Hilpoltstein
Kaum eine Branche bleibt verschont

Wirtschaft in der Region hat bereits schwer mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen

07.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:32 Uhr
Dass auch Bäckereien unter der Krise schwer zu leiden haben, mag zunächst erstaunen. Jedoch fallen als Kunden derzeit die Schulen und die Gastronomie weg. Zudem gehört zu vielen Bäckereien ein Cafébetrieb, der jetzt zwangsweise ruht. −Foto: Büttner, dpa

Hilpoltstein - Die Corona-Krise schlägt eine tiefe Schneise in die Wirtschaft der Region.

 

Kaum ein Branche bleibt von Auswirkungen verschont. Laut einer Umfrage der IHK Mittelfranken rechnen über 80 Prozent der Befragten mit Umsatzeinbußen - mehr als die Hälfte davon in Höhe von mehr als einem Viertel des Jahresumsatzes.

Laut Lars Hagemann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle für die Landkreise Roth und Nürnberger Land sowie der Stadt Schwabach, gibt es bereits Signale, dass Unternehmen Investitionen zurückfahren wollen. "Erkennbar ist dies daran, dass die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen bereits jetzt stark rückläufig ist und dass bereits erteilte Aufträge storniert werden. " In Folge würden zur Liquiditätssicherung Investitionsvorhaben zumindest zeitlich nach hinten verschoben werden müssen.

Zur Frage, ob Betriebe bereits in Schwierigkeiten steckten, sagt er: "In Anbetracht der bereits aktuell sehr hohen Fallzahlen bei der Beantragung von Soforthilfe und Kurzarbeit muss diese Frage leider mit einem klaren Ja beantwortet werden. " Auch von Entlassung "muss ausgegangen werden. Anhand der hohen Antragszahlen für Kurzarbeit lässt sich aber ablesen, dass die Arbeitgeber sehr bemüht sind, ihre Beschäftigten zu halten. "

Bereits in der vergangenen Woche hätten der Agentur für Arbeit allein für den Landkreis Roth 54 im System erfasste Anzeigen für Kurzarbeit vorgelegen, insgesamt 1566 Menschen sind betroffen. Nach Meinung der Arbeitsagentur liegt die wirkliche Zahl der Anzeigen und der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer deutlich höher. Auch Insolvenzen will Hagemann nicht ausschließen.

Die Branchen, die florieren, haben mit anderen Problemen zu kämpfen, ihnen fehlen Material und Arbeitskräfte. Wobei es in der Region nach IHK-Informationen eher Arbeitskräfte sind, die fehlten, so Hagemann. Im Besonderen treffe es da den Lebensmittelbereich. Die IHK bietet ihren Mitgliedsunternehmen zum Thema Corona neben einer umfassenden Beratung ständig aktuelle Infos unter www. ihk-nuernberg. de. Seit Donnerstag bedient die IHK zusammen mit der Handwerkskammer für Mittelfranken für die Regierung von Mittelfranken eine Service-Hotline der Staatsregierung und des Bundes. Ein spezielles IHK-Service-Team beantwortet unter der Nummer (0911) 13351555 die Fragen der Unternehmer zur Soforthilfe.

Die bisherigen staatlichen Hilfen setzen nach Meinung der IHK-Mitglieder grundsätzlich an den richtigen Stellen an. Als weitere mögliche Maßnahmen wünscht man sich eine Senkung von Unternehmenssteuern oder weitergehende Möglichkeiten für Steuerstundungen. . Weiter sollten die Soforthilfen aufgestockt, weitere Erleichterungen bei der Kurzarbeit ermöglicht oder ein allgemeines Konjunkturprogramm aufgelegt werden.

