Ingolstadt
"Jeder Fall wird individuell beleuchtet"

Gesundheitsämter wenden neue, verschärfte Quarantäneregeln an, entscheiden aber immer nach eigenem Ermessen

16.04.2021 | Stand 21.04.2021, 3:33 Uhr
Astrid Grundbrecher, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes. −Foto: Rössle

Ingolstadt - Die Bestimmung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist neu, von enormer Tragweite - aber noch weithin unbekannt.

 

Am 1. April trat eine verschärfte Kontaktregel in Kraft, die es in sich hat. Demnach muss jede Person, die in einem Raum eine bestimmte Zeit lang Kontakt mit jemandem hatte, der oder die positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, für 14 Tage in Quarantäne - auch dann, wenn alle den Mindestabstand von 1,50 Meter gewahrt und konsequent FFP2-Masken getragen haben. Geimpfte sind davon ausgenommen.

Das RKI hat dafür den neuen Terminus "enge Kontaktperson" eingeführt, er ersetzt die Kategorien "Kontaktperson 1 und 2". Als "enge Kontaktpersonen" gelten nach der RKI-Definition alle, die ohne Schutzmaske länger als zehn Minuten sowie näher als eineinhalb Meter Kontakt mit einem Infizierten hatten oder mit dieser Person ohne Masken ein auch nur kurzes Gespräch sehr nah geführt haben - oder wenn sie sich länger als zehn Minuten mit einem infizierten Menschen "im selben Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole" befunden haben - selbst wenn sie die ganze Zeit eine Maske getragen und genug Abstand gehalten haben.

Hat diese verschärfte Kontaktregel schon in Ingolstadt Anwendung gefunden? Astrid Grundbrecher, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts, sagte am Freitag auf Anfrage: "Ja, wir machen das. " Die neue Allgemeinverfügung sei die Grundlage bei der Kontaktermittlung nach Infektionen. Sie fügt aber hinzu: Man dürfe sich von den Formulierungen des RKI "nicht abschrecken lassen, denn das Gesundheitsamt besitzt seinen eigenen Ermessensspielraum. Gesundheitsbehörden nehmen immer eine eigene Risikobewertung vor. Jeder Fall wird individuell beleuchtet. Es leitet sich daraus kein Automatismus ab. "

Astrid Grundbrecher nennt ein Beispiel: "Angaben neutraler Dritter sind gut. " Bestätigt jemand etwa, dass ein Raum, in dem Personen einem Infizierten begegneten, gut gelüftet wurde, oder dass anderes in der Konstellation eine Rolle spielte, müsse nicht zwingend die Quarantäne für alle Anwesenden angeordnet werden. Sei die Begegnungssituation jedoch "nicht überschaubar", also nur noch schwer zu rekonstruieren, sollen die Gesundheitsämter "eine schärfere Beurteilung anwenden", so die Medizinerin. Aber sie wiederholt: Ein Gesundheitsamt entscheide immer nach eigenem Ermessen.

Die strenge Kontaktregel ist Grundbrecher zufolge in Ingolstadt schon vollzogen worden. "Wir haben Fälle in Schulen, aber nicht viele. " Von betroffenen Unternehmen ist ihr - so weit es zu überblicken ist - noch nichts bekannt. Für die Familien ändere sich sowieso nichts. Da sind immer alle betroffen, wenn sich ein Angehöriger ansteckt - und müssen in häusliche Quarantäne.

Eine weitere Passage im Regelwerk des RKI wirft Fragen auf: "Ein negatives Testergebnis jedweden Tests während der Quarantäne hebt das Gesundheitsmonitoring nicht auf und ersetzt oder verkürzt die Quarantäne nicht. " Demnach müssen "enge Kontaktpersonen" auch dann 14 Tage zu Hause bleiben, wenn sie nach der Begegnung mit dem oder der Infizierten negativ auf das Corona-Virus getestet wurden. "Das ist so", bestätigt Astrid Grundbrecher. "Eine Freitestung ist nicht möglich. Entscheidend ist das Testergebnis am Tag 14 der Quarantäne, das brauchen wir. " Dann sei die Inkubationszeit mit Sicherheit abgelaufen. Die mittlere Inkubationszeit liege bei fünf bis sieben Tagen. Sie könne aber auch länger dauern. "Lässt man sich zum Beispiel am siebten Tag testen, kann es sein, dass sich das Virus noch nicht so vermehrt hat, dass man es zweifelsfrei erfassen kann. " Deshalb sei diese Bestimmung sehr sinnvoll.

sic