Hilpoltstein
Ein Rathaus mit langer Tradition

Hilpoltsteiner Rathaus1417 als Handelshaus gebaut und oft saniert

17.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:16 Uhr
Hinter den beiden linken Fenstern hat Franz Stadler (71) jahrzehntelang als geschäftsleitender Beamter gearbeitet. −Foto: Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Das Hilpoltsteiner Rathaus hat eine lange Geschichte hinter sich, 1417 als Handelshaus gebaut und oft saniert, steht es unter Denkmalschutz. Vor allem die jüngere Geschichte kennt keiner so gut wie Franz Stadler, der hier knapp 48 Jahre lang gearbeitet hat.

Als der 17-jährige Franz Stadler am 1. September 1964 seine Ausbildung in der Hilpoltsteiner Stadtverwaltung beginnt, werden im Rathaus noch Schweine auf die Waage getrieben und Kämmerer Alfons Böll muss die schweren Gewichte hin- und herschieben und die Gebühr kassieren. "Die Metzger hatten keine eigene Waage", sagt Stadler. Deswegen wurden die Schweine der Bauern vor dem Verkauf im Rathaus gewogen. Erst 1972 zog hier das Standesamt ein, heute hat hier das Bauamt seine Büros. Gleich neben der Viehwaage, am heutigen Haupteingang, wurden Fuhrwerke und Gespanne gewogen. Und auf der Seite zum Amtsgericht standen die beiden Feuerwehrautos der Stadt. "Bei Alarm hat der Post-Michl die Tore aufgesperrt", erinnert sich Stadler, der exakt 47 Jahre und 7 Monate seines Arbeitslebens im Rathaus verbracht hat.

"In der Grundstrucktur ist das Rathaus erhalten geblieben", sagt der heute 71-Jährige. Verschwunden ist lediglich die große Treppe an der Seite zum Marktplatz, Trotz vieler Umbauten und Sanierungen kann das Rathaus seinen Ursprung nicht verleugnen: Es wurde 1417 nämlich als Handelshaus gebaut, mit einer Durchfahrtachse in jede Richtung. Krämerläden verkauften im Erdgeschoss ihre Waren aus kleinen Verschlägen heraus. Bis zur Gebietsreform 1972 waren hier noch die Büros des Volksbildungswerks und des Hilpoltsteiner Kurier.

Viel Platz brauchte die Verwaltung nicht, als Franz Stadler direkt nach der Realschule seine Laufbahn im Rathaus begann. "Es war damals eine reine Hoheitsverwaltung", sagt Stadler. Es gab ein Einwohnermeldeamt und eine Kämmerei, aber kein Kulturamt, kein Jugendamt und nicht einmal ein Passamt. Das Bauamt wurde erst 1965 eingeführt. Der erste Stadtbaumeister Alfred Bengl war "Alleinunterhalter", wie Stadler sagt, in einem Zimmerchen mit zwölf Quadratmetern, nur durch einen Bretterverschlag vom Einwohnermeldeamt abgetrennt. "Das Baurecht war früher ein dünnes Heftchen, jetzt sind es mit Kommentaren vier dicke Bände. Alle reden über Bürokratieabbau, aber die Vorschriften sind immer mehr geworden."

Bürgermeister Rudolf Lang, Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts in der Christoph-Sturm-Straße, arbeitete noch bis 1972 ehrenamtlich. "Meistens ist er am Nachmittag ins Rathaus gekommen", sagt Stadler. "Die Möbel stammten noch aus der Kriegszeit. Ein Sammelsurium an Stühlen, Schränken und Tischen." EDV war ein Fremdwort. Im Einwohnermeldeamt wurden die Karteikarten noch mit der Hand geschrieben, im ganzen Rathaus gab es eine einzige elektrische Schreibmaschine und eine mechanische Rechenmaschine der Marke Olivetti, "ein Ungetüm mit einer Unmenge von Hebeln", erinnert sich Stadler. "2500 Mark hat die Olivetti gekostet - ein Heidengeld." Mit diesem Ungetüm rechnete Kämmerer Alfons Böll. Jedes Mal, wenn er den Hebel zog, ratterte die Maschine los, wie Franz Stadler heute mit einem schelmischen Lächeln vorführt.

Anfang der 1970er-Jahre kamen dann bereits die ersten Taschenrechner aus Amerika auf den Markt. Sie waren wesentlich kleiner und kosteten nur einen Bruchteil der Olivetti. Die 70er-Jahre brachten überhaupt jede Menge Umbrüche. Der Landkreis Hilpoltstein ging bei der Gebietsreform im neuen Landkreis Roth auf, gleichzeitig wuchs die Stadt durch die Eingemeindungen schlagartig von 5000 auf rund 8500 Einwohner.

"Wir hatten dann mehr Bedarf", erzählt Stadler, für den sich damals auch persönlich viel änderte. Erster hauptamtlicher Bürgermeister wurde Leo Benz (CSU), sein Gegenkandidat Alfons Böll von der SPD unterlag knapp und wechselte als Kämmerer nach Allersberg. Sein Nachfolger in Hilpoltstein wurde Franz Stadler. Er blieb nur vier Jahre im Amt, dann hat Leo Benz ihn aufgefordert, den Job des geschäftsleitenden Beamten zu übernehmen. "Das wollte ich eigentlich gar nicht, aber er hat mich auf seine Art überzeugt", erzählt Stadler mit einem Schmunzeln. Er freundete sich mit seiner neuen Aufgabe als "Mädchen für alles" an und blieb. Fünf Bürgermeistern hat Stadler die Verwaltung geführt, "immer im gleichen Haus, fast immer im gleichen Zimmer und ich glaube auf nur zwei verschiedenen Stühlen", sagt er. Die bekam er immer, wenn ein Bürgermeister renovieren ließ. Der ehemalige Chefsessel von Leo Benz war bei seiner Pensionierung 2012 das Abschiedsgeschenk seiner Kollegen.

Benz ließ das Rathaus nach der Gebietsreform umbauen. Eine Bürgerinitiative unter der Regie des Buchhändlers Robert Schmid und Gänsbachratsch'n Winnie Mierlein verhinderte damals, dass die Fachwerkfassade wieder verputzt wurde, wie es das Landesamt für Denkmalpflege gefordert hatte.

Die Verwaltung war inzwischen auf rund 20 Vollzeitstellen angewachsen und platzte aus allen Nähten. Benz kaufte 1992 daher das alte Gesundheitsamt gegenüber, sein SPD-Nachfolger Bernd Beringer ließ das Rathaus noch einmal komplett sanieren. Das hätte Franz Stadler beinahe den Arbeitsplatz gekostet. Denn Beringer wollte in dessen schönes Eckzimmer einziehen, Stadler hätte das heutige Bürgermeisterzimmer bekommen. Doch dann wurde im Bürgermeisterzimmer eine alte Bohlenwand hinter dem Schreibtisch entdeckt. "Das war mein Glück", sagt Stadler. Beringer wollte nicht mehr tauschen.
 

Robert Kofer