Nürnberg
Kunstwerk soll Brücken bauen

In Gostenhof wollen Guido und Johannes Häfner mit ihrer "Brückenbauer"-Skulptur mehr Dialog wagen

24.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:43 Uhr
Guido und Johannes Häfner (von links) bauen ihre Skulptur am Portal der Dreieinigkeitskirche in Gostenhof auf. −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Wie eiserne Engelsflügel schweben die silbernen Brückenpfeiler über dem Erdboden.

"Noch ein wenig nach links", rufen Guido und Johannes Häfner dem Kranführer zu. Mit dicken Schrauben werden die zwei Brückenbögen, die an überdimensionale Stoßzähne aus Edelstahl erinnern, vor den Treppenstufen des evangelischen Gotteshauses im Nürnberger Stadtteil Gostenhof im Boden fest verankert.

Langsam nimmt der glänzende Bogen vor dem neogotischen Portal der Dreieinigkeitskirche seine wahre Gestalt an. Bewusst haben die Künstler-Brüder den Schlussstein in ihrer Konstruktion ausgespart. Der nach oben offene Spitzbogen soll den sozialen Charakter des Kunstwerks unterstreichen. "Wir haben das Grundgerüst geschafft. Aber die Seele für dieses Projekt kommt aus dem Stadtteil", erzählt Johannes, während Guido Häfner eine der über 300 Edelstahl-Plaketten am Grundgerüst anbringt, die mit unterschiedlichen Motiven von Menschen aus dem Viertel verziert worden sind.

"Diese Plaketten sind von Menschen aus Gostenhof entworfen worden. Die Bilder berichten von der kulturellen Vielfalt der Bewohner", sagt Johannes Häfner und zeigt auf die silbernen Bildtafeln, die Symbole aus aller Welt zeigen. Chinesische Schriftzeichen für Frieden stehen neben christlichen Symbolen wie dem bei Pilgern als Wegweiser bekannten Schneckenhaus. "Die 'Schwarze Katze' aus Gostenhof darf selbstverständlich auch nicht fehlen", freut sich Johannes, der ältere der beiden Häfner-Brüder, und zeigt auf die dunkle Silhouette eines Stubentigers, der es als Hauswand-Grafitti gelungen ist, zu einem von allen Geliebten "Gostenhof-Heiligtum" zu mutieren.

Ganz "heilig" sind die Menschen rund um die Dreieinigkeitskirche allerdings nicht mehr. In Gostenhof gehen der evangelischen Kirche sogar langsam aber sicher die Gläubigen aus. Kein Wunder: In dem Stadtteil leben knapp 10000 Menschen. Fast die Hälfte hat einen ausländischen Pass. Hinzu kommen 1500 Deutsche mit Migrationshintergrund. Die Zahlen hat das städtische Statistikamt vor zwei Jahren veröffentlicht. Die Tendenz dürfte klar sein und weiter nach oben gehen.

Auf diese Entwicklung wollen die Häfners mit ihrer "Brückenbauer-Mitmachskulptur" eine positive Antwort geben. Aus der kulturellen Vielfalt soll ein neues Gesamtkunstwerk entstehen. Unterstützung bekommen die Brüder von der Nürnberger Software-Schmiede Datev, die in Gostenhof ihren Stammsitz hat. "Wir leben nicht in einem luftleeren Raum", sagt Datev-Pressesprecher Till Stüve. Die Auseinandersetzung mit der Umwelt in Gostenhof gehört für das IT-Unternehmen zur kreativen Firmenphilosophie.

Mit dem Stadtteil will das Unternehmen mehr und mehr ins Gespräch kommen. Zuletzt hat das Softwarehaus eine graue Unterführungen mit Hilfe der Häfner-Brüder in ein buntes Kunstwerk verwandelt. Auch die Datev-Gärten mit der längsten Parkbank Nürnbergs sollen einen fruchtbaren Dialog mit der Nachbarschaft in Gang setzen.

Auch die Kirche unterstützt das Projekt. Pfarrer Peter Bielmeier versucht aus der Not eine Tugend zu machen, und das Gotteshaus als Kulturkirche für den gesamten Multikulti-Stadtteil zu öffnen. Nach der Einweihung soll die neue Skulptur im wahrsten Sinne des Wortes wie eine Brücke für ganz Gostenhof wirken und offene Debatten über das Zusammenleben rund um das Gotteshaus anstoßen. Erst durch diese Vollendung soll die soziale Skulptur wie mit dem letzten Schlussstein im Sinne von Joseph Beuys ihre tragende Funktion beweisen.

Nikolas Pelke