Roth
"Roth und Hersbruck sind mir lieb und teuer geworden"

Seit 25 Jahren leitet Werner Wolf das Landwirtschaftszentrum in der Kreisstadt - Bis heute gibt es Abwerbeversuche

30.09.2019 | Stand 02.12.2020, 12:56 Uhr
"Das Amt muss ein Gesicht haben", sagt Werner Wolf, der dabei aber ganz bescheiden die Präsentation des heimischen Agrarwesens meint. Dabei ist er es selbst, der der Behörde ein freundliches Antlitz gibt - und das seit 25 Jahren. −Foto: Leykamm

Roth (lkm) Wer sein Amtszimmer betritt, wird nicht nur von Werner Wolf selbst begrüßt.

Sondern je nach Saison beispielsweise von einer Hopfenrebe, die sich über ein paar Wandbilder rankt, die Orte aus seinem recht großen Dienstgebiet zeigen. Dieses selbst und dessen "landwirtschaftliche Spitzenerzeugnisse, die in alle Welt wandern, sollen auch in meinem Büro Platz haben", sagt der Chef des Rother Landwirtschaftszentrums, das er auf den Tag genau seit 25 Jahren leitet.

Briefliches Lob zum Jubiläum gab es sogar von Ministerpräsident Markus Söder: "Ihr Engagement, insbesondere für unsere kleinbäuerlichen Betriebe, geht weit über Ihre beruflichen Pflichten hinaus. " Am ersten Oktober des Jahres 1994 war es soweit: Endlich durfte der damals 38-Jährige aus München zurück in die fränkische Heimat. Dabei hätten ihm als einem der jüngsten Ministerialräte im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wie es heute heißt, auch viele anderen Türen offen gestanden.

Doch er braucht einfach die Landluft. Die hat er schon in jungen Jahren in seinem Heimatort Ottensoos im Nürnberger Land tief in sich eingesogen. Im Alter von vier Jahren hütete er dort schon Kühe, auch das Hopfendoldenzupfen prägte sein Aufwachsen. In seiner Konfirmandenzeit hält der Pfarrer große Stücke auf ihn und prophezeit sogar: "Du wirst mal mein Nachfolger! "

Doch es kommt anders. Statt Theologie studiert Wolf Agrar- und Betriebswirtschaft. Das packt ihn. "Da habe ich gemerkt: In diesem Bereich wartet eine lebenserfüllende Aufgabe auf mich. " Entsprechend groß ist sein Engagement in seiner Referendarzeit, die ihn 1982 ans Amt nach Bad Kissingen verschlägt.

Drei Jahre später erhält er einen Anruf: "Du musst nach München! " Als hätte der Anrufer gemerkt, dass dieser Aufruf Wolf gar nicht so recht ist. Manch anderer hätte eher Freudensprünge vollzogen. Doch Wolf fügt sich und wechselt ins Ministerium. Aber es hagelt Briefe - die Bauern von der Rhön wollen ihn nicht ziehen lassen. Die Schreiben landen sogar auf dem Tisch des damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef-Strauß.

Doch auch in der Landeshauptstadt will man den Ministerialrat nicht mehr ziehen lassen. "Genau solche Leute brauchen wir in München", argumentiert der seinerzeitige Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann. Sechs Monate sollten es erst sein. Daraus werden fast zehn Jahre, in denen auf Wolf immer mehr Aufgaben zukommen. Er wird zum Mitarbeiter in der Grundsatzabteilung für Agrarpolitik, bereitet Kabinettssitzungen vor, vertritt den Freistaat im Bundesrat, wird Länderbeobachter in Brüssel.

Nach einem Lehrgang für Verwaltungsführung führen ihn Auslandsreisen nach Europa und in die USA. Die Zeit unter den verschiedenen Ministern Simon Nüssel, Hans Maurer und Reinhold Bocklet erlebte er als deren persönliche Referenten. Doch jedem von ihnen macht er immer wieder deutlich, dass er "aus dem Ministerium wieder heraus möchte".

