Hilpoltstein
Hochzeit auf Peruanisch

HK-Sportredakteur Christoph Enzmann schildert seine Erlebnisse als Gast in einem Land voller Kontraste

15.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:58 Uhr
  −Foto: Enzmann

Hilpoltstein (HK) Heruntergekommene, halb verputzte bunte Häuserfassaden, zahlreiche Müllsäcke, kaputte Stromleitungen, verrostete Autos, dazu zahlreiche Collectivos, Motortaxis, Fahrräder. Es ist eine faszinierende Szenerie, die man aus Deutschland so nicht kennt. Dazu kommt ein Temperaturunterschied von über 30 Grad in einer Stadt mit der höchsten UV-Strahlung auf dem Globus. Und plötzlich hält der Bus mit den Hochzeitsgästen vor einer wunderschönen Hacienda - ein Gutshof - wie er in einer betuchten Gegend genauso stehen könnte.

Es ist ein krasses Kontrastprogramm, das eine Gruppe aus dem Raum Ingolstadt hier in Peru durchlebt. Die Lentinger Willi Dick, Alexander und Christoph Enzmann, Kilian Heinloth, Stephan Hudi, Ralph Kerschensteiner, Eszter Kis, Andreas Wittmann sowie Lena Wamser aus Ingolstadt, Simon Hissen aus Geisenfeld und Christina Petz aus Vohburg sind gerade auf dem Weg zur Hochzeitsfeier ihrer Freunde Björn Engelhart und Claudia Cárcamo.

Das Paar hat sich in Hamburg kennengelernt, die standesamtliche Trauung fand bereits in Darmstadt - der Heimat von Björn - statt. Zur folgenden kirchlichen Trauung luden die beiden dann alle ihre Freunde in Perus Hauptstadt Lima ein. Claudia ist Peruanerin, ihre Familie stammt von dort. Als das Paar schließlich in der Hacienda vor den Hochzeitsgästen steht, ist es überwältigt. "Das hätten wir nie für möglich gehalten, dass so viele unserer deutschen Freunde diesen weiten Weg auf sich nehmen, um mit uns diesen besonderen Tag zu feiern", sagt der Bräutigam. "Ihr seid genial."

Tatsächlich haben alle Gäste aus Deutschland die insgesamt rund 15 Stunden Flug einmal um den halben Erdball auf sich genommen, um Teil dieser deutsch-peruanischen Hochzeitsfeier zu sein. Die Deutschen - neben den Eingeladenen aus der Region Ingolstadt sind auch noch rund 20 Freunde aus Hessen dabei - stellen somit rund die Hälfte der Hochzeitsgäste. Die deutschen Freunde sind im für Landesverhältnisse betuchten Stadtviertel Miraflores - das an westliche Standards erinnert und kein Vergleich ist zu den anderen Teilen des chaotischen ärmeren Limas - untergebracht und nehmen fast ein komplettes Hotel für sich ein.

Ein Pisco Sour zur Begrüßung, dann geht es mit Taxis zur Kirche Francisco de Asis in Limas Künstlerviertel Barranco. Die Hochzeitsmesse zelebriert der Pfarrer zwar komplett in spanischer Sprache, doch die Braut übersetzt immer wieder. Vom Ablauf erinnert vieles an eine deutsche Hochzeit, doch es gibt auch Unterschiede. "Kein Glockengeläut, keine Orgel, kein Chor, dafür ein Sänger mit Gitarre, der bei allen sehr gut ankommt", sagt Stephan Hudi. Die Stimmung ist gelöst, als Bräutigam Björn - der kaum spanisch spricht - während der Trauung einen Teil seines Textes vergisst. Er bekommt vom Pfarrer und der Braut sofort Unterstützung und so geht alles reibungslos über die Bühne.

Während es für das Brautpaar danach weiter zum Fotoshooting geht, steht für die Hochzeitsgäste ein Bus bereit, der sie in einer halbstündigen Fahrt zur Hacienda de Mosta im Stadtteil Chorrillos bringt. Dort erinnert dann nichts mehr an die ärmlichen Verhältnisse im Großteil des Landes. Alles ist perfekt dekoriert, vorbei an akkurat geschnittenem grünem Rasen und einem Swimmingpool dürfen sich die Gäste an fein gedeckte runde Tische setzen. Kellner servieren peruanische Spezialitäten wie Hähnchenflügel mit scharfer Soße und Kroketten, zu trinken gibt es neben Bier, Wasser und Wein natürlich den landestypischen Cocktail Pisco Sour, ein Traubenbrand mit Eiweißhaube. Nach einigen Ansprachen und einem peruanischen Büffet wird dann das Tanzbein geschwungen. Und zwar von 5 Uhr nachmittags bis zum Ende kurz nach Mitternacht.

Das Eis zwischen Deutschen und Peruanern ist trotz Sprachbarriere schnell gebrochen. Besonders wild wird es, als die sogenannte Hora Loca, die verrückte Stunde, anbricht. Dabei heizen mehrere Animateure den Gästen so richtig ein. Sogar Gogotänzerinnen und -tänzer sind mit dabei. "Eine Gogostange habe ich bisher auf keiner deutschen Hochzeit erlebt", sagt Simon Hissen erfreut und zugleich verwundert. Am Ende tanzen und lachen Deutsche und Peruaner miteinander. "Die Hochzeit wurde als Hollywood-Hochzeit tituliert und genau das ist sie. Viele offene Menschen, die zusammen feiern. Im Vergleich zu einer deutschen Hochzeit gibt es nicht so viele Spielchen", fasst der Bruder des Bräutigams, Thorsten Engelhart, diesen Tag zusammen. "Mich hat besonders die Rede von Björn fasziniert, in der er schildert, wie herzlich er als Deutscher von Claudias Familie hier in Peru aufgenommen wurde und an den Gesichtern der Peruaner hat man genau gemerkt, dass es stimmt", fügt Andreas Wittmann hinzu. Weil die Mutter des Bräutigams nicht dabei sein kann, wird die Feier übrigens per Livestream nach Deutschland übertragen.

