Nürnberg
Memorium kommt nicht vom Fleck

Die Leiterin geht, die Umbaupläne ruhen - Die Viruspause hat das Museum "Nürnberger Prozesse" schwer getroffen

17.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:23 Uhr
Der historische Gerichtssaal 600 ist das Herzstück des "Memorium Nürnberger Prozesse". −Foto: Müller-Rieger

Nürnberg - Zunächst ist alles wie am Schnürchen gelaufen.

2015 hat Henrike Claussen die Leitung des Museums "Memorium Nürnberger Prozesse" übernommen. Nach dem Auszug der Justiz aus dem Schwurgerichtssaal 600 sollte am historischen Schauplatz der Kriegsverbrecher-Prozesse die Museumsarbeit richtig losgehen.

Kürzlich haben die Richter den Ostflügel des Justizpalasts geräumt, in dem einst Weltgeschichte geschrieben worden ist. Durch den Bau des neuen Strafjustizzentrums wäre nun eigentlich Platz für die ambitionierten Museumspläne, die Ministerpräsident Markus Söder und die Nürnberger Kultur-Bürgermeisterin Julia Lehner (beide CSU) bereits vor fünf Jahren verkündet haben. Doch der Startschuss für die Umbaupläne scheint weiter in der Ferne zu liegen.

Zwar hat der Freistaat seinerzeit Geld versprochen, um den historischen Justizsaal mithilfe von zahlreichen Videobeamern und transparenten Leinwänden in ein "virtuelles Geschichtsbuch" zu verwandeln. Mit allerlei Raffinessen sollten sich die Besucher hautnah in die Zeit der Prozesse zurückversetzt fühlen können. Hintergrund der Idee ist die Tatsache, dass nur zwei Bänke von der alten Ausstattung die Zeiten überlebt haben.

So weit, so gut. Könnte man meinen. Allerdings haben in der Corona-Pause wohl gleich mehrere Faktoren hinter die ehrgeizigen Zukunftspläne des Museums ein dickes Fragezeichen gesetzt. Das Memorium scheint nach der Virus-Krise nicht wie geplant vom Fleck zu kommen. "Wir haben viele Pläne, aber die Finanzierung ist nicht geklärt. Das ist der gordische Knoten, der ausgerechnet jetzt nach der Krise durchschlagen werden muss", sagt Museumsleiterin Henrike Claussen auf Nachfrage und verweist gleich auf dreieinhalb mehr oder weniger ungeklärte Umbaumaßnahmen, die allesamt mächtig ins Geld gehen.

Zunächst müsse der von der Justiz nun freigeräumte Ostbau des Justizpalasts für die geplanten Museumszwecke ertüchtigt werden, so Claussen, die hierfür mit Kosten zwischen fünf und zehn Millionen Euro rechnet. Erst danach könne die Dauerausstellung erweitert werden. Auch hierfür würden rund fünf Millionen fällig. Erst danach sei es sinnvoll, die Kernaufgabe mit dem Umbau des historischen Saals 600 anzugehen, der mit rund einer Million Euro für relativ wenig Geld zu haben sein soll. Das Gute: Die Kosten für die Umgestaltung des historischen Saales in eine multimediale Zeitmaschine will der Freistaat übernehmen. Das Schlechte: Damit ist es noch nicht getan.

Danach soll noch ein Besucherzentrum mit Platz für Kassen und Sonderausstellungen gegenüber dem Justizpalast auf dem Gelände einer alten Autowerkstatt gebaut werden. Hierfür rechnet Claussen nochmal mit deftigen Kosten in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags. Immerhin hat sich die Stadt bereits das Grundstück gesichert.

Henrike Claussen befürchtet, dass die finanziellen Folgen der Corona-Krise diese ellenlange Aufgabenliste rund um das Memorium gewaltig ins Stottern bringen. Ehrlicherweise könne sie nicht sagen, wie "das alles ausgehen" werde. Zu allem Überfluss ist kürzlich bekannt geworden, dass Claussen Nürnberg bald verlässt und im Herbst als Direktorin der neugeschaffenen "Stiftung Forum Recht" nach Karlsruhe geht. Mit den ungewissen Finanzierungsfragen habe der Weggang "nichts zu tun", versichert Claussen. Etwas frustriert sei sie zuletzt aber schon gewesen. Immerhin würden die Pläne für den Umbau des Saales 600 bereits seit fünf Jahren in der Schublade liegen. Bis zu ihrem Abschied will Claussen helfen, einen Lösungsweg zu finden.

Däumchen drehen kann Claussen bis zu ihrem Abschied sowieso nicht. Auch wenn derzeit kaum Besucher vor dem Museum auf der Matte stehen. Am 20. November sollte eigentlich der 75. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse mit einem großen Festakt gefeiert werden. Durch Corona steht auch hinter diesem Plan ein ganz großes Fragezeichen.

HK

Nikolas Pelke