bayerisches Armeemuseum öffnet am 3. Juni nach langer Pause den ersten Teil der neuen Dauerausstellung

28.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:25 Uhr
  −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Napoleon war schuld. Für den Franzosenkaiser und die Landesausstellung 2015 hatten die Verantwortlichen des Bayerischen Armeemuseum nur zu gerne das Neue Schloss von der altbekannten Dauerausstellung befreit. Nach dem großen Umbau des Eingangsbereichs und mehreren Sonderausstellungen seitdem kehren nun die eigenen Exponate mit einem stark überarbeiteten Konzept dauerhaft in die herzoglichen Gemächer zurück. Nun steht ein Termin fest: Am 3. Juni wird der erste Teil der Schau feierlich eröffnet.

Schritt für Schritt, Etage für Etage und Epoche für Epoche füllen sich die Räume neu. Wobei schon das Durchschreiten des modernen Kassenbereichs ein großstädtisches und würdiges Gefühl für ein staatliches bayerisches Museum liefert. Sobald sich die Tür zur Dürnitz öffnet, ist der Besucher komplett "in der Schatzkammer des Museums" angelangt, wie Ansgar Reiß, der Direktor, schwärmt.

Über viele Monate nun schon fiebert der Schlossherr mit seinen Mitarbeitern dem Moment entgegen, wenn sie den Besuchern die komplett neu konzipierte Ausstellung präsentieren können und dabei das 1972 eröffnete Museum dauerhaft auf der Höhe der Zeit angekommen ist. Zunächst 900 Quadratmeter im Erdgeschoss und im ersten Stock werden im ersten Abschnitt gefüllt. "Mit den Sonderausstellungen haben wir dann wieder mehr als die Hälfte des Hauses geöffnet", sagt Reiß. Zum Armeemuseum gehören bekanntlich auch das Museum des Ersten Weltkriegs im Reduit Tilly und das Polizeimuseum im Turm Triva, die völlig unbeeindruckt von Napoleons Stippvisite in Ingolstadt die jüngste Zeit überstanden haben.

Zwei Kuratoren aus dem Haus sorgen nun dafür, dass die für den Franzosenkaiser einst geräumten Flächen wieder mit musealem Leben gefüllt werden. Daniel Hohrath betreut die Epoche nach dem Dreißigjährigen Krieg bis 1815, Kollege Tobias Schönauer die Zeit davor einschließlich des großen Religionskrieges, der in Ingolstadt mit der Legende um den Schwedenkönig Gustav Adolf und seinen Schimmel bekannte Spuren hinterlassen hat - davon erzählt aber das Stadtmuseum.

 

 


Das Armeemuseum bietet eine ganz andere Geschichte - auch eine ganz andere als früher. "Wir wollten nicht die alte Ausstellung überarbeitet bringen, sondern sie komplett neu aufbauen", beschreibt Tobias Schönauer das Konzept. Altbekannte Exponate wie das prächtige Türkenzelt des Großwesirs Suleiman wird es wieder zu sehen geben; aber in einem anderen Kontext, eingebettet in eine andere Szenerie.

In der Dürnitz etwa stößt der Besucher jetzt schon auf einen Wald mit 100 Stangenwaffen unterschiedlichster Form, die mit einem Lichtkonzept einen spannenden Schattenwurf an den prächtigen Deckenbögen erzeugen. Hier unten wird auf den ersten Schritten gleich die Frage beantwortet, was das Armeemuseum eigentlich ist, was 1879 zu seiner Gründung und zu seiner Umsiedelung 1972 nach Ingolstadt geführt hat. "Wir kommen aus den Zeughäusern", sagt Schönauer. Entsprechend sind die Waffen und der gerüstete Zeugwart (in einer Vitrine) mit die ersten Anblicke im Raum.