Für die deutschen Gäste - die durch ihren Verein Hessenbayern alle freundschaftlich verbunden sind - geht damit ein unvergesslicher Tag, aber noch lange nicht ihre Zeit in Peru zu Ende. In den folgenden zwei Wochen bereisen sie das Land, machen viele tolle Begegnungen mit freundlichen Menschen, erleben aber auch böse Überraschungen. So wird für die Lentinger Alexander und Christoph Enzmann sowie Stephan Hudi und Nadja Pils die dreistündige Taxifahrt vom Strand des Touristenorts Mancora zum Flughafen Piura im Norden des Landes zum Abenteuer: Erst tankt der Fahrer für die rund 130 Kilometer nur eine Gallone Benzin, also kaum zwei Liter, dann tuckert er viel zu langsam die Straßen entlang und schließlich stellt sich heraus, dass er keinen Schimmer hat, wo der Flughafen eigentlich ist. Die vier sind heilfroh, als sie einfach aus dem Auto sind - ihren Flug verpassen sie allerdings.

Nicht weniger abenteuerlich ist für einen Teil der Gruppe ein Besuch auf dem Markt in Limas Armenviertel La Victoria. Chaotisch geht es dort zu. Es wuselt von Menschen, die Verkaufsstände sind dicht an dicht aneinander gereiht. Die Luft ist stickig, die Gebäude um den Markt herum sind marode, dazu kommt der Verkehrslärm, das ständige Gehupe, der viele Müll.

Die Einheimischen sind alle sehr freundlich und offen, einige wollen mit den Deutschen ein Foto machen. Touristen kommen wohl nur selten hierher. Die Händler bieten vor allem Kleidung an, aber auch viel Essen, etwa das peruanische Nationalgericht Ceviche - roher Fisch eingelegt in Zitronensaft. Dazu Hähnchenflügel, Kokosnüsse und süßes Gebäck.

Aufmerksamkeit erregt eine lustige Art Lottospiel. Eine junge Frau animiert die Umstehenden, auf ihr Meerschweinchen zu wetten, das sie auf einem Karton umherträgt. Die spannende Frage ist: In welches der vielen nummerierten Schlupflöcher wird das Meerschweinchen verschwinden, wenn es auf den Boden gesetzt wird? Über jedem der gelben Pappkartons sind schon mal die Preise - Kochtöpfe, Wasserkocher und Plastikschüsseln - aufgestapelt.

Viel weiter voran kommt die Gruppe dann auch nicht. Schon nach wenigen Metern stehen bewaffnete Polizisten und warnen Touristen, weiter zu gehen. Es sei gefährlich und auf eigenes Risiko. So geht es dann doch lieber zurück ins Hotel. Apropos gefährlich: Für Simon Hissen und seine Freundin Lena Wamser ist der Besuch der zweitgrößten Stadt Perus, Trujillo, eine kuriose Erfahrung. "Die meisten Läden sind hier verbarrikadiert und geben Waren nur über kleine Fenster durch die Gitter heraus. Zudem sind an öffentlichen Plätzen fast genau so viele Polizisten wie Passanten unterwegs", erzählt das Paar. Auch die Auswirkungen der Unruhen in Venezuela habe man gespürt. "Wir haben viele geflüchtete Familien gesehen, die hier mit Kind und Kegel vorwiegend auf der Straße leben müssen."

Doch das Land hat auch andere, noble Seiten. Bereits zu Beginn der Reise steht mit der Silvesterfeier in einem schönen Strandrestaurant Limas ein Höhepunkt an. Ein Großteil der Gruppe erscheint dort in kompletter bayerischer Tracht und zieht so die Blicke der Einheimischen auf sich. Auch das Abschießen von Feuerwerkskörpern ist in Peru unüblich und so ist Simon Hissen der einzige, der am Strand Böller und Raketen zündet.

Zum Pflichtprogramm des Hessenbayern-Vereins gehört natürlich die weltbekannte Inka-Stadt Machu Picchu inklusive Wanderung auf den über 3000 Meter hoch gelegenen Machu-Picchu-Berg, von dem aus die Gruppe eine traumhafte Aussicht auf die Inka-Stätte und das Gebirge drumherum genießt. Einige genießen noch ein paar ruhige Tage am Strand, andere unternehmen noch kurze Ausflüge.

Andreas Wittmann und seine Freundin Eszter Kis besuchen in Lima das sechstbeste Restaurant der Welt und probieren dort in einem 16-Gänge-Menü Spezialitäten wie Piranhahaut auf Yucca-Wurzel-Chip oder Kakaofrucht mit süßem Lehm und Cocablättern. Zuvor haben sie einige Tage in der Wüste um Huacachina etwa vier Autostunden südlich von Lima verbracht und außerdem im Dschungel Papageien, Affen, Alligatoren, Faultiere und sogar einen Jaguar gesehen. "Die Vielfalt des Landes macht Peru schon besonders", fasst es Wittmann treffend zusammen.

Christoph Enzmann