Hilpoltstein
"Das ist absolut existenzbedrohend"

Große Not bei Spargel- und Hopfenbauern: Einreiseverbot für ausländische Saisonkräfte könnte Betriebe zerbrechen

26.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:22 Uhr
Folie hin, Folie weg: Spargelbauern können das Wachstum des Gemüses zeitlich ein wenig steuern. So könnte die Ernte verzögert werden, bis eine Lösung für den Arbeitermangel gefunden ist. −Foto: Leykamm

Hilpoltstein - Für die dringend benötigten rumänischen Erntehelfer sind die ersten Flüge schon gebucht gewesen.

 

Nun hat sie Markus Harrer vom Hilpoltsteiner Federhof aber wieder stornieren müssen. Nach Anordnung aus Berlin dürfen bis auf weiteres keine Saisonarbeitskräfte mehr einreisen. Für den bäuerlichen Betrieb mit Schwerpunkt Spargelanbau ist das eine Katastrophe: Es droht der Verlust der kompletten Ernte - und auch der Existenz.

Doch wie die Erfahrungen der vergangenen Wochen lehren, ändert sich die Corona-Krisenlage des Öfteren einmal. Und so hofft Harrer, dass sich die Einreisebestimmungen bald wieder ändern. Er spielt auf Zeit: "Deswegen nehme ich jetzt die Folien einfach wieder herunter", sagt er. Diese Bedeckungen sorgen auf den Spargeldämmen nämlich für höhere Temperaturen, die das edle Gemüse liebt und so umso schneller wächst und reift. Der Betriebsleiter setzt am Federhof dazu auf sogenannte Minitunnel zwischen Damm und Folienabdeckung. Das sorgt für eine Art Treibhauseffekt und lässt die Temperaturen derzeit auf rund 30 Grad hochklettern. Die Erntereife ist so fast schon erreicht.

Durch das Abnehmen der Folien soll sich der Erntezeitpunkt aber nun wieder verzögern. In zwei Wochen, so die Hoffnung, könnten dann die Arbeitskräfte aus dem Osten verfügbar sein. "Wir brauchen die erfahrenen rumänischen Vorarbeiter", betont Harrer. "Kurzarbeiter alleine helfen uns nichts. " Denn die müssten alle erst angelernt werden - und dazu fehlt es an Kapazitäten, so dass diese Lösung sogar noch mehr kosten würde als der Verzicht auf die Ernte. Käme zumindest die Hälfte der Helfer aus Rumänien, "dann wäre uns schon geholfen".

Wenn nicht, droht tatsächlich ein Ernteausfall. Tritt dieser Fall ein, "ist das eine Katastrophe und absolut existenzbedrohend", sagt der Landwirt. Denn aus dem Spargelanbau stamme das Gros seines betrieblichen Einkommens. Anders ausgedrückt: "Wir leben davon. "

Die angekündigten Hilfen des Freistaats oder auch des Bundes begrüßt er. Das sei Geld, das dringend gebraucht werde. Allerdings frage er sich angesichts der vielen Menschen und Betriebe, denen es genauso gehe: "Wo soll das alles herkommen? " Und so verlässt sich Harrer lieber erst gar nicht auf staatliche Finanzspritzen. Sondern auf die Trumpfkarte Zeit.

Falls sie sticht, ist der Federhof für den Spargelverkauf gut gerüstet: "Unsere Hygienemaßnahmen passen wir den neuen Anforderungen entsprechend an. " Bis dahin plagen den Hofchef aber eben ganz andere Sorgen.

Von solchen werden auch die Hopfenbauern gepeinigt, wie Tobias Merkenschlager zu berichten weiß. Der Hauslacher ist Sprecher der Nachwuchspflanzer, die sich unter dem Namen "Spalt aktiv" formiert haben. In knapp drei Wochen werde im Hopfenanbau "die heiße Arbeitsphase" eingeläutet. Dann gilt es die emporstrebenden Triebe "anzuleiten", also um den Steigdraht zu wickeln, damit sie besser emporwachsen können. "Bis dahin sollte die Einreise geregelt sein", so sagte es der Pflanzer noch vor wenigen Tagen. "Was ich aber nicht vermute", fügte er da schon in düsterer Vorahnung hinzu. Nun ist das Einreisen aber doch geregelt - nämlich verboten.

Was beim Spargel wenig sinnvoll ist, soll sich beim Hopfen nun als ein aussichtsreicher Plan B erweisen: der Einsatz von Kurzarbeitern, Studenten und Schülern. Das wiederum sei eine "Riesenchance für die Landwirtschaft". Denn so kämen die verschiedenen Helfergruppen direkt in den Kontakt mit ihr, was die Diskussion ums Agrarwesen auf eine ganz andere Ebene hebe. "Bei mir hat sich über WhatsApp auch eine Gruppe von ,Fridays for Future' gemeldet, die mithelfen will", zeigt sich Merkenschlager erfreut.

