Ansbach
"Vergiftete Atmosphäre" im neuen Bezirkstag

Armin Kroder (FW) zum ersten Nicht-CSU-Bezirkstagspräsidenten in der Geschichte Bayerns gewählt

08.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:17 Uhr
Der neue Bezirkstagspräsident Armin Kroder bei seiner Vereidigung. Rechts sein Vorgänger Richard Bartsch (CSU). −Foto: Bezirk Mittelfranken

Nach mehr als 55 Jahren unter alleiniger CSU-Führung stellen die Freien Wähler erstmals einen der Bezirkstagspräsidenten in Bayern: Armin Kroder, Landrat im Nürnberger Land, erhielt bei der gestrigen Wahl im mittelfränkischen Bezirksrathaus in Ansbach mit 17 von 33 Stimmen die knappe Mehrheit. Für seine Gegenkandidatin Alexandra Wunderlich (CSU) votierten 16 Abgeordnete.

Die Christsozialen kassierten in der konstituierenden Sitzung sogar eine zweifache Schlappe. Denn deren Überraschungskandidatin Wunderlich fiel nicht nur bei der Wahl für das Amt des Bezirkstagspräsidenten, sondern auch für den ersten der drei Stellvertreterposten durch. Auch hier verpasste Wunderlich mit 16 Stimmen die Mehrheit. 17 Stimmen erhielt Amtsinhaberin Christa Naaß (SPD) aus Haundorf (Landkreis Weißenburg).

Zu den weiteren Stellvertretern des Bezirkstagspräsidenten wurden die beiden Nürnberger Daniel Arnold (Grüne) und Titus Schüller (Die Linke) gewählt. Damit ist erstmals seit fast 60 Jahren kein Vertreter der CSU mehr an der Spitze des Bezirkstags vertreten - und das, obwohl die CSU nach der Wahl am 14. Oktober mit elf Bezirksräten die größte Fraktion stellt.

Von einer "vergifteten und verhärteten Atmosphäre" bei der konstituierenden Sitzung berichtete Sven Ehrhardt (SPD), Neuling im Bezirksrat und einer von vier Bezirksräten aus dem Landkreis Roth neben Walter Schnell (FW), Cornelia Griesbeck (CSU) und Robert Gattenlöhner (Frankenpartei).

Nach den beiden Wahlniederlagen Wunderlichs habe es die CSU ausgeschlagen, einen der beiden weiteren Stellvertreterposten zu übernehmen, so Ehrhardt. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Peter Daniel Forster habe gesagt, dass man keine "Almosen" annehmen wolle. "Alle elf Personen stehen nicht zur Verfügung", so Forster.

Die Erlanger CSU-Kreisvorsitzende Alexandra Wunderlich war erst kurz vor der Wahl vom CSU-Fraktionsvorsitzenden ins Rennen geschickt worden. Forster selbst verzichtete kurzfristig auf seine Kandidatur.

Nach der monatelangen Affäre um die mittelfränkischen Bezirkskliniken hatte der langjährige Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) Ende Oktober erklärt, nicht zur Wiederwahl anzutreten. Der frühere Chef der Bezirkskliniken, Helmut Nawratil, war kurz zuvor entlassen worden. Er war unter anderem wegen schlechter Mitarbeiterführung und Mehrkosten durch Verzögerungen beim Bau einer Klinik in die Kritik geraten. Als Bezirkstagspräsident war Bartsch der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Kliniken.

Ursprünglich wollte CSU-Fraktionschef Forster die Nachfolge Bartschs antreten. Nach einer Anzeige gegen den Verwaltungsrat, dem auch Forster angehört, ließ er sich aber doch nicht aufstellen und schlug stattdessen Wunderlich vor.

Die Bezirkstagsfraktionen von Freien Wählern, Grünen, SPD, Linken und Frankenpartei, die zusammen auf 17 Abgeordnete kommen, hatten sich im Vorfeld der konstituierenden Sitzung jedoch auf die Wahl von Armin Kroder verständigt - gegen CSU, AfD, ÖDP und FDP.

Unter diesen Vorzeichen ist der mittelfränkische Bezirkstag "stark belastet" in die neue Legislatur gestartet, wie Ehrhardt findet. Die beiden großen Blöcke seien sich gestern "völlig unversöhnlich" gegenüber gestanden. "Aber fünf Jahre Dauerkrieg im Bezirkstag kann keiner gebrauchen", so der Rother.

Dass es dazu nicht kommen wird, hofft Walter Schnell. Der Kammersteiner Bürgermeister und wiedergewählte Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Bezirkstag ist sich sicher, dass sich die Lage in den nächsten Wochen und Monaten nach dem "aggressiven Ton" zum Auftakt wieder entspannen wird. Nötig sei dazu jedoch, dass die CSU "aus dem Schmollwinkel" kommt, in den sie sich selbst gestellt habe.

Aus der Sicht seiner Freien Wähler ist Schnell freilich hoch zufrieden mit dem Verlauf der Sitzung. Mit der Wahl von Armin Kroder sei der Wille des Wählers für einen politischen Wechsel im Bezirkstag umgesetzt worden. Auch wenn es dafür ein Bündnis gebraucht habe, das sich vorher niemand hätte vorstellen können. "Aber wenn Menschen vernünftig miteinander umgehen", könne eben auch Unvorstellbares gelingen.