Zahl der Obdachlosen steigt in Nürnberg

Menschen, die unter Brücken oder auf der Straße leben, sind nur die Spitze des wachsenden Eisbergs

11.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:24 Uhr
Am augenfälligsten ist Obdachlosigkeit, wenn die Betroffenen auf der Straße leben und dort auch schlafen, doch es gibt auch viele Obdachlose, die man in der Öffentlichkeit nicht sieht. −Foto: Gollnow/dpa

Nürnberg - Die Zahl der Obdachlosen ist in den letzten fünf Jahren in der Frankenmetropole kräftig gestiegen.

Über 2000 Obdachlose seien 2018 in Nürnberg bereits registriert gewesen, teilte Sozialreferent Rainer Prölß (SPD) am Donnerstag im Stadtrat mit. Heuer dürften die Zahlen laut Prölß sogar noch schlimmer ausfallen. Kurz vor Jahresschluss seien bereits rund 2300 Obdachlose in Nürnberg aktenkundig geworden.

Zur Verdeutlichung der dramatischen Lage lohnt ein Fünf-Jahres-Vergleich: Im Jahr 2014 hat es in Nürnberg "nur" rund 1500 Obdachlose gegeben. Ende 2019 könnten es bereits 2300 Obdachlose werden. Sozialreferent Prölß will gleich mehrere Ursachen für den sprunghaften Anstieg der Obdachlosigkeit ausgemacht haben.

Schuld an der wachsenden Misere seien laut Prölß in erster Linie die gestiegenen Mietpreise für Wohnungen. Den Mietanstieg führt Prölß auf die erhöhte Nachfrage zurück. Nürnberg sei eine "wachsende Stadt". Seit 2010 ist Nürnberg um 37000 Menschen gewachsen. Die meisten Menschen würden preiswerte Wohnungen suchen. Dummerweise nehme die Zahl günstiger Wohnungen "eher ab als zu". Zu allem Überfluss würden sich immer mehr Menschen wie Familien mit kleinen Einkommen oder anerkannte Flüchtlinge um den knapper werdenden Wohnraum streiten.

Dem aktuellen Wohnungsbericht ist zu entnehmen, wie durch diese Entwicklung bereits Haushalte mit geringem Einkommen von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Besonders Familien, die nicht in den Transferbezug fallen und keine "Stütze" bekommen, müssten häufig mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen berappen. Ein Paar mit einem Netto-Einkommen von rund 1700 Euro muss beispielsweise für eine 65 Quadratmeter große Wohnung mit einer Miete von 8,86 Euro pro Quadratmeter (das ist die durchschnittliche Angebotsmiete 2016/2017 gewesen) monatlich über 40 Prozent des Einkommens aufbringen, rechnet der Wohnungsbericht vor. Wer mehr als 30 Prozent seines Einkommens für Wohnen ausgibt, hat deutlich weniger Geld für andere Ausgaben zur Verfügung und muss deshalb häufig mit Geldsorgen im Alltag zurecht kommen.

Damit Menschen ihre Wohnungen nicht verlieren, kann die Stadt bei Mietrückständen finanziell helfen. Paradoxerweise geht laut Sozialreferent Prölß die Zahl der gewährten Unterstützungsleistungen bei Mietrückständen aktuell zurück. Die Stadt Nürnberg habe im Jahr 2018 in genau 235 Fällen die Mietrückstände übernommen und Obdachlosigkeit damit verhindert. Dafür habe die Stadt über 300000 Euro ausgegeben. Mit knapp 290000 Euro sei das meiste Geld als Darlehen gewährt worden. Bedeutet im Klartext, dass sich die Stadt bei Hilfen für Mietrückstände wohl berechtigte Hoffnungen machen kann, das allermeiste Geld zurückzubekommen. Prölß vermutet, dass die Menschen immer "geräuschloser" ihre Wohnungen verlieren. Und die Stadt vor dem Verlust des sprichwörtlichen Dachs über dem Kopf nicht mehr rechtzeitig zur Hilfe eilen kann.

Teurer wird das Problem für die Stadt übrigens, wenn die Menschen tatsächlich aus ihren eigenen vier Wänden ausziehen müssen. Die Stadt verfügt über 195 Obdachlosen-Wohnungen - davon sind allerdings nur noch 36 im Besitz der Stadt und 159 Wohnungen sind angemietet -, die gegen Gebühr vorwiegend an Familien mit Kindern vergeben werden. Diese Notfall-Wohnungen würden dem "normalen Wohnen" am nächsten kommen.

Zusätzlich verfügt Nürnberg über weitere Sozialimmobilien mit insgesamt rund 150 Wohnungen. Auch für diese Wohnungen würden Mietzahlungen fällig. Zuletzt hätten allerdings immer mehr Menschen diese Wohnungen als Dauerzustand akzeptiert und nicht mehr wie früher schnell wieder verlassen. Die fehlende Fluktuation habe laut Prölß zu weiteren Engpässen geführt. In rund 40 Pensionen stünden in Nürnberg zusätzliche Zimmer für Obdachlose zur Verfügung. Außerdem gibt es Notschlafstellen.

Durch das städtische Raster würden derzeit "etwas mehr als 50 Personen" fallen, die dauerhaftauf der Straße oder unter Brücken leben. Doch diese Obdachlosen sind offensichtlich nur die sichtbare Spitze eines wachsenden Eisbergs von Menschen, die das Dach über dem Kopf verlieren.

npe