Kammerstein
Streit um Grundschule spaltet Kammerstein

Zweiter Bürgermeister Richard Götz tritt zurück - Landratsamt Roth hat keine Bedenken gegen weiteren Bürgerentscheid

18.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:40 Uhr
Der scheidende stellvertretende Bürgermeister Richard Götz (Freie Wähler) ist überzeugt, dass die Erweiterung der Grundschule am aktuellen Standort in Barthelmesaurach möglich ist und befürwortet einen zweiten Bürgerentscheid. Zurücktreten will er in jedem Fall. −Foto: Hofmann

Kammerstein (HK) Die Schülerzahlen in der Gemeinde Kammerstein steigen und die Grundschule in Barthelmesaurach ist längst zu klein. Nach zwei Gutachten entscheidet der Gemeinderat ein neues Schulhaus im Gewerbegebiet Barthelmesaurach zu bauen. Ein Bürgerentscheid im Dezember kippte den Beschluss, die Schule soll jetzt in Kammerstein entstehen. Daraufhin kündigt der stellvertretende Bürgermeister Richard Götz seinen Rücktritt an. Jetzt steht ein zweiter Bürgerentscheid im Raum. Die Barthelmesauracher wollen die Grundschule am aktuellen Standort erweitern. Bürgermeister Walter Schnell lehnt das ab. Er befürwortet einen zweiten Schulstandort in Kammerstein.

Richard Götz (Freie Wähler) ist entsetzt, es ist genau das passiert, wovor er im Gemeinderat immer wieder gewarnt hat: Die alten Rivalitäten zwischen den beiden ungefähr gleichgroßen Ortsteilen Barthelmesaurach und Kammerstein sind wieder aufgeflammt. "Es gibt einen riesen Riss in der Gemeinde. Leute aus Barthelmesaurach treten aus Vereinen in Kammerstein aus und umgekehrt", erzählt Götz.

Der Streit um die Kammersteiner Grundschule gehe inzwischen sogar soweit, dass die Kleinsten darunter leiden: "Eltern, deren Kinder vorher miteinander gespielt haben, sagen jetzt: Ihr spielt mit meinen Kindern nicht mehr", sagt Götz.

Dabei hat alles ganz sachlich begonnen, nämlich mit Zahlen: Während die Kinderzahlen lange rückläufig waren und im Jahr 2012 mit 93 Schülern ihren Tiefpunkt erreicht hatten, steigen sie jetzt wieder an, sodass für das Schuljahr 2022/23 bereits 175 Grundschüler erwartet werden. Schon jetzt werden in Barthelmesaurach sechs Klassen unterrichtet, obwohl das Schulgebäude nur für vier Klassen ausgerichtet ist. In Kammerstein gibt es bisher keine Schule.

Angesichts der Entwicklungen der Schülerzahlen machte sich die Gemeinde auf die Suche nach einem geeigneten Standort für den Bau eines zusätzlichen Schulgebäudes, in dem vier weitere Klassen unterrichtet werden sollen.

Zur Auswahl standen anfänglich drei Grundstücke: Eines gegenüber der aktuellen Schule, das jedoch nur zum Teil bebaubar gewesen wäre, weil es im Überschwemmungsgebiet der Aurach liegt. Ein Zweites neben der Grundschule, das allerdings als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist. Das dritte Grundstück liegt im sechs Kilometer entfernten Kammerstein neben dem Sportgelände des SV Kammerstein.

Die ersten beiden Optionen wurden vom Gemeinderat wegen der schwierigen Baubedingungen schnell verworfen. Als Alternative rückte eine 750 Meter entfernte Fläche neben dem Barthelmesauracher Gewerbegebiet in die Diskussion. Im Juli des vergangenen Jahres entschied sich der Gemeinderat mit einer klaren Mehrheit von 13 zu 2 Stimmen für den Bau eines zweiten Schulgebäudes am Rande des Gewerbegebiets von Barthelmesaurach.

Aber damit waren einige Bürger aus Kammerstein nicht einverstanden, sie initiierten einen Bürgerentscheid. Mit einer knappen Mehrheit von 872 Stimmen (53,7 Prozent) zu 753 Stimmen (46,3 Prozent) entschieden sich die Bürger der Gemeinde für den Standort in Kammerstein und kippten so den Gemeinderatsbeschluss.

Für Richard Götz ein fatales Votum, denn er ist überzeugt dass nur ein zweiter Schulstandort in Barthelmesaurach die Gemeinde zusammenhalten kann. Er kritisiert außerdem, das Grundstück in Kammerstein liege an der viel befahrenen RH4. "Auf dem Schulweg müssen die Kinder die Straße entlang laufen, dort ist eine uneinsichtige Kurve und der Gehsteig ist schmal. Das ist gefährlich." Götz war von Anfang an gegen den Standort in Kammerstein, genau wie die 3. Bürgermeisterin Jutta Niedermann-Kriegel (SPD), die ebenfalls mit dem Gedanken spielte zurückzutreten.

Bürgermeister Walter Schnell (Freie Wähler) kann das nicht nachvollziehen, er verweist auf die enorme Wahlbeteiligung beim Bürgerentscheid, die höher lang als bei der vergangenen Kommunalwahl. "Man muss in einer Demokratie Niederlagen aushalten. Wenn der Souverän, der Bürger, entscheidet, muss man das akzeptieren." Im Allgemeinen hält er die Reaktionen mancher Bürger für übertrieben. So soll beispielsweise jemand bei der Bürgerversammlung gesagt haben: "Wenn die Schule nicht nach Barthelmesaurach kommt, wird es Krieg geben."

Einige Bürger aus Barthelmesaurach wollen das Ergebnis des Bürgerentscheides nicht anerkennen und streben nun einen zweiten an. Sie kritisieren, dass die Pläne, das bestehende Schulgelände auf den Flächen gegenüber der Grundschule und im Anschluss daran zu erweitern, viel zu schnell verworfen wurden.

Das sieht heute auch Götz so. Das beauftragte Gutachten habe den Standort Barthelmesaurach "schlecht geredet", mit der Begründung der Bau wäre zu teuer. "Dabei gab es keine genauen Angaben. Man hat gesagt, der Bau könnte eine halbe bis eine Million mehr kosten." Während Götz einen zweiten Bürgerentscheid befürwortet, hofft Schnell, das es nicht so weit kommt.

Er ist gegen eine Erweiterung des Grundschulgeländes in Barthelmesaurach. "Das ist nicht zukunftsfähig. Ein moderner Unterrichtsablauf ist dort nicht realisierbar." Die Fläche sei viel zu klein für 200 Schüler. Vor allem wenn in Zukunft die Ganztagsschule verpflichtend werde, gebe es einen zusätzlichen Platzbedarf beispielsweise für einen Pausenraum und eine Mensa. "Das Hauptproblem ist, dass viele über Schule und Pädagogik reden, ohne die Bedürfnisse der Lehrer zu berücksichtigen", kritisiert Schnell.

Der von Barthelmesaurachern angestrebte zweite Bürgerentscheid ist von der Rechtsaufsicht des Landratsamtes in Roth geprüft worden. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es keine Bedenken gegen einen zweiten Bürgerentscheid gebe. Schnell will jetzt eine zweite Meinung beim Bayerischen Gemeindetag einholen. Letztendlich entscheidet jedoch der Gemeinderat, ob es einen zweiten Bürgerentscheid geben wird.

Auch wenn es zu einer weiteren Abstimmung kommen sollte, der Rücktrittsentschluss von Richard Götz steht fest. Jetzt muss nur noch der Gemeinderat bei seiner Sitzung am 29. Januar zustimmen. Damit würde dann Josef Gruber aus Hasenmühle für die Freien Wähler in den Gemeinderat nachrücken. Anschließend muss der Rat innerhalb von drei Monaten einen neuen stellvertretenden Bürgermeister wählen.

"Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Für die Freien Wähler ist das ein riesen Problem, wenn ein Freie Wähler 2. Bürgermeister wegen eines Freie Wähler 1. Bürgermeisters zurücktritt", sagt Richard Götz und fügt hinzu: "Aber in dieser Zusammenarbeit sehe ich keine Zukunft. Meine Argumente werden einfach nicht gehört."
 

Bianca Hofmann