Ingolstadt
Kino mit Känguru

Corona-Lockerungen: Seit Donnerstag dürfen die Lichtspielhäuser wieder öffnen - ein Besuch im Cinema

21.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:26 Uhr
Auch an der Kinokasse gilt natürlich die Mundschutzpflicht. −Foto: Brandl

Ingolstadt - Im Mittelalter hält gerade die Pest das Volk in Atem, in Berlin träumt währenddessen ein vorlautes Känguru von einer autonomen Gesellschaft.

 

Und in Ingolstadt? Da schüttet es am Samstag urplötzlich und immer wieder wie aus Kübeln. Die Altstadtwirte dürfte das ordentlich geärgert haben. Vor den Altstadtkinos hingegen, die seit Donnerstag im Zuge der Corona-Lockerungen wieder öffnen dürfen, bildet sich am Abend eine kleine Schlange aus Menschen. Sie sehnen sich ganz offensichtlich nach Abwechslung vom Pandemie-Alltag. Einige von ihnen tauchen dafür ab ins Zeitalter finsterer klösterlicher Demut, andere begeben sich in die aberwitzige Gesellschaft eines kommunistisch angehauchten Beuteltiers.

Biergartenwetter gibt es schließlich ab Sonntag wieder, mögen die Leute sich denken. An diesem Samstag lassen sie sich lieber den Duft frischen Popcorns um die Nase wehen. Rund 40 zahlende Besucher sind es insgesamt, als die Filme im Cinema an der Manggasse kurz vor acht Uhr ein letztes Mal an diesem Abend beginnen. Gerd, der mit seiner Frau Monja das Kino besucht, hat von Bierbank und Brotzeit auf Sicherheitsabstand inzwischen eh genug: "Bis jetzt konnten wir ja nur ein Bier trinken und etwas essen gehen", sagt er nach drei Monaten Kinoentzug. Das verfilmte Hesse-Drama "Narziss und Goldmund" steht heute zur Wahl, ebenso wie die schräge Revoluzzer-Komödie "Die Känguru-Chroniken". Das Paar, das mit den Fahrrädern unterwegs ist und eigentlich aus dem seit Corona-Zeiten wohlbekannten Heinsberg stammt, bevorzugt heute "leichte Kost", wie es sagt. "Wir sind große Kinofans, mögen kleine alte Kinos, und haben uns heute bewusst für die Komödie entschieden. Wir schauen aber auch gerne mal etwas Ernstes", ergänzen die Durchreisenden, die im Lauf der Woche weiter nach Regensburg wollen.

Theaterleiterin Carolin Schmalzl öffnet inzwischen den Ausgang im Erdgeschoss. Gleich kommen die Besucher der Nachmittagsvorstellung aus dem Saal. Unter ihnen ist Alex. "Ganz normal" sei der Kinobesuch für ihn gewesen. Geschaut habe er "ohne Maske", wie er sagt. Das darf er, wie Schmalzl bestätigt. "Eigentlich müsste jeder die Maske tragen, da aber fast jeder etwas zum Verzehren kauft, darf der Schutz beim Snacken und Trinken abgesetzt werden", erklärt sie. Britta war mit Freunden in der Vorstellung. "Das Reinkommen war etwas umständlich, aber Hauptsache, man darf wieder ins Kino", sagt sie gut gelaunt. Die Gruppe, die das Filmvergnügen in Gesellschaft anderer Besucher sichtlich genossen zu haben scheint, nimmt sich noch einen Lokalbesuch vor. Die Altstadtwirte kommen demnach doch noch zu ihrem Recht.

 

Bis zu 50 Personen darf Schmalzl in den großen Saal lassen. Mehr geht wegen der einzuhaltenden Abstandsregeln nicht. "Am ersten Tag war alles noch ungewohnt", räumt sie ein. Unter anderem habe sie den Tisch, an dem die Besucher ihre Kontaktdaten eintragen, noch einmal umgestellt, damit der Einlass reibungsloser funktioniert. "Das Feedback ist aber durchweg positiv. Die Leute freuen sich. Kino ist für sie ein Schritt in die Normalität", so ihr Fazit nach drei Tagen. Tatsächlich klappt alles sichtlich gut. Nur selten muss Schmalzl am Eingang eingreifen, etwa, wenn zu viele Besucher auf einmal ins Foyer wollen. Verständnis dafür zeigt jeder von ihnen aber unverzüglich und tritt ein paar Schritte zurück.

Die großen Säle wirken, mit nur wenigen Zuschauern besetzt, etwas trist - großes Kino fühlt sich freilich anders an. Die Leute stört das aber offenbar kaum, vor allem dann nicht, wenn sie in Gesellschaft kommen und sogar nebeneinander sitzen können. "Die Kunden wissen, was auf sie zukommt", sagt Mitarbeiterin Elena. Viele hätten, was die Richtlinien angeht, außerdem Erfahrungen von ersten Restaurantbesuchen, ergänzt Schmalzl. "Sie sind das gewohnt", sagt sie.

Gewöhnungsbedürftig mag auch der leicht scharfe Geruch nach Desinfektionsmittel sein, der den Gästen im Treppenaufgang zum oberen Saal in die Nase steigt und damit allmählich den süßen Duft nach Popcorn vertreibt. Das Personal nimmt die Hygienevorschriften im Haus ernst. "Die Theke wird jede halbe Stunde gewischt", versichert Schmalzl. Bedient werde zudem nur mit Maske und hinter einer Trennscheibe. Durch Corona sei alles "stressiger geworden", sagt sie. Die Einarbeitung ins Regelwerk sei anspruchsvoll gewesen. Um die Mitarbeiter vor einer unnötigen Infektionsgefahr zu schützen, arbeite man aktuell zudem mit einem "Minimum an Personal". Unter normalen Umständen könne der Samstag sonst aber von einer Kraft bewältigt werden. Es sei der bisher stärkste Besuchertag, stellt Schmalzl fest. Und das, obwohl derzeit kaum Premieren stattfänden.

Die meisten Filme im Programm seien schon im März - also vor Ausbruch der Krise - angelaufen. "Es steigert sich trotzdem von Tag zu Tag", so Schmalzl, die sich schon auf die Sneak-Preview am Montag freut. "Es haben schon viele Stammkunden angerufen", erzählt sie. Fest steht freilich, dass dann kein Känguru auf der Leinwand frotzeln wird.

DK

Michael Brandl