Nürnberg
Auf der Suche nach den Ursachen

Nürnberger mit Migrationshintergrund stecken sich offensichtlich überproportional mit dem Corona-Virus an

16.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:24 Uhr
Laut einer kürzlich im Rathaus vorgestellten Statistik stammen 49,4 Prozent der akut Corona-Infizierten in Nürnberg aus sozial angespannten Quartieren wie Gostenhof. −Foto: Niklas

Nürnberg - Gostenhof ist nicht nur bunt. Der angesagte Stadtteil, den die Nürnberger wegen seiner Multikulti-Bevölkerung auch nur liebevoll "Gostanbul" nennen, ist offensichtlich auch einer der Stadtteile mit den größten Corona-Infektionszahlen in der gesamten Frankenmetropole.

 

Kürzlich hat Nürnbergers Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (Grüne) mit einer Corona-Statistik im Rathaus aufhorchen lassen. Demnach stammen aktuell mit 49,4 Prozent fast genau die Hälfte der akuten Corona-Infizierten in Nürnberg aus sozial angespannten Quartieren wie Gostenhof. Dabei machen die Bewohner der dicht besiedelten Quartiere gerade einmal etwas mehr als 35 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus. Auch die behandelnden Ärzte im Nürnberger Klinikum hätten laut einer Sprecherin derzeit "schon den Eindruck, dass Covid-Patienten mit Migrationshintergrund leicht überrepräsentiert" sind.

Überproportional von Corona betroffen seien laut Gesundheitsreferentin Walthelm im Moment besonders Viertel wie