Ingolstadt
"Es war eine extrem intensive Zeit"

Christine Haderthauer scheidet ohne Wehmut aus dem Landtag - 2020 ist auch im Stadtrat Schluss

11.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:56 Uhr
CSU-Politikerin Christine Haderthauer legt ihr Mandat nieder. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Wenn Ministerpräsident Markus Söder heute sein neues Kabinett vorstellt, wird das eine Frau entspannt aus der Ferne verfolgen, die viele Jahre lang Teil der Staatsregierung war: Christine Haderthauer gehört dem Landtag nicht mehr an, die Ingolstädterin will sich wieder ihrem Beruf als Rechtsanwältin widmen. Auch für den Stadtrat werde sie 2020 nicht mehr kandidieren, erklärt sie im Gespräch mit dem DK. Dann ist endgültig Schluss mit der Politik.

Als Alfred Grob und die anderen Kandidaten für Land- und Bezirkstag am Abend des 14. Oktobers im Ingolstädter CSU-Haus bejubelt werden, ist seine Vorgängerin als Stimmkreisabgeordnete in München. "Ich habe mir die Freiheit genommen, den Abend nicht in Ingolstadt zu verbringen", sagt Christine Haderthauer. Sonst sei sie immer in irgendwelche Zwänge eingebunden gewesen, jetzt, ohne Mandat, habe sie den Ausgang der Wahl mit den Kollegen in der Landeshauptstadt verfolgen können. Später sei sie dann aber natürlich noch nach Ingolstadt gefahren, um Grob persönlich zu seiner Wahl und "einem guten Ergebnis" zu gratulieren.

So wie an diesem Abend, so hatte sich die CSU-Politikerin, die 15 Jahre lang im Landtag war, schon im Ingolstädter Wahlkampf rar gemacht. Sie erklärt das als bewusste Maßnahme, um nicht als "deutlich bekanntere und populärere Politikerin" von dem eigentlichen Kandidaten abzulenken. Andere im CSU-Kreisverband interpretierten das eher als Enttäuschung, weil sie nicht mehr den Rückhalt in der Partei hatte.

Sie habe das gar nicht so mitbekommen, sagt Haderthauer. Die Führung des Kreisverbandes habe ihr jedenfalls versichert gehabt, sie als Kandidatin zu wollen. Doch sie habe sich selbst gegen eine erneute Kandidatur entschieden - was sie im Herbst vergangenen Jahres ein paar Tage nach der Bundestagswahl auch in einer Erklärung bekanntgab. Sie sei zu dem Entschluss gelangt, dass es an der Zeit sei, "noch einmal etwas anderes zu machen", hatte Haderthauer erklärt. Und sie sei sich auch bewusst, "dass ich nie eine ,100-Prozent-Zustimmungsperson' gewesen bin". Sie wisse, dass einige im Kreisverband mit der "gschnappigen zugroasten Preißin" nie warmgeworden seien - sie sich aber auch im Zweifelsfall immer auf die Ingolstädter CSU habe verlassen können.

"Wenn ich hätte weitermachen wollen, hätte ich mich die Jahre davor auch anders verhalten, aber da hatte sich ein Teil von mir schon verabschiedet", sagt die CSU-Politikerin jetzt. "Und sowas merkt die Basis auch."

Vergangene Woche endete ihre Zeit als Landtagsabgeordnete. Es war ein leiser Abschied. Anders als ihr Rücktritt 2014 als Staatskanzleichefin. Einige hatte Haderthauer nach ihrer Zeit als CSU-Generalsekretärin (2007 bis 2008) und anschließend als Sozialministerin (2008 bis 2013) sowie als Leiterin der Staatskanzlei schon für noch höhere Aufgaben qualifiziert gesehen. Doch mit der Modellbau-Affäre, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte, endete ihre Karriere abrupt: Sie und ihr Mann waren bis 2008 Miteigentümer der Firma Sapor Modelltechnik, die von Straftätern in der Psychiatrie gebaute Modellautos verkaufte, wobei die Politikerin zu wenig Steuern gezahlt haben soll und einen entsprechenden Strafbefehl akzeptierte. Viele hatten sie in der Affäre auch wegen ihres öffentlichen Umgangs damit kritisiert.

Ob sie in der Rückschau etwas anders machen würde? "Nein, wenn du im Tsunami bist, hilft kein Krisenmanagement", sagt Haderthauer. "Aber das Thema ist auch durch, da spreche ich nicht mehr drüber."

Die Politikerin, die gestern ihren 56. Geburtstag feierte, räumt ein, dass ihr Weg ohne die Affäre anders verlaufen wäre: "Es ist völlig klar, dass ich als amtierende Ministerin, die ich dann ja noch gewesen wäre, nicht einfach gesagt hätte, ich trete nicht mehr an." Dafür habe ihr die Arbeit zu viel Spaß gemacht. Sie habe an vorderster Front die Mütterrente mitkonzipiert, ebenso das Betreuungsgeld, für Digitale Gründerzentren auch außerhalb von München und Nürnberg gekämpft, wodurch die Standorte Ingolstadt und Manching erst möglich wurden, die Erweiterung der THI mit vorangebracht - und bei zahlreichen Auftritten im Fernsehen und in Bierzelten für ihre Politik geworben.

Aber sie hätte, so sagt sie, wohl so oder so ein paar Gänge zurückgeschaltet. Irgendwann merke man, dass einen die belastenden Dinge stärker nervten, die Fremdbestimmtheit, das Abgeschnittensein von Familie und Freunden. "Es war eine extrem intensive Zeit, so wie ich es betrieben habe, mit einer ganz hohen Präsenz in der Partei auch in der Ministerzeit", sagt Haderthauer. "Irgendwann hast du das Gefühl, da zieht dein Leben an dir vorbei."

Bei der ersten Autofahrt nach ihrem Rücktritt als Ministerin habe sie tatsächlich grinsen müssen - "weil ich es so genossen habe, wieder alleine im Auto zu sein". Und jetzt freue sie sich auf einen kompletten Neuanfang. Probleme, von der Politik zu lassen, habe sie nicht. "Mir kommt da zugute, dass ich mich als Frau nicht nur über meinen Job definiere. Bei den Männer ist das immer ein bisschen anders."

Vereinzelt nehme sie schon wieder Aufträge als Rechtsanwältin an, aber sie wolle sich noch einige Monate ein bisschen Freiheit bewahren. "Das hatte ich noch nie. Ich habe meine Kinder schon während des Studiums gekriegt - ab da ging es immer Fullpower voran", sagt Haderthauer.

Zu ihrer Neuorientierung gehört auch ihre Stadtratstätigkeit - seit 2002 sitzt sie in dem Gremium: "Ich werde 2020 nicht mehr antreten", sagt die 56-Jährige. "Das, was ich jetzt beruflich mache, ist hauptsächlich Beratung. Und das lebt von höchster Diskretion. Und ein politischer Mensch, der in der Öffentlichkeit steht - das passt für mich damit nicht zusammen."

 

Thorsten Stark