Eichstätt
"Begraben unter Papierfliegern"

Die Eichstätter Bestsellerautorin Margit Auer gab live eine Lesung aus ihrem Büro - die ganze Familie half

30.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:25 Uhr
Fragen per Papierflieger: Die Erfolgsautorin Margit Auer las im Fernsehen aus ihren Büchern - gesendet wurde live aus dem Büro daheim in Eichstätt. Das Handy mit selbst gebastelter Halterung auf dem Bügelbrett fungierte als Kamera. −Foto: Auer

Eichstätt - Normalerweise, wenn das Fernsehen irgendwo live senden will, wird es richtig kompliziert.

 

Dann steht draußen auf der Straße ein Übertragungswagen, Techniker und Redakteure wuseln wild herum und alles muss perfekt sein. In Zeiten von Corona wird das alles ein bisschen lockerer. So war das gestern auch bei der Familie Auer in Eichstätt. Der NDR und der SWR übertrugen live im Internet auf ihren Kinderkanälen NRD/Mikado und "Kindernetz" sowie auf Facebook eine einstündige Lesung aus dem privaten Büro der Kinderbuchautorin Margit Auer. Youtube kommt auch noch dazu. Aber außer Familienmitgliedern war niemand im Haus.

Die Anweisungen gab's über Handy, und die Übertragung lief ebenfalls "nur" übers Handy. Draußen in ganz Deutschland verfolgten Zehntausende von Familien den Auftritt, zahlreiche Kinder schickten übers Internet Fragen an die Bestsellerautorin. Die Fragen wiederum segelten - in Gestalt von Papierfliegern - direkt aus einer versteckten Ecke des Büros an Margit Auers Schreibtisch, gefaltet, beschriftet und mehr oder weniger elegant geworfen vom Ehemann.

Seit vergangenem Montag läuft die Serie mit den Wohnzimmer-Auftritten der beliebtesten deutschen Kinderbuchautoren, verantwortlich sind die NDR-Redakteurin Birgit Klumpp und der NDR-Techniker Lutz Conneus, die beide im Home-Office arbeiten. Klumpp organisiert alles von ihrem Wohnzimmer aus, Conneus allen Ernstes aus seinem Keller. Die Idee dazu hatten die bekannte Kinderbuchautorin Kirsten Boie und der Hamburger Oetinger-Verlag. Die Eichstätterin Margit Auer darf da nicht fehlen - ihre Buchserie "Die Schule der magischen Tiere" ist rund drei Millionen Mal verkauft und wurde bisher in 22 Sprachen übersetzt, der erste Band kommt als Film Ende November in die Kinos. In ganz Deutschland gibt Auer Lesungen. Aber das hier, dieser private Auftritt daheim, ist schon ein ganz eigenes Kaliber.

Es gibt kein echtes "Gegenüber", bloß die Kameralinse eines Handys - neben dem zur Aufmunterung ein Playmobil-Männchen sitzt. Und was ist mit der Technik? Da braucht es Ideen - und Bastelfleiß. Wo platziert man am besten das Handy für eine wackelfreie Übertragung? Einer der Söhne schraubt und sägt ein kleines Holzgestell zusammen - und das wird auf dem guten alten Bügelbrett aufgestellt. Beleuchtung? Das müssen die normalen Ikea-Lampen schaffen. Beim Ton hilft dann ein befreundeter Eichstätter Experte für Studiotechnik, Matthias Bäumler. Der liefert am Sonntag - immer schön mit dem vorgeschriebenen Abstand - ein passendes Mikro an der Haustüre ab. Aber alles andere, sämtliche Vorbereitungen, laufen ausschließlich über Telefon. Undenkbar vor den Corona-Tagen.

Es klappt. Auch wenn schnell klar ist, dass das WLAN der Familie nur mit großer Not ausreicht. Man hatte es schon geahnt, die Teenager in der Familie hatten dieses Manko also aus gutem Grund in der Vergangenheit immer wieder mal reklamiert. Die Lösung: Alle anderen Handys und Computer im Haushalt müssen abgeschaltet werden, um das wacklige Netz nicht reißen zu lassen - sonst wird das nichts mit der Liveübertragung.

Doch alles läuft einigermaßen rund, und auf technische Perfektion kommt es nicht wirklich an. Die Kinder draußen in der ganzen Republik sind da nämlich gar nicht so streng, wie erwachsene Fernsehmenschen glauben. Ihnen ist wohl vor allem wichtig, dass da genau in diesem Moment ihre Lieblingsautorin zu ihnen spricht. "Du bist deinem Helden auf einmal so nahe", sagt Redakteurin Klumpp über den Reiz dieser ganzen Aktion mit den populären Schriftstellerinnen und Schriftstellern.

Margit Auer ruft eine kleine "Challenge" ins Leben: Wird es ihr gelingen, in dieser Stunde aus allen zehn Büchern der Hauptserie der "Schule der magischen Tiere" eine kurze Passage vorzutragen? Die Antwort: nein. Denn es gibt ja so viel rund ums Schreiben und um die Bücher zu erzählen. Und außerdem trudeln im Minutentakt die Fragen der Kinder ein, schon lange, bevor es um 16 Uhr losgeht. Aus der Regie kommt irgendwann die WhatsApp-Nachricht: "Wir haben so viele Fragen, dass wir die ganze Margit unter Papierfliegern begraben könnten! " Welches magische Tier hätte die Autorin selbst am Liebsten (Eugenia, die Fledermaus)? Hat sie selbst ein Haustier (ja, den Kater Lorenzo, der sich wohlweislich verdrückt hat). Glaubt sie, dass es wirklich Menschen gibt, die mit Tieren sprechen können (zumindest gibt es welche, die einen ganz besonders engen Draht zu Tieren finden). Und eine der größten Sorgen der Kinder: Wenn in der Schulklasse von Miss Cornfield eines Tages alle Kinder ein magisches Tier haben werden - wie soll es dann weitergehen? Zum Glück ist es bis dahin noch eine Weile hin, tröstet die Autorin. Und muss dann schon den nächsten Papierflieger einfangen, der schnittig quer durchs Büro segelt.

Die Stunde vergeht buchstäblich wie im Flug. Das ist inzwischen auch bei der ARD angekommen: Dieses Sendeformat ist so authentisch, dass es auf jeden Fall ausgebaut werden soll, vielleicht erweitert auf andere Rundfunkanstalten. Redakteurin Klumpp sagte gestern Abend, dass auf jeden Fall noch bis zum 17. April weitere Kinderbuch-Schriftsteller ihren großen Soloauftritt der ganz besonderen Art haben werden, darunter auch Star-Autorin Cornelia Funke, die aus Kalifornien zugeschaltet wird. Und der Kika, der Kinderkanal der ARD, ließ sich gleich noch ein paar zusätzliche Handy-Aufnahmen aus dem Büro im Hause Auer schicken: um zu erklären, wie das so ist mit einem Livestream zu Zeiten von Corona.

DK

Richard Auer