Hilpoltstein
Der Mut der Enthüllung

Performance zur offiziellen Einweihung des ersten öffentlichen Kunstwerks in der Hilpoltsteiner Innenstadt

14.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:46 Uhr
Verhüllung vor der Enthüllung: Der Künstler Robert Kessler wickelt seine Skulptur mit Plastikfolie ein. −Foto: Meyer

Hilpoltstein (HK) Mit einer Performance hat der Aschaffenburger Künstler Robert Kessler gestern Nachmittag auf dem Hilpoltsteiner Residenzplatz sein Kunstwerk "Mutes Flügel" eingeweiht.

Kurzerhand wickelte er den unteren Teil seiner Großskulptur mit Plastikfolie ein - um sie dann von einem Zuschauer enthüllen zu lassen.

Der junge Hilpoltsteiner Kilian Kaupp meldete sich spontan, griff zur Schere und riss die Folie kurzerhand in Stücke. "War das jetzt Mut - oder Wut? ", sinnierte der Künstler. Wohl eher Wut, glaubte er, und gab dem jungen Mann die Chance, seine Wut zu transformieren. Dieser durfte das erste öffentliche Kunstwerk der Stadt Hilpoltstein mit einer Flasche Sekt taufen.

Dies war der vorläufige Schlusspunkt unter eine rund zwei Jahre andauernde Vorgeschichte - von der ersten Überlegung über einen entsprechenden Stadtratsbeschluss bis hin zum Aufstellen der Skulptur.

Mitten aus dem Platz der Residenz erwachsen nun zwei aufstrebende Flügelschwingen aus Edelstahl, die zu Federn stilisiert mehr als drei Meter in den Himmel ragen. Die Federn sind farbig lackiert und simulieren die Spiegelung des Himmelsblau.

Ein begehbares Kunstwerk sei es geworden, sogar irritierend interaktiv, hat Helge Wütscher, einer der Vorstände des Berufsverbandes professioneller Bildender Künstlerinnen und Künstler, der den Kunstwettbewerb begleitet hat, festgestellt. Als er sich in das Kunstwerk gestellt habe, um die Spiegelung zu betrachten, "habe ich fast das Gleichgewicht verloren". Vor allem habe ihn aber der erste Eindruck begeistert. "Als ich hier ankam und es sah, dachte ich: Wow, das passt! "

So denken allerdings nicht alle Hilpoltsteiner, einer der Gäste, machte sich Gedanken um den Ensembleschutz, eine Frau räsonierte: "So scheußlich ist es doch gar nicht. " Bürgermeister Markus Mahl kann mit solchen Meinungen leben. "Pecht gehabt", meinte er. "Man kann es nicht jedem Recht machen. "

Auf jeden Fall ist es ein Novum für Hilpoltstein. Der erste Kunstwettbewerb, den die Stadt im vergangenen Jahr ausgelobt hatte, hatte bayernweit große Aufmerksamkeit erfahren. Die Resonanz bei Künstlern war enorm. Vier ausgewählte Finalisten, die als erstklassige Koryphäen ihres Fachs gelten, reichten ihre Modellentwürfe ein: Bernd Wagenhäuser aus Bamberg, Gregor Passens aus München, Michael Brentano aus Seeshaupt und Robert Kessler aus Aschaffenburg. "Mutes Flügel" von Robert Kessler mit seiner universellen Botschaft hatte es der neunköpfigen Jury am meisten angetan. "Die Skulptur nimmt Bezug auf den Mut, Dinge zu tun oder zu lassen", hatte Kessler damals bei der Vorstellung seines Werkes gesagt. "Mut beflügelt uns und ist das Schönste, was es gibt. Ich wollte darstellen, dass wir durch Unterstützung Mut bekommen, aber auch, dass ich selber mutig etwas schaffe", so Kessler.

Als Betrachter des Siegerkunstwerks könne man sich künftig auch in die Flügel des Mutes hineinstellen. Man spiegle sich in dem Kunstwerk, wenn man es betritt. "Das hilft einem, wenn man Angst hat oder Mut braucht. "

Die Edelstahlkonstruktion, die in Wiesbaden angefertigt, aber von Kessler eigenhändig poliert und lackiert worden ist, ist 3,50 Meter hoch, hat eine Spannweite von 5,5 Metern und ist 124 Kilogramm schwer. Mit einem Kran war die Skulptur Ende Juni vor der Residenz aufgestellt und mit dem Bodenfundament verschraubt worden. Es war Kesslers Wunschplatz, zentral und sehr belebt. In Nürnberg sei öffentliche Kunst teils zu schnödem Mobiliar zwischen Straßenlaternen und Mülleimern verkommen, sagte Wütscher. Er glaube aber nicht, dass dies in Hilpoltstein der Fall sein werde. "Das Kunstwerk hier ist etwas ganz Außergewöhnliches. "

Monika Meyer