13-Jähriger starb
Todesfahrer in Ingolstadt erneut vor Gericht

13-jähriger Geisenfelder starb nach missglücktem Überholmanöver auf der B300

13.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:43 Uhr
In den Trümmern dieses Autos starb der 13-jährigen Marcus R. aus Geisenfeld. −Foto: DK

Pfaffenhofen/Ingolstadt - Gut zwei Jahre nach dem tragischen Tod des 13-jährigen Marcus R. aus Geisenfeld ist die juristische Aufarbeitung weiter offen. Der Realschüler war im Auto eines heute 23-jährigen Reichertshofeners gesessen, als der junge Mann mutmaßlich wegen zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen 280 PS starken Audi verlor und von der B300 abkam. Sein junger Beifahrer starb bei dem Unfall.

In erster Instanz hatte der 23-Jährige eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten erhalten,  zur Bewährung. Das fand nicht nur der Vater des Opfers viel zu mild. Auch die Staatsanwältin hatte mehr gefordert und ging in Berufung, der Verteidiger zog nach. Der Prozess startete am Dienstag am Landgericht Ingolstadt.

Vor gut einem Jahr  hatte der Angeklagte am Amtsgericht Pfaffenhofen den Unfallhergang wegen Erinnerungslücken nicht schildern können. „Inzwischen hat sich das wieder angesammelt“, erklärte der Mann nun der Berufungskammer. Nach seiner Einschätzung war er auf der Tempo-100-Strecke etwa 120 km/h schnell, als er zu dem folgenschweren Überholmanöver auf der B300 zwischen Langenbruck und Geisenfeld (Kreis Pfaffenhofen) ansetzte. Die Fahrt endete zunächst im Graben und letztlich mit dem Tod des 13-Jährigen. Der Fahrer selbst überstand das Geschehen mit einer Gehirnerschütterung.

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Sein Anwalt beschränkte die Berufung am Dienstag auf die Rechtsfolgen, also auf das Strafmaß. Um die fahrlässige Tötung im Ersturteil  komme man nicht herum. Staatsanwältin Astrid Schrodt will den Angeklagten dagegen zudem wegen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt sehen, weil sein Verhalten „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gewesen sei. Der 23-Jährige bat den Vater des Getöteten auf Nachhaken des Nebenklagevertreters um Entschuldigung. „Es ist auch für mich sehr schmerzvoll“, sagte er. Nach eigenen Angaben hat er bereits mehrfach das Grab des 13-Jährigen besucht, zuletzt am Sonntag. 

Die Mutter berichtete im Zeugenstand davon, der Sohn habe zeitweise nicht mehr leben wollen. Nach den Erfahrungen der Eltern galt der 23-Jährige als „vernünftiger“ Autofahrer. Als „eher vorsichtig“ beschrieb ihn außerdem der Vorsitzende eines Motorsportklubs, dem der junge Mann angehörte.

Zeugen des Unglücks schilderten indes  aggressives Fahren und deutlich überhöhte Geschwindigkeit durch den 23-Jährigen.  Von subjektiv gefühlten 160 bis 170 km/h sprach ein heute 20-Jähriger, dessen Auto der Angeklagte direkt vor dem Unfall bei einer Kurve überholt hatte, bevor er die Kontrolle über den Wagen verlor. Im Fahrzeug dieses Augenzeugen saßen damals der ältere Bruder des Getöteten und eine 18-Jährige.  Der Reichertshofener  habe „generell gern geprotzt, dass er schnelle Autos gern mag“, sagte die junge Frau vor Gericht. „Warum überholt der mich in der Kurve, der spinnt doch“, war es dem 20-Jährigen durch den Kopf geschossen, als der PS-starke Audi an ihm vorbeizog,  beim Einscheren von der B300 abkam und eine Baumreihe rasierte. „Auf einmal sind die Äste geflogen“, sagte der Zeuge. Mit ihm müssen Marcus‘ Bruder und die junge Frau ansehen, wie der Audi durch die Luft wirbelt und auf der rechten Seite aufschlägt. Der 13-Jährige erleidet tödliche Verletzungen.

Trotz dieses traumatischen Erlebnisses schilderte der Bruder des Opfers das Erlebte vor Gericht weitgehend ohne Belastungseifer. Nach seiner Wahrnehmung war der Angeklagte immer wieder dicht auf den Vordermann aufgefahren, bevor er zu dem verhängnisvollen Überholmanöver ansetzte und „sehr schnell“ vorbeizog. Für den als Nebenkläger auftretenden Vater des Opfers – er hat im Prozess ein Sterbebild des Sohnes vor sich liegen –  sind die Wunden noch längst nicht verheilt. Jeder Tag sei für ihn eine Qual und ende in Tränen oder Albträumen, erklärte der Vater im Vorfeld der Berufung. Vielleicht ändere sich das mit einer „für mich akzeptablen Bestrafung“ des Todesfahrers. Der zweite von drei Prozesstagen  steht am Donnerstag an. 

Horst Richter