Ingolstadt
"Ein Fahrplan muss her!"

Wirte und Hoteliers protestieren am "gedeckten Tisch" - und erhalten Unterstützung aus dem Rathaus

01.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:11 Uhr
Protestkundgebung auf dem Paradeplatz: Gastronomen und Hoteliers aus Ingolstadt haben sich am Montagmittag an der Aktion "Gedeckter Tisch" beteiligt, mit der auf die Not der Betriebe aufgrund des langen Shutdowns in der zweiten Corona-Welle hingewiesen wurde. OB Christian Scharpf, Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll und die beiden Chefs der großen Stadtratsfraktionen, Alfred Grob (CSU) und Christian De Lapuente (SPD), zeigten sich solidarisch. Ganz links der örtliche DEHOGA-Vorsitzende Harald Mödl. −Foto: Heimerl

Ingolstadt - Den Wirten und Hoteliers reicht's jetzt mit dem Zusperren - und zumindest die Kommunalpolitik kann das gut verstehen.

 

Auf dem Paradeplatz haben sich am Montagmittag die Spitzen von Stadt und Stadtrat mit Blick auf neue Strategien in der Corona-Krise solidarisch mit den örtlichen Repräsentanten des Hotel- und Gaststättenverbandes gezeigt. Beide Seiten waren sich einig darin, dass beim neuen Bund-Länder-Gipfel an diesem Mittwoch schleunigst Wege aus dem Shutdown aufgezeigt werden müssen, soll die Gastronomiebranche nicht völlig an die Wand gefahren werden.

Für Friseure, Gärtnereien und Baumärkte ist das Geschäftsleben mit dem 1. März wieder angelaufen (siehe auch Seite 19) - doch Gasthöfe, Restaurants und Beherbergungsbetriebe schauen nach wie vor mit dem Ofenrohr ins Gebirge, weil sich die Politik bislang nicht traut, diese Begegnungsstätten (unter Auflagen) wieder freizugeben. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hatte deshalb am Montag bundesweit zur Aktion "Gedeckter Tisch" aufgerufen, um mit Protest im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit zu fordern. Nicht nur in Ingolstadt, sondern auch in den umliegenden Landkreisen gab es eine Reihe von Kundgebungen.

Zum Protest auf dem Paradeplatz war auch die Führungsriege der Stadt eingeladen worden - und sie kam: OB Christian Scharpf und Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll sowie die Fraktionschefs Alfred Grob (CSU) und Christian De Lapuente (SPD) zeigten Verständnis für die Gastronomen, die sich in aller Regel mit ordentlichen Hygienekonzepten durch die ersten Monate der Pandemie gekämpft hatten und denen im zweiten Shutdown nun vielfach die Luft ausgeht.

Hauptforderung der Wirte und Hoteliers: Schleunige Wiedereröffnung der Lokale und Betriebe nach den bewährten Hygieneregeln, begleitet von dicht getakteten Schnelltests fürs eigene Personal wie für die Gäste. Für diese Strategie müsse die Politik jetzt endlich den Rahmen schaffen.

Für solche Schritte ist OB Scharpf, der sich über die Medien erst jüngst als Befürworter eines klugen Öffnungsszenarios positioniert hat, ganz sicher zu haben: "Ich kann nicht einfach nur öffnen - ich muss es flankieren, denn wir dürfen das Erreichte nicht gefährden", so der SPD-Politiker zu den Gastronomievertretern. "Was mir fehlt, ist eine engmaschige Teststrategie", zeugte sich der OB mit den Protestlern einig in der Lageeinschätzung. Scharpf recht unverblümt: "Das ist in Berlin verschlafen worden. "

 

Die Sache werde sicher nicht billig, so Scharpf, komme aber allemal günstiger als das langfristige Verteilen immer neuer Hilfsgelder für die darbende Wirtschaft. Der Hotelier Stefan Wild forderte die Politik auf, sich "nicht hinter Inzidenzen zu verstecken", sondern mutig neue Wege zu beschreiten. Sein Kollege Ralf Hummel warnte vor akut drohenden arbeitsmarkpolitischen Konsequenzen in seiner Branche: Man halten den Mitarbeitern jetzt schon ein Jahr den Rücken frei, komme aber nun an einen Punkt, wo auch über Entlassungen nachgedacht werden müsse. Gerade auch mittelständische Betriebe mit langer Tradition seien jetzt in einer existenziellen Krise. Wenn sie in einem weiter anhaltenden Lockdown endgültig schließen müssten, gehe in den Kommunen manche lange gewachsene Struktur endgültig verloren. Hummel: "Tradition kann man nicht kaufen. "

MdL Alfred Grob zeigte sich empfänglich für einen Strategiewechsel mit Anpassung an lokale oder regionale Gegebenheiten: "Es wird Stück für Stück kommen. " Er gab aber zu bedenken, dass Gastronomie und Hotellerie auch damit rechnen müssten, im Falle einer plötzlichen Hotspot-Entwicklung auch schnell wieder schließen zu müssen. Es könne für die Branche keinen generellen Freifahrtschein geben.

OB Scharpf erinnerte an den Status quo, wonach bislang auch Städte und Landkreise in Oberbayern mit einer Inzidenz unter 35 (wie momentan Ingolstadt und die Landkreise Eichstätt und Neuburg-Schrobenhausen) bei der Bezirksregierung noch kein grünes Licht für lokale Lockerungen erhalten haben. Es brauche jetzt endlich einen Schritt hin zu "echten regionalen Differenzierungen".

Gastwirt Harald Mödl, als Vorsitzender der Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbandes quasi Organisator der Kundgebung, freute sich über die Solidaritätsadressen aus der Kommunalpolitik. Er appellierte an die Entscheidungsträger in Land und Bund, sich daran zu orientieren: "Es muss jetzt alles parallel laufen: Schnelltests, Impfen, Öffnung der Gastronomie - ein Fahrplan muss her! "

DK

 

Bernd Heimerl