"Autobahn war Spielwiese"
Ingolstädter Raserprozess: Angeklagter zu Freiheitsstrafe verurteilt

06.04.2021 | Stand 23.09.2023, 17:49 Uhr
Der Angeklagte nahm im Gerichtssaal Platz. −Foto: Marco Schneider

Ingolstadt - Mit über 230 Kilometern pro Stunde raste ein 24-jähriger in der Nacht zum 21. Oktober 2019 auf der A9 bei Manching, eine Kollision mit einem anderen Auto endete für dessen Insassen tödlich: Dafür muss der Angeklagte nun dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Schuldig gesprochen wurde der Mann allerdings nicht wegen Totschlags, sondern wegen illegalen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und Gefährdung des Straßenverkehrs. Damit urteilte die Strafkammer nach dem 2017 eingeführten Raserparagraf.

 

Die gesamte eineinhalbstündige Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden Richter Konrad Kliegl verbarg der Angeklagte sein Gesicht und seine Tränen in seinen Händen: Der 24-Jährige hatte sich bei der Familie des Todesopfers in einem vorhergehenden Verhandlungstag entschuldigt, der Vater, der ein T-Shirt mit dem Foto des Opfers trug, verfolgte resigniert die Ausführungen des Richters. Staatsanwältin Johanna Harrer hatte vergangene Woche auf Totschlag plädiert und acht Jahre Haft gefordert, die Verteidigung des Angeklagten einen Freispruch, die Familie des Opfers wollte den Geisenfelder zehn Jahre im Gefängnis sehen.

Der Horrorunfall in jener Oktobernacht ist und bleibt in der Region präsent: Der Geisenfelder war spätabends mit einem hochmotorisierten getunten BMW M4 auf dem linken Fahrstreifen der Autobahn bei Manching unterwegs gewesen und raste nach mehreren Geschwindigkeits- und Überholmanövern von hinten in einen Audi, der gerade mit Tempo 120 ein Wohnwagengespann überholen wollte. Der 22-jährige Gaimersheimer am Steuer des Audis starb an seinen schweren Kopfverletzungen. Die Aufprallgeschwindigkeit des BMW: 207 km/h. Er muss sich aber einem Gutachter zufolge mit 232 km/h der Unfallstelle genähert haben. Dass der 22-jährige Getötete vor ihm ohne den Blinker zu setzen die Spur gewechselt hat, wie von dem Angeklagten behauptet, sei nicht nachzuweisen.

 

 

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Der Zusammenstoß wäre Kliegl zufolge vermeidbar gewesen, ja mehr noch: Schon bei einer Geschwindigkeit von 197 km/h hätte es den tödlichen Aufprall vermutlich nicht gegeben. Sicher hätte das spätere Opfer bei seinem Überholvorgang und dem damit verbundenen Spurwechsel mit anderen Autofahrern rechnen müssen, führte Kliegl aus. Allerdings nicht mit einem Tempo, das die erlaubte Geschwindigkeit um ein 2,3-faches überschreitet. Ein Mitverschulden am Unfall sei daher nahezu auszuschließen. Der 24-jährige Angeklagte habe grob fahrlässig und rücksichtslos gehandelt. "Geschwindigkeitsbegrenzungen haben ihn schlicht nicht interessiert", sagte der Richter. "Die Autobahn war die Spielwiese für seine Hobbys", in seinem Leben habe sich alles um Autos und Geschwindigkeiten gedreht, führte Kliegl weiter aus.

Ein bedingter Tötungsvorsatz, den die Staatsanwaltschaft gesehen hatte, sei nicht nachzuweisen, so der Vorsitzende Richter. Allerdings hätte der 24-Jährige mit seinem Boliden gar nicht auf einer öffentlichen Straße fahren dürfen, machte er klar: Der BMW war auf 575 PS und ein Maximaltempo von 350 km/h getunt. Das ziehe ein Erlöschen der Betriebsgenehmigung nach sich.

Dass den Angeklagten das Verfahren und der Unfall bedrückten, daran bestand für die Kammer kein Zweifel. Verantwortung dafür übernommen habe er allerdings nicht, sagte Kliegl. Der 24-Jährige sei charakterlich nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, was auch mehrere Eintragungen im entsprechenden Register zeigten. Ein Auto sei keine Bastelstube, mahnte der Richter. Mit dem Schuldspruch ging daher auch die Einziehung der Fahrerlaubnis und eine eineinhalbjährige Sperre einher.

Kliegl wollte das Urteil als Signal verstehen: "Wer sein Fahrzeug umbaut, als Hobbyrennfahrer unterwegs ist und einen schweren Unfall baut, wird in der Regel ins Gefängnis gehen." Der Schuldspruch ist noch nicht rechtskräftig.

DK

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Marco Schneider