Auch bei vielen Handwerksbetrieben gilt jetzt schon die höchste Alarmstufe. Seit dem Montag, als die Schulen geschlossen wurden, seien die Telefone in der Handwerkskammer Mittelfranken-Süd nicht mehr stillgestanden, sagt Geschäftsführer Sebastian Dörr. Fragen um das Kurzarbeitergeld haben dabei im Mittelpunkt gestanden. Nochmals gesteigert hat sich das Aufkommen, als entscheiden wurde, dass auch Friseure und Kosmetikstudios zumachen müssen. "Die hatten schlagartig überhaupt keine Einkünfte mehr", sagt Dörr. Wobei er darauf verweist, dass lediglich für festangestellte Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt werden können. "Für Auszubildende geht das erst nach sechs Wochen und für geringfügig Beschäftigte muss der Chef aufkommen. "

Aber auch aus anderen Handwerksberufen kamen Meldungen. Auf den ersten Blick erstaunen mag dabei, dass etliche Bäcker schon unter den ersten waren. Zunächst seien es die Schulen gewesen, an die nicht mehr geliefert werden konnte, dann die Gastronomie und schließlich die eigenen Cafés der Bäckereibetriebe. "Wer nur seinen eigenen Laden hat, der wird sicher nicht klagen, aber jeder der viele Lieferungen nach außen hat", so Dörr. Nicht so schlimm sei es bei den Metzgern, aber auch hier fehlten Partyservice und Gaststätten.

Differenziert ist es bei den Betrieben im Bau- und Produktionsbereich. "Beim Ausbaugewerbe würde ich sagen, 70 Prozent plus und 30 Prozent minus", sagt Dörr. Jetzt, wo das Wetter besser sei, gehe es raus und Maler könnten beispielsweise Fassadenaufträge annehmen. Um im Freien zu bleiben: Bei den Hoch- und Tiefbauern sieht Dörr eher Personalengpässe als mangelnde Aufträge. Ein spezielles Problem hätten Schreiner, ihnen fehlten zum Teil die Rohstoffe, sprich, das Holz aus Österreich und Italien.

Problematisch sieht Dörr auch die sogenannten Soforthilfen. Darunter hätten nicht wenige eine unbürokratische schnelle Unterstützung verstanden, um Liquididätsengpässe zu überbrücken. "Aber eigentlich bekommt die Soforthilfen nur der, der wirklich direkt am Abgrund steht. " Und "sofort" stimme auch nicht.

Ein Teil der Probleme dreht sich auch um die Folgen des Virus selbst. Was passiert, wenn ein Mitarbeiter in Quarantäne muss, was, wenn die ganze Mannschaft in Quarantäne muss? Wer bezahlt dann was? Bei Quarantäne sei es in meisten Fällen so geregelt, dass der Arbeitgeber zahlt und das Geld dann vom Staat zurückbekommt, sagt Dörr. In manchen Fällen könne dies aber aufgrund des Arbeitsvertrags auch anders geregelt sein.

Die Wirtschaftsförderung im Landkreis hat besonders Direktvermarkter, Gaststätten, Einzelhändler, Bäcker, Metzger - letztlich alle, die mit der Versorgung zu tun haben - im Blick. Erst dieser Tage wurde wieder eine größere Kampagne mit Anzeigen und Flyern gestartet, um auf die aufmerksam zu machen, die derzeit liefern oder bei denen man etwas abholen kann. Die erste Kampagne hat laut Thomas Pichl bereits einen Boom ausgelöst. Nun habe man noch einmal - kostenfrei für alle, die mitmachen - nachgelegt. Dabei hat man auch berücksichtigt, dass nicht jeder liefern kann. Hier suche man die Unterstützung von Nachbarschafts- und Bürgerhilfen, um ein Netzwerk entstehen zu lassen, sagt Pichl.

Rückmeldungen bekommt der Wirtschaftsförderer vor allem von den Betrieben, mit denen seit Jahren schon eng zusammengearbeitet werde. Auch hier kommen viele Fragen zu den Hilfsprogrammen. Wobei Pichl darauf verweist, dass die Regierung derzeit eine Flut von Anträgen bewältigen muss. Die Ansage sei zwar schnell und zügig, trotzdem müsse jeder Antrag erst einmal bearbeitet werden. Wobei er einschränkt, dass diese Förderung, wenn es wirklich an die Existenz geht, "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist".

Im Jahreslauf unternimmt die Wirtschaftsförderung normalerweise zahlreiche Aktionen zusammen mit den Landkreisbetrieben. Aktuell stünden die Spargelwochen an. Prognostizieren lässt sich dazu im Moment wenig. Trotzdem: "Wir stehen Gewehr bei Fuß und werden sofort reagieren, falls sich etwas ändert.

HK

 

Rainer Messingschlager