Ingolstadt
Schulschließung wegen Corona-Krise: Staatliches Schulamt Ingolstadt appelliert an die Eltern

Schulrat Franz Wagner: "Eine knallharte, aber richtige Maßnahme"

13.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:10 Uhr
Schulrat Franz Wagner. Das Staatliche Schulamt Ingolstadt ist die Dienstaufsichtsbehörde für die 25 Grund- und Mittelschulen in Ingolstadt. Wagner hält die Schutzmaßnahmen für richtig. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Es ist ein historischer Tag für die Schulen und Kindertagesstätten in Bayern. Ein Tag, den niemand jemals hatte erleben wollen. Im Staatlichen Schulamt Ingolstadt, die Aufsichtsbehörde für die 25 Grund- und Mittelschulen der Stadt, bewältigt man diesen Freitag „sehr angespannt“, berichtet Schulrat Franz Wagner am Vormittag.

 

Er hat kurz nach 9 Uhr die Pressekonferenz mit Kultusminister Michael Piazolo verfolgt,   mitnotiert und  sofort einen „Notbrief“ für die Eltern  verfasst, der am  selben Tag   verteilt werden sollte. Denn wenn ab Montag alle  Schulen wegen des Corona-Dramas geschlossen sind, „wird es mit der Information schwieriger“. 

Wagner   fasst die entscheidenden Punkte  der ministeriellen Anordnungen zusammen: Ja, es wird für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 in den Schulen „Notgruppen“ zur Betreuung von Schülern geben, aber nur – und das betont der Schulrat  auf das Deutlichste – ausschließlich für Kinder,  deren Vater und Mutter in für die Infrastruktur  „systemrelevanten Berufen“ arbeiten, also Gesundheit,  Pflege, Soziale Dienste,  Feuerwehr, Rotes Kreuz, ÖPNV, Energie, Wasserversorgung,    Telekommunikation und weitere. Alleinerziehende mit  „systemkritischen  Berufen“ (so Piazolo) können ihre Kinder ebenfalls in  die Notgruppen geben. Alle anderen Eltern müssen sich selbst  um die Betreuung   kümmern. Die Schulen werden da streng sein. „Das ist eine knallharte Entscheidung, aber es geht nicht anders“, sagt Wagner. „Es ist unsere einzige Chance, die Ausbreitung des Virus zu verzögern und Zeit zu gewinnen. Wir haben auf diese Maßnahmen gehofft und sind froh, dass Bayern jetzt reagiert!“ 

Am Montag brechen „keine vorgezogenen Osterferien an“,  sagt der Schulrat (die beginnen am 6. April). „Es findet nur kein Unterricht statt.“ Die Schüler werden dazu aufgefordert, sich zu Hause mit dem Stoff zu beschäftigen, der  gerade  ansteht. Dazu sollen auch vom Kultusministerium online Materialen bereitgestellt werden.   Details stehen noch nicht fest. 

Die Schulen dürfen laut  Piazolo in den nächsten Wochen  von Schülern und Eltern nicht betreten werden.  „Auch das ist eine harte  Aussage, aber sinnvoll“, sagt   Wagner. Er appelliert an die  Eltern, in dieser  Krisensituation verantwortungsvoll zu handeln: „Die ganzen Maßnahmen bringen nichts, wenn man sich persönlich falsch verhält.“ Es sei  jetzt essenziell, die sozialen Kontakte auf das Nötigste zu beschränken. Wenn   sich Schüler in den unterrichtsfreien Wochen  etwa „in großen Gruppen im  Westpark treffen, brauche ich keine Schulen   schließen“.

Es komme  nun vor allem auf drei Tugenden an: Verantwortung,  Solidarität  und Zusammenhalt. „Wenn wir diese Krise bewältigen wollen, müssen wir alle  an einem Strang ziehen“, sagt Wagner. Und  fügt an: „Es hilft   ja nix. Wir können nicht nur  Panik schieben.“ 

Schulen jeder Art werden ab Montag geschlossen, inklusive Berufsschulen. Und ebenso alle Krippen, Kindergärten, Horte und weiteren Tagesstätten.  Bis vorerst Sonntag, 19. April, sind die Einrichtungen zugesperrt.   Auch in den Kitas gelten die Regeln für die Notfallbetreuung: Anspruch darauf haben nur Kinder,  deren Vater und Mutter  in den bereits erwähnten systemrelevanten  Bereichen  arbeiten; es gibt keine Ausnahmen. 

