Ingolstadt
Mit dem Rollstuhl durch den Regenwald

Wie der 28-jährige Benni Over für den Schutz der Orang-Utans kämpft

19.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:42 Uhr
Menschenaffen liegen Benni Over am Herzen, ob aus Stoff - wie das Exemplar auf dem oberen Foto - oder in echt. Um Orang-Utans vor der Ausrottung zu schützen, tourt der 28-Jährige durch Deutschland. Jetzt war er auch in Ingolstadt, zusammen mit seinem Vater Klaus (Bild unten rechts). Dieser hatte dann auch die Aufgabe, Erinnerungsfotos zu schießen (unten links). −Foto: Over

Ingolstadt (DK) Wenn einen die großen, braunen Augen von Plakatwänden oder aus einem Zoogehege heraus anblicken, ist die Ähnlichkeit der intelligenten Tiere zum Menschen doch schnell erkennbar. "Ich habe den Orang-Utans in die Augen gesehen", erzählt Benni Over wehmütig. Er hatte einen von ihnen im indonesischen Dschungel sogar auf seinem Schoß sitzen. "Orang-Utans haben auch eine Seele", proklamiert er. Sein erklärtes Ziel ist es, die Menschenaffen vor der Umweltzerstörung zu schützen.

Auf der Kinderseite unserer DK-Beilage "Der Sonntag" haben wir Mitte September bereits über Benni berichtet. "Davon inspiriert, habe ich über den Verlag Kontakt zu Benni und seiner Familie aufgenommen", erinnert sich Gabi Gabler von der Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule in Ingolstadt. "Wir laden zwei Mal im Jahr interessante Autoren zu unseren Lesewochen ein und sind sehr froh, dass wir Benni dafür gewinnen konnten."

Das Faszinierende: Der 28-Jährige sitzt im Rollstuhl. Er leidet unter einer Muskeldystrophie des Typs Duchenne, das heißt, seine Muskelkraft lässt stetig nach. Trotzdem setzt sich der Hilfsbedürftige mit großem Herz für diejenigen ein, die sich selbst nicht helfen können. Anstatt sich seinem Schicksal hinzugeben, tourt Benni mindestens einmal pro Woche mit seinem Vater durch Deutschlands Schulen und hält Aufklärungs-Vorträge. So wie jetzt im April in der Ingolstädter Förderschule. Doch wozu dient dieser große Aufwand?

Weltweit werden pro Stunde Regenwälder in der Größe von 200 Fußballfeldern zerstört. Diese Vorgehensweise kann dramatische Folgen haben. Die Nachfrage von Palmöl für industrielle Zwecke ist derart groß, dass die in Südostasien beheimateten Orang-Utans vom Aussterben bedroht sind. Oftmals verlieren die Jungtiere bei brutalen und illegalen Rodungsaktionen ihre Mütter. Mit viel Glück werden die verwaisten, traumatisierten Organ-Utan-Kinder nicht gefangen genommen und ins Ausland geschmuggelt, sondern von Teams der Auffangstationen gefunden. Dort werden sie versorgt und großgezogen. Sind sie fit genug, können sie nach wenigen Jahren wieder ausgewildert werden, andere sind derart auf Hilfe von außen angewiesen, dass sie ihr Leben lang im Camp bleiben müssen.

Auch der Klimawandel wird durch die Abholzung verstärkt. Benni ist der Ansicht, dass Kinder wissen sollten, wie ihr eigenes Verhalten dazu beiträgt und was jeder für sich gegen die Zerstörung des Regenwaldes tun kann. Es geht hier schließlich um ihre eigene Zukunft. Kindgerecht hat er die Zusammenhänge dafür in ein von ihm selbst koloriertes Bilderbuch gepackt: "Henry rettet den Regenwald" handelt von einem jungen Orang-Utan, der die Menschheit dazu bewegen will, den tropischen Lebensraum zu erhalten. Daraus ist mittlerweile sogar ein 20-minütiger Zeichentrickfilm geworden.

Mit spürbarer Ernsthaftigkeit hängen die Kinder an den Lippen von Klaus Over, Bennis Vater. Er hat an diesem Vormittag in der Förderschule den Hauptredeanteil. Benni kann durch die künstliche Beatmung - die er mittlerweile braucht - nur noch schwer sprechen. Doch die Schüler sind alles andere als gehemmt. Ein engagierter Schüler lässt sich im Dialog sogar zu einem eigenen kleinen Beitrag hinreißen und bestätigt die Argumente der Umweltschützer. Er will auch auf Lebensmittel verzichten, die Palmöl enthalten.

Der Orang-Utan Henry spielt jedoch nicht nur im Buch eine wichtige Rolle für Benni. Er ist auch sein "Patenkind" und lebt wie die Figur im Buch in einer Auffangstation auf der Insel Borneo. Früh war klar: Die unheilbare Erbkrankheit hält den jungen Mann aus Rheinland-Pfalz nicht davon ab, sich selbst ein Bild von Henrys Situation zu machen. Einmal wurde Benni sogar samt Rollstuhl von vier Männern durch den indonesischen Dschungel getragen, als die Wege vor Ort zu schlammig waren. Der beschwerliche Weg in ein Urwalddorf hatte sich jedoch gelohnt. Benni wurde in seinem Ziel, den Regenwald zu retten, nur noch mehr bestärkt.

Bei diesen Abenteuern ist es kein Wunder, dass die Kinder noch lange nach dem offiziellen Teil des Vortrags viele Fragen stellen. Mit unerwarteter Selbstverständlichkeit sitzen sie neugierig um Benni und seinen Rollstuhl herum auf dem Boden, lauschen den Erzählungen, malen ihm Bilder oder werfen einen ersten Blick in ihr frisch erworbenes Buch über Henrys affenstarke Geschichte.

Katharina Wirtz