 

Er ist zudem in der glücklichen Lage, jonglieren zu können, da er auch Milchviehhaltung betreibt. So also könnten die Helfer auch in diesem Bereich eingesetzt werden, damit die so frei gewordenen Stammmitarbeiter sich um den Hopfen kümmern können.

Ihm ist freilich bewusst, dass diese Planung nicht von Erfolg gekrönt sein muss: "Wenn alle Stricke reißen, werden eben einige Bestände nicht mehr angebaut. " Er habe schon einen Bestand gerodet, der aber ohnehin schon "zur Disposition stand". Dort soll nun Junghopfen gepflanzt werden, der drei Wochen später angeleitet wird.

Das ist eine zeitliche Entzerrung - und damit wie beim Federhof in Hilpoltstein das Spielen auf Zeit. Die sollte möglichst genutzt werden, Helfer zu finden. Dass in den kommenden Tagen genügend Saisonarbeitskräfte zur Verfügung stehen, dafür sollen verschiedene Online-Plattformen sorgen. Eine davon nennt sich www. Saisonarbeit-in-Deutschland. de. Sie ist durch die landwirtschaftliche Rentenbank und den Gesamtverband der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände entwickelt worden, unterstützt wird sie vom Deutschen Bauernverband. Ein anderes Portal stellt www. daslandhilft. de dar - das Ergebnis einer Kooperation vom Bundesverband der Maschinenringe und dem Bundeslandwirtschaftsministerium.

Die Initiativen wollen den Kontakt herstellen zwischen bäuerlichen Betrieben und Bürgern, die wegen der Corona-Krise in ihrem regulären Job kaum noch arbeiten können oder ihn gar verloren haben. Sie können sich über eines der Portale für Pflanz- und Erntearbeiten zur Verfügung stellen. "Mich erreichen zurzeit sehr viele Hilfsangebote aus der Bevölkerung: von Lkw-Fahrern bis Kurzarbeitern. " Das zumindest sagt der CSU- Bundestagsabgeordnete Artur Auernhammer, Vorsitzender des Maschinenrings im Nachbarlandkreis Weißenburg-Gunzenhausen.

Die Geschäfte der Selbsthilfeeinrichtung in Roth führt Harald Winter, der vor allem die eine Seite der Medaille kennt: "Bei uns haben sich viele verzweifelte Mitglieder gemeldet, die gerade nicht wissen, wie sie die Ernte organisieren sollen. " Bewerber wie Betriebe können sich über die E-Mail-Adresse erntehelfer@mr-mfr. de melden oder sich direkt über die Plattform bewerben.

Auch über die Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg wird fleißig vermittelt. "Wir rechnen mit mehr Arbeitslosen, die ihren Job durch die Corona-Krise verloren haben", sagt Ute Ernst vom Arbeitgeberservice, für den Landkreis Roth zuständig. Ebenso gebe es Anfragen von Leuten, "die einfach nur helfen wollen und nicht möchten, dass Spargel, Obst oder Gemüse ungeerntet bleiben". Sie appelliert an die Betriebe, "sich bei uns zu melden". Entweder telefonisch unter (09171) 84115 oder per E-Mail an Roth. Arbeitgeber@arbeitsagentur. de.

Initiativen, die Werner Wolf als Leiter des Rother Landwirtschaftszentrums natürlich sehr begrüßt. "Eine solche Situation wie jetzt gab es noch nie", sagt er nachdenklich. Er fühle sich an eine alte Weisheit aus seinen Kindertagen erinnert: "Immer einen Zentner Mehl daheim haben! " Falls die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln einmal gefährdet sei. Genau das drohe, wenn die ergriffenen Maßnahmen über einen längeren Zeitraum anhielten, befürchtet Wolf. Der regionalen Erzeugung komme nun wieder eine stärkere Bedeutung zu.

Allerdings braucht es für diese Selbstversorgung auch die entsprechenden Helfer, welche die Arbeitsspitzen abdecken können. Thomas Schmidt, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, kann hier auf rührige Verwandte verweisen. Drei seiner Neffen haben sich bereiterklärt, beim Hopfen anleiten den Pflanzern zu helfen. Das werde wohl erst der Anfang sein. Er gehe davon aus, "dass in Kürze etliche Mittelständler zu uns kommen", um auf den bäuerlichen Betrieben Hand anzulegen.

HK

Jürgen Leykamm