Im Erdgeschoss hält auch ein erstes Highlight der neuen ständigen Ausstellung in Form der dunklen "Schatzkammer" Einzug. Im Fünf-Eck-Turm an der Nordostseite werden Pretiosen ausgestellt und inszeniert. "Wir stehen für die Dinge in ihrer Einzigartigkeit, der schieren Seltenheit", beschreibt Direktor Reiß den Hang, die Ausstellungsstücke einfach selbst wirken zu lassen. Medienstationen wird man auch im neuen Armeemuseum (zunächst) vergeblich suchen, was einerseits dem genannten Grundsatz zum analogen Glanz geschuldet ist, andererseits natürlich auch die Antwort auf die finanzielle Frage.

 

 



"Natürlich hat es Zusatzmittel für die Neukonzeption gegeben", sagt Reiß, aber letztlich stemmen seine Mitarbeiter die wissenschaftlichen Überarbeitung und den Aufbau (mit etwas externer Hilfe auf der architektonischen Seite) selbst.

Ein großes Lob vom Chef verdienen sich jetzt schon die Herren aus den museumseigenen Werkstätten, die mit viel Erfindergeist und handwerklichem Geschick bildlich den Boden bereiten. Wie im ersten Obergeschoss, wo im Südflügel der Maler eingezogen ist und die Kästen und Tafeln dem Farbkonzept entsprechend vorbereitet.

Im ersten Stock soll im großen Saal, wo einst zum Beispiel das Türkenzelt stand, nun "Die Schlacht im großen Feld" anschaulich dargestellt werden. "Über 250 Jahre hat sich die Kriegsführung kaum geändert. Es war ein Kampf Auge in Auge", sagt Kurator Schönauer, der hier seine raren "Pappenheimer", wie die dunklen Reiterharnische genannt werden, wie noch nie zeigen möchte. In zwei kleineren angrenzenden Räumen soll es um die Belagerung und den "kleinen Krieg" (abseits der Front) gehen.

Natürlich wird es zu allen Ausstellungsstücken umfangreiche Informationen auf Schautafeln und anderen Trägern geben. "Sie sollen so gegliedert sein, dass sich der Besucher immer raussuchen kann, wie tief er einsteigen will", so Schönauer. Dabei führt das Museum die Zweisprachigkeit ein. "Wir informieren komplett auf Deutsch und Englisch", sagt Direktor Reiß. "Das ist einem Haus unserer Größe angemessen." Man ziehe auch ein internationales Publikum an.

Bis nach dem ersten Eröffnungsschritt Anfang Juni dann der zweite (mit dem Aufbau der ständigen Ausstellung für die nachnapoleonische Zeit bis zum Ersten Weltkrieg) im zweiten Obergeschoss folgt, wird es dauern. "Frühestens in ein bis zwei Jahre", so Reiß, werde dieser Schritt folgen. Man sehe den Aufbau der Dauerausstellung "bewusst als Prozess, der abschnittsweise läuft". Sie soll und wird dann auch auf Jahre hinaus zu sehen sein.

Buchvorstellung im Neuen Schloss

Ingolstadt (DK) Das Bayerische Armeemuseum und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg) laden ein zur Buchvorstellung "Günter Müchler: Napoleon.Revolutionär auf dem Kaiserthron" am Mittwoch, 3. April, um 18.30 Uhr im Neuen Schloss. Der aus einer korsischen Familie stammende Napoleon war als Kind der Französischen Revolution ebenso Gestalter wie auch Getriebener, getrieben von den Dynamiken einer Zeit und dem Aufbruch in die Moderne. In seinem Buch gelingt es Günter Müchler, ein facettenreiches und tiefschichtiges Bild einer ebenso faszinierenden wie widersprüchlichen Persönlichkeit an einer epochalen Zeitenwende zu entwerfen. Günter Müchler ist passionierter Frankreichkenner und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Französischen Revolution und Napoleon. Bis 2011 war er Programmdirektor von Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und DRadio Wissen.

Christian Rehberger