Ingolstadt
Abwechslung im grauen Corona-Alltag

Die Pandemie belastet die Senioren in den Heimen zusehends - doch allmählich kehrt etwas Normalität ein

18.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:09 Uhr
Etwas Volksfeststimmung wollten Marie und Ludwig Daufratshofer (hier mit Hund Fussel), Florian Straub und Bernd Rachner vom Förderverein Heilig-Geist-Spital-Stiftung, Jeanette Scherrle und Tobias Off von der Jungen Union (von links) zu den Senioren ins Spital bringen. Mit der Rikscha wurde ein Teil der Volksfest-Brotzeit vom Daufratshofer-Stand in der Ludwigstraße in die Fechtgasse transportiert. Der Rest kam mit dem Auto. Im Spital freuten sich Bewohner wie Sofie Rachner (Foto unten) auf die Brotzeit. −Foto: Stückle, Heilig-Geist-Spital

Ingolstadt - Theodor Scherrle hat extra Spezialmandeln mit wenig Zucker geröstet.

 

"Die sind ganz weich", sagt seine Frau Jeanette. Gebrannte Mandeln, Magenbrot und eine klassische Volksfest-Brotzeit mit Allgäuer Emmentaler und frischen Brezen, die Ludwig Daufratshofer in seinem "Volksfest-to-go-Stand" in der Ludwigstraße für 84 Bewohner und 30 Pflegekräfte des Heilig-Geist-Spitals abpackt, sollen Abwechslung in den coronabedingt getrübten Alltag der Bewohner bringen. Normalerweise hätten die Bewohner des Spitals zusammen das Pfingstvolksfest besucht. Doch das ist bekanntlich ausgefallen. So brachte der Förderverein Heilig-Geist-Spital-Stiftung mit Unterstützung Daufratshofers und Scherrles ein wenig Volksfestatmosphäre ins Heim.

Mit der vom Förderverein durch Spenden erworbenen Rikscha sollen eigentlich Heimbewohner durch die Stadt gefahren werden. Auch das ist momentan coronabedingt nicht möglich. Stattdessen diente das Gefährt am Mittwoch dem Transport der Volksfest-Brotzeiten zum Spital, wo sie von Pflegedienstleiterin Monica Virtanu und Jutta Quante vom Sozialdienst entgegengenommen und an die Senioren verteilt wurden.

Auch die 98-jährige Sofie Rachner freute sich über die Abwechslung. Ihr Sohn Bernd engagiert sich im Vorstand des Fördervereins, der die Volksfest-Brotzeit organisiert hat. "Die Senioren sind allein und können nicht raus", so Vorsitzender Florian Straub. Da habe man einfach für etwas Ablenkung sorgen wollen. Wie stark die Senioren und auch deren Angehörige unter den, wie der Förderverein betont, notwendigen Corona-Maßnahmen leiden, hat Bernd Rachner selbst erfahren. Als er nach wochenlanger Besuchssperre seine Mutter - sie ist mit 98 im Grenzbereich zur Demenz - zum ersten Mal wieder besuchen durfte, hatte er "vom Bauch her ein ungutes Gefühl", erzählt Rachner. Ob sie ihn erkennt? Wie wird sie reagieren?

Seine Mutter hat ihn erkannt - wenn auch sehr spät. Auf jeden Fall hat sie sich gefreut über den Besuch. Gerne hätte er ihre Hand genommen und sie gestreichelt. Doch körperlicher Kontakt und Berührungen sind derzeit nicht möglich. Umso wichtiger sei es, anderweitig Leben ins Pflegeheim zu bringen, so Rachner. Durch Hofkonzerte etwa, oder eine Lockerung der Besuchszeit. Diese ist momentan genau festgelegt. Jeder Bewohner darf einmal am Tag Besuch erhalten. Mit Mundschutz und unter strengen Hygieneauflagen, versteht sich.

Der Besucher muss angemeldet sein, seine Daten vom Pflegepersonal notiert. Das bedeutet natürlich einen sehr hohen Aufwand fürs Pflegepersonal, so Roland Wersch, Vorstand der Heilig-Geist-Spital-Stiftung. Die nötigen Regeln hätten sich eingespielt. "Die Menschen haben sich darauf eingestellt. " Die für alle Heime gültigen Besuchsregelungen wurden bis 28. Juni verlängert. Bei schönem Wetter können die Besucher mit ihren Angehörigen in den Garten des Spitals. Schön wäre es laut Wersch trotzdem, wenn es noch einige Lockerungen und größere Korridore - etwa bei den Besuchsregelungen - geben würde. Denn momentan sei es für alle Beteiligten ein "etwas verklemmter Umgang".

 

"Lange darf es nicht mehr so weitergehen. Sonst lassen wir alle die Köpfe hängen", sagt Otto Bankmann. Der 89-Jährige Bewohner des Heilig-Geist-Spitals leidet zunehmend unter den Gegebenheiten - auch, wenn sich die Situation verbessert habe, seit er, wenn auch eingeschränkt, wieder Besuch von seinem Sohn bekommen kann. Dennoch fühlt er sich alleingelassen. "Man hat den ganzen Tag keine Ansprache mehr. " Nichts sei mehr so, wie es war. Zwar versuchen die Pflegekräfte laut Bernd Rachner, die Senioren durch Aktionen zu beschäftigen, aber das reiche eben nicht aus. "Die vergessene Generation", überschreibt er gedanklich die Situation in den Heimen. Überall gebe es Erleichterungen, nur bei den Senioren nicht. Sie seien aber natürlich Risikogruppe, schränkt er sogleich nachdenklich ein.

Wie schnell es gehen kann, dass ein Pflegeheim zum Corona-Hotspot wird, hat das Heim der Banater Schwaben Anfang April schmerzlich erfahren müssen. Sehr viele Bewohner und etliche Mitarbeiter hatten sich infiziert, es gab mehrere Todesfälle (DK berichtete). Wie das Virus in die Einrichtung kam, ist bis heute unklar. Heimleiterin Elisabeth Klein will sich nicht mehr öffentlich zu dieser schlimmen Zeit äußern. Viel zu oft sei die Einrichtung in diesem Zusammenhang namentlich in der Zeitung genannt worden. Klein blickt lieber nach vorne. In den Heimbetrieb sei wieder Normalität eingekehrt, soweit dies in Coronazeiten möglich sei. Die Quarantäne ist schon lange aufgehoben, "wir können wieder Senioren aufnehmen". Auch Besuche seien, wie in allen Heimen, nach Anmeldung möglich.

Auch in der Alloheim-Seniorenresidenz "Elisa" blickt man optimistisch nach vorne. In einer Pressemitteilung meldet die Einrichtung eine langsam wiedereinkehrende Normalität. "Trotz weiterhin hoher Sicherheitsstandards sind Besuche dauerhaft erlaubt. " Auch Einzüge von Pflegebedürftigen seien nun wieder möglich. "Die vergangenen Wochen und Monate waren eine große Herausforderung für unser Team, aber besonders auch für unsere Senioren und ihre Angehörigen", so Heimleiter Dieter Schalamon. Auch, als die Bewohner des Pflegeheimes keine Besucher empfangen durften, habe man auf kreative Konzepte gesetzt und etwa den Senioren Videotelefonate mit ihren Angehörigen ermöglicht.

Im Besuchsraum habe man zwei Tische zusammengestellt, damit der nötige Abstand gewahrt sei. Alle geltenden Vorschriften zum Schutz der Senioren würden umgesetzt. In der Presseerklärung lobt Elisa sein "bestens ausgearbeitetes Besuchskonzept, das von den Behörden begutachtet und freigegeben ist. " Auch Kurzzeitpflegeplätze würden wieder vergeben. Man solle sich jedoch frühzeitig darum bemühen.

DK