Der Anspruch auf  Notfallbetreuung muss von den Arbeitgebern beider Elternteile spätestens bis Dienstag, 17. März,  schriftlich bestätigt werden.  So steht es auf einem Infoblatt  des bayerischen Sozialministeriums, das jetzt online ist.  Weiter heißt es da: „Bei Alleinerziehenden genügt es, wenn der alleinerziehende Elternteil zur genannten Gruppe gehört.“

Am Freitagnachmittag gibt es auf einer Pressekonferenz der Stadt Ingolstadt genauere  Auskünfte.  So soll pro Kita eine Notgruppe eingerichtet werden, in der die Kinder von  8 bis 15 Uhr  betreut werden. „Wir müssen die Zeit einschränken und gemischte Gruppen vermeiden, um die Kontakte zwischen den Kindern zu minimieren“, sagt Heike Marx-Teykal. Sie bittet alle  Eltern mit Anspruch auf Notbetreuung der Kinder, gleich am Montag eine Bescheinigung des Arbeitgebers oder ihren Ar-beitsvertrag mitzubringen, um nachzuweisen, dass sie systemrelevant beschäftigt  sind.   „Dann  müssen wir nicht jeden Einzelfall  im Interview klären.“  

Gegen Mittag erhält Edith Philipp-Rasch die detaillierten Ausführungsbestimmung des Kultusministeriums. Die Direktorin des Reuchlin-Gymnasiums und Sprecherin der Ingolstädter Gymnasialleiter gehört auch der  Koordinierungsgruppe für die Corona-Krise an. München habe nun  eindeutig verfügt: Jede Schule entscheidet selbst, wie sie in der Zeit der Schließung den Verwaltungsbetrieb aufrechterhält und die Schüler per E-Mail und die (derzeit jedoch überlastete) staatliche Lernplattform   mebis unterrichtet. Die Schulleiter teilen auch ein, welche Schüler  in die Betreuungsgruppen dürfen  und welche nicht. „Die Voraussetzungen sind eindeutig“, sagt Philipp-Rasch. Beide Elternteile  oder Alleinerziehende müssen „in Bereichen der kritischen Infrastruktur arbeiten“. 

Kinder werden bis zur 6. Jahrgangsstufe betreut (zwischen 8 und 13 Uhr), es steht aber noch nicht fest wo, weil die Schulen von Eltern und Schülern nicht betreten werden dürfen (von Lehrern und Verwaltungsmitarbeitern schon). „Es gibt noch einige Details zu klären“, sagt Edith Philipp-Rasch – auch , wie es um das Ende April beginnende Abitur stehe. „Die Schulen stehen untereinander in regem Kontakt.“ Ebenso mit dem Ministerium. „Ich sehe es als meine oberste Aufgabe, intensiv zu kommunizieren. Aber nur,   wenn es Gewissheit     gibt. Wir verbreiten keine Gerüchte.“

Im Reuchlin bereitet man sich  seit Montag auf virtuellen Unterricht in den Kernfächern vor. Die Schüler sind dazu angehalten,  neue E-Mail-Adressen anzulegen, damit beim Austausch  der Aufgaben und der Kommunikation mit den Lehrern „Schulisches und Privates nicht durcheinandergerät“.    
Man sei „angespannt, aber handlungsfähig“, so beschreibt die Direktorin die Atmosphäre im Kollegium. „Auch  alle  Schüler sind  sich  dessen bewusst, dass   gerade etwas  sehr Ernstes passiert. Sie sind bedrückt.  Es herrscht    keine Trauerstimmung, aber auch kein Jubel der Art: ,Juhu, wir haben   länger Ferien!’.“  Es bestehe die  Pflicht, zu Hause für die Schule zu lernen.

Dorothea Soffner ist die Geschäftsführerin der   Privaten Wirtschaftsschule und  Tilly-Realschule.  Dort werden die Schüler künftig digital unterrichtet, sagt sie – mit Hilfe einer Cloud. Am Freitag hat die Schule alle Hände voll damit zu tun, Eltern zu informieren, dass die Schüler zu Hause bleiben müssen. „Das heißt aber nicht: ,Hurra! Fünf Wochen kein Schule‘“, sagt Soffner. Die Maßnahme hält sie für überfällig. „Ich sehe jeden Tag, dass Kinder andere Hygienevorstellungen haben. Die Kinder sitzen zudem auf engstem Raum.“ 
 

Christian Silvester