Im Landtag lernt er derweil einen gewissen Herbert Eckstein kennen. Beide sollten sich bald noch öfter über den Weg laufen. Denn während der SPD-Politiker 1993 zum Landrat gewählt wird, ist der Agrarbeamte ein Jahr später am Ziel: Er "darf" wieder in den ländlichen Raum, als Leiter des Rother Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Wolf bleibt bescheiden - das Mobiliar des Chefbüros übernimmt Wolf so gut wie komplett von seinem Vorgänger Georg Heinl. Dieser rät ihm, nicht zum Büromensch zu werden, sondern den Kontakt vor Ort zu pflegen. Das bestätigt Wolf, der dies schon verinnerlicht hat. Doch die Umsetzung ist nicht leicht, denn der Aufgabenbereich wächst. War der neue Leiter zum Dienstantritt nur mit den Landkreisen Roth und der Stadt Schwabach befasst, gesellte sich 1997 noch das Nürnberger Land mit einem eigenen Dienstsitz in Hersbruck hinzu.

"Das war eine echte Herkulesaufgabe", sagt der heute 63-Jährige und blickt noch einmal sinnierend hin zur Rebe in seinem Büro. Denn der Hopfen, der dort hängt, trägt eben jenen Namen des antiken Helden. Es gilt Sanierungen zu stemmen, die Lehrküche zu erneuern. 2005 folgt der nächste große Verwaltungsschritt: Die Land- und Forstwirtschaft werden zusammengelegt, die ehemals fünf eigenständigen Forstämter fallen nun ebenso in Wolfs Zuständigkeitsbereich.

Doch der erhöhte bürokratische Aufwand hindert ihn nicht daran, schnell zu agieren, wenn es darauf ankommt. Wie etwa vor wenigen Wochen, als massive Sturmschäden zu beklagen waren. Schnell organisierte der Chef eine Info-Veranstaltung in der Aula, die sich an dem Termin bis zum allerletzten Platz füllt. Den Blick über den Tellerrand pflegt er ebenso. Täglich arbeitet sich der Chef durch ein halbes Dutzend an Tageszeitungen - zumindest durch jene Berichte, die Themen des Amts betreffen. Er will nicht nur reagieren, sondern "agieren und Akzente setzen".

Dass er die Bodenhaftung nicht verliert, dafür sorgt sein Bruder in Ottensoos, wo er auch heuer wieder als Schlepperfahrer bei der Maissilage half und dazu eigens Urlaub nahm. Die Lage am Heimatort treibt Wolf um, das Höfesterben kann er dort hautnah miterleben. 45 Milchviehbetriebe waren hier einst zu Hause - zwei sind es noch. Entspannung findet er in der Musik. Etwa beim örtlichen Posaunenchor, dem er seit 50 Jahren angehört, 17 Jahre davon als Leiter.

Versuche, ihn abzuwerben, gibt es immer noch. Sowohl von der Regierung von Mittelfranken als auch vom Ministerium in München. Doch er lehnt immer ab "Roth und Hersbruck sind mir lieb und teuer geworden". Es sei vor allem die Vielfalt, die "einen fördert und fordert". Tabak, Heil- und Gewürzpflanzen, Spargel, Kirschen: Beim Aufzählen einiger Sonderkulturen kommt Wolf ins Schwärmen.

Begeistert ist er auch darüber, dass das Landwirtschaftszentrum als Schulstandort erhalten werden konnte: "Wir haben immer volle Klassen. " Im Urlaub ist er nicht nur mit Schlepperfahren beschäftigt, sondern vertritt die Hersbrucker und Spalter Hopfenbauern im deutschen Hopfenbeirat bei internationalen Hopfenkongressen.

Vieles aber liegt ihm auch im Magen - zum Beispiel die Bürokratie. "Die große Regelungsdichte für Bauern gehört zurückgedrängt", lautet seine klare Forderung. Und es brauche wieder mehr Wertschätzung für die Landwirte, deren Schicksale "mir in der Seele weh tun" - etwa wenn wieder einer Betriebsleiter seinen Hof für immer zuschließt. "Das trifft mein Herz", sagt Wolf.

Einschneidende Ereignisse und Entwicklungen fallen in seine Amtszeit: die BSE-Seuche, die Einführung der Milchkontingentierung sowie ihr Wegfall. Er sei auch "kein Verfechter des ungebremsten Wachstums, sondern individueller Lösungen" - und genau für die sei das Amt ja da. Sagt einer, der nun mit zu den dienstältesten Behördenleitern zählt und auch schon 40 Jahre Dienst als Beamter auf dem Buckel hat. Im Rückblick "empfinde ich große Dankbarkeit", sagt Wolf. Und im Blick auf den Hopfenschmuck in seinem Büro sagt er: "Das Amt muss ein Gesicht haben! " Ja - es gehört seinem Leiter.