Eichstätt
Im Spannungsfeld Ost-Jerusalem

Die Eichstätterin Serafina Kommissari absolviert ein Freiwilligenjahr an einer interreligiösen Schule

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr

Foto: Dagmar Kusche

Eichstätt (HK) Das Damaskustor - einer der wichtigsten historischen Zugänge zur ummauerten Altstadt von Jerusalem. Nirgendwo sonst begegnen einander die verschiedenen Gruppen der israelischen und palästinensischen Gesellschaften sowie Vertreter der christlichen Kirchen so eng wie an diesem Tor zwischen Ost- und Westjerusalem. Direkt dort, auf der zu Palästina gehörenden Ostseite der Stadt, befindet sich die "Schmidt-Schule", eine internationale Einrichtung mit herausragendem Ruf, an der die Eichstätterin Serafina Kommissari (kleines Foto) derzeit einen Freiwilligendienst absolviert. Ende Juni hat die 19-Jährige am Gabrieli-Gymnasium ihr Abiturzeugnis entgegengenommen, nun zieht es sie nach Jerusalem, in jenes Spannungsfeld von Judentum, Christentum und Islam.

Im Herbst vergangenen Jahres hat Serafina Kommissari mit ihrer Mutter eine Studienreise nach Israel unternommen und war voller unvergesslicher Eindrücke zurückgekehrt: "Besonders die religiöse Vielfalt, die leider immer wieder Anlass zu Konflikten und Gewalt gibt, hat mich sehr fasziniert. Zugleich habe ich die Menschen als sehr offen und versöhnlich im täglichen Miteinander erlebt", berichtet Kommissari. Vor allem Jerusalem als Zentrum der drei Weltreligionen habe sie in den Bann gezogen. Bei ihrer Besichtigungstour in der Heiligen Stadt habe sie auch die interkulturelle Schmidt-Schule kennengelernt, deren Bedeutung und Arbeit im Hinblick auf interreligiösen Dialog der Reiseleiter besonders hervorgehoben habe.

Zurück in Eichstätt ließen die vielfältigen Eindrücke die junge Abiturientin nicht mehr los: "Ich habe intensiv im Internet recherchiert und bin dann auf den ,Deutschen Verein vom Heiligen Lande' (DVHL) gestoßen, der an verschiedenen Institutionen in Israel Freiwilligendienste für Jugendliche anbietet," erzählt Kommissari. Dann ging alles ganz schnell: Sie bewarb sich für einen der ausgeschriebenen Jugendfreiwilligendienste, reiste zu Bewerbungsgesprächen nach Bonn und erhielt tatsächlich ihre Wunschstelle - ein Jahr an der Schmidt-Schule in Ost-Jerusalem: "An dieser Schule reizt mich besonders die Tatsache, dass bei der Ausbildung der Mädchen so viel Wert auf interreligiöse Erziehung und interkulturelles Verständnis gelegt wird", sagt Kommissari mit großer Überzeugung.

Palästinensischen Mädchen, die auf Grund der patriarchalischen Gesellschaftsstruktur oftmals keine oder nur wenig Aussicht auf höhere Bildung hätten, werde an der Schmidt-Schule eine echte Chance gegeben, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.

Der Nahe Osten und mit ihm das Thema der Religionsvielfalt interessiert die junge Eichstätterin schon länger: "Es hat mich schon immer beschäftigt, dass Menschen so schnell nach Religionen trennen und damit Barrieren errichten", erklärt Kommissari und berichtet von der eindrücklichen Begegnung mit armenischen, äthiopischen, orthodoxen und vielen anderen Christen ebenso wie mit Juden und Muslimen in Jerusalem. "Ich erhoffe mir, in Jerusalem ein tieferes Verständnis für die Weltreligionen, aber auch für den Nah-Ost-Konflikt zu erlangen", so beschreibt sie ihre Hauptmotivation für ihren Freiwilligendienst.

An der Schmidt-Schule wird die Abiturientin nun ein Jahr lang die Möglichkeit haben, praktisches friedenspolitisches Engagement und gelebten interreligiösen Dialog an einer 130 Jahre alten Bildungsinstitution kennenzulernen. Denn die Grundidee der 1886 vom Konvent der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus begründeten, heute in der Trägerschaft der Congregatio Jesu (Maria-Ward-Schwestern) und im Besitz des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande befindlichen katholischen Schule ist es, die Verständigung und Versöhnung der Religionen zu fördern. 560 Schülerinnen, 75 Prozent von ihnen muslimisch und 25 Prozent christlich, werden an der Schmidt-Schule von der Grundschule bis zum deutschen Abitur und dem arabischen Pendant, dem Tawjihi, von einem ebenso religiös gemischten Lehrerkollegium unterrichtet: "Bei den Lehrern ist das Verhältnis umgekehrt", weiß Kommissari, "25 Prozent der Lehrer sind Muslime, 75 Prozent Christen." Die Unterrichtssprache sei Deutsch, die Umgangssprache Englisch. Über allem stehe die Leitidee einer interreligiösen Persönlichkeitsentwicklung der jungen Mädchen, die dafür stark gemacht werden sollen, in der aktuellen Situation und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, so die junge Eichstätterin. In Israel gelte die Schule als eine von weltweit 140 deutschen Auslandsschulen als ein hochgeschätztes Bildungs- und Erziehungszentrum. Fast alle Absolventinnen der Schmidt-Schule nähmen nach dem Schulbesuch ein Universitätsstudium auf, die Absolventinnen seien auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.

Mit großer Spannung sieht Serafina Kommissari nun ihrem Aufenthalt in Ost-Jerusalem entgegen, wo sie bald täglich auf das imposante Damaskus-Tor, das Nadelöhr zwischen Altstadt und Neustadt und Begegnungsort vieler Gläubiger aller Religionen, blicken wird. Natürlich, das ist Kommissari klar, ist dies zugleich ein Ort, an dem immer wieder Gewalttaten passieren. Doch dies beunruhigt sie nicht, denn in der Obhut der Schmidt-Schule werde sie sich sicher fühlen können. Vor ihrer Abreise absolviert die Abiturientin noch einen Vorbereitungskurs in Bonn. Sie weiß aber jetzt schon, dass sie in Jerusalem zusammen mit zwei anderen Freiwilligen aus Deutschland in einer Wohngemeinschaft auf dem Schulgelände wohnen wird, dort im Unterricht, aber auch in der Bibliothek, bei Ausflügen und anderen Aktivitäten der Schulgemeinschaft mitwirken darf. Und noch etwas wird ganz neu für Serafina Kommissari sein. Sie wird zwei freie Tage in der Woche haben: "Freitag ist der Feiertag der muslimischen und Sonntag der Feiertag christlichen Schülerinnen. Die Schule berücksichtigt selbstverständlich beide Feiertage."