Ingolstadt
"Falcos Song war ausschlaggebend"

Disco-Wirt Martin Tomiak blickt zurück auf 30 Jahre Amadeus - ans Aufhören denkt er aber nicht

12.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:37 Uhr
Disko mit Geschichte: So wie Anfang der 1990er-Jahre (oben) wird auch heute noch im Amadeus von Martin Tomiak (unten) gefeiert. So mancher Stammgast, der ihm vor zehn Jahren zum 20-jährigen Bestehen seiner Discothek gratuliert hat (ganz unten), kommt auch heute noch gerne. −Foto: Brandl/Dorn/Hauser/Rössle

Ingolstadt (DK) Stammgäste nennen es auf gut bairisch das "Amal" oder schlicht das "Deus", wenn sie vom Amadeus reden. Dieses Jahr wird die bekannte Rockdiscothek im früheren Koboldkeller 30 Jahre alt. Ans Aufhören denkt Wirt Martin Tomiak aber noch nicht - zumindest sicher nicht in den nächsten fünf Jahren.

Die Toten Hosen seien schon da gewesen, der Comic-Zeichner und Werner-Erfinder Brösel alias Rötger Feldmann habe sich einmal unter die Gäste gemischt, nur der Mann, der dem Namensgeber von Ingolstadts legendärer Rockdiscothek 1985 mit dem Rap-Hit "Rock me Amadeus" aus der Wiener Klassik heraus in den Pop-Olymp verhalf, hat sich offenbar nie dorthin verlaufen, da ist sich Amadeus-Wirt Martin Tomiak ziemlich sicher. "Nein, Falco war nicht hier", antwortet er auf die Frage hin. Dabei hat Tomiak dem Wiener Ausnahmemusiker mit Weltkarriere, die 1998 in der Karibik ein tragisches Ende fand, durchaus ein Denkmal gesetzt, als er seinen Rockkeller nach dem Salzburger Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart benannte. "Falcos Song war dafür ausschlaggebend, denn er ist bis heute die einzige deutschsprachige Single, die Nummer eins in den US Billboard-Charts war", sagt Tomiak.

Die Nummer eins will auch er im Amadeus bleiben, wie er versichert. "Ich habe vor, den Mietvertrag zum 1. Juli um fünf Jahre zu verlängern." Der Job, mit den Gästen zu reden - das alles mache ihm nach wie vor Spaß. "Auch wenn man sich nach 30 Jahren vielleicht mal Gedanken übers Aufhören macht", ergänzt er. Der studierte Maschinenbauer und ausgebildete Tontechniker stammt gebürtig aus dem Münchner Osten. Ab seinem 18. Lebensjahr habe er in der Gastronomie und als DJ gearbeitet, erzählt er. Auf die Idee, sich mit einem eigenen Laden selbständig zu machen, sei eigentlich sein Kollege Jakob gekommen. Die beiden machten sich Anfang 1989 nach Ingolstadt auf und wurden schnell fündig. Nachdem sie sich zwei Lokale angeschaut, diese ihnen aber nicht zugesagt hatten, wurden sie quasi "im Vorbeigehen" auf das Kellerlokal im Koboldbräu in der Ingolstädter Altstadt aufmerksam. "Wir haben Musik gehört, sind reingegangen, aber es war nur wenig los", erinnert sich Tomiak. Der Mietvertrag sei gerade am Auslaufen, erfuhren sie. Also hätten sie im Februar unterschrieben und sich an den Umbau gemacht. "Im Mai 1989 war die Eröffnung", so der 53-jährige Wirt, der neben dem Amadeus noch das Dasda und das Bogartz in Eichstätt betreibt.
Was aus 30 Jahren in Erinnerung geblieben ist? "Viele bekannte Gesichter, die ich immer noch auf der Straße treffe", sagt er schmunzelnd, bevor es fast ein wenig zu romantisch wird für Auszüge aus der Chronik einer Alternative-Discothek: "Wir hatten hier mehrere Heiratsanträge und auch mehrere Bräute in voller Hochzeitsausstattung", berichtet Tomiak. Die Frauen hätten sich im Hochzeitskleid an der jeweiligen Bar fotografieren lassen, an der es "gefunkt" habe - als bleibende Erinnerung an den Beginn der großen Liebe. Das Gute am langen Wirte-Dasein hat Tomiak für sich selbst auch rasch herausgefunden: "Man wird nicht älter im Kopf", sagt er. "Wenn ich heute 50-Jährige sehe, dann sehe ich oft ältere Menschen vor mir."

Über die Stadtgrenzen hinaus in die Schlagzeilen geriet das Lokal, als es im April 2015 nach mehreren massiven Vorfällen Asylbewerbern den Zutritt verwehrte. Zu solchen Maßnahmen soll das Amadeus zwar nicht alleinig gegriffen haben, sein Chef jedoch stellte sich der öffentlichen Diskussion. Für das als besonders liberal geltende Lokal, in dem auch die linke Szene verkehrte, seinerzeit ein absolutes Novum. "Am Anfang war das ganz cool mit den neuen Gästen, dann ist das Ganze aber schnell eskaliert", sagt Tomiak heute und nennt Beispiele für Schlägereien und Übergriffe auf weibliche Gäste. Nach Silvester 2014 sei man sich deshalb einig gewesen, dass es so nicht weitergehen könne. Tomiak habe sich damals unter anderem vom Afrikaverein Rat eingeholt, die Aktion Disco-Paten wurde ins Leben gerufen, die jedoch schon bald darauf obsolet geworden sei. "Die Lage hatte sich schnell wieder entspannt, wir kannten ja unsere Kandidaten", so Tomiak. Inzwischen arbeiteten Flüchtlinge sogar für ihn.

Und wie hat sich das Ausgehverhalten junger Leute verändert? "Es gibt einen Abschwung, und zwar seit der Einführung des Rauchverbots, des G8 und des Bachelors", sagt er und meint damit die gestiegenen Leistungsanforderungen (das G8 ist mittlerweile in Bayern wieder abgeschafft, Anm. d. Red.). Hinzu komme, dass es weniger junge Leute gebe und die Menschen verunsichert seien wegen der vielen Angstmeldungen. Diese fänden ihren Weg heute schnell über die verschiedenen Kanäle und Plattformen wie Online- und Soziale Medien und erreichten so viele Adressaten. "Und Menschen kennen lernen, das kann man heute auch übers Internet", sagt er. Ausgehen müsse dazu niemand mehr. Bis 1997 habe das Lokal noch täglich geöffnet gehabt. Heute sei donnerstags, freitags, samstags und vor Feiertagen geöffnet. Mit dem Geschäft sei er aber nach wie vor zufrieden. Für ihn gebe es ohnehin keinen besseren Platz als in der Diskothek - vor allem dann, wenn man sich beim Feiern sicher fühlen möchte. "Hier ist die Security immer in Rufweite", sagt er. Und statt virtueller Party gebe es richtigen Spaß.
 

Michael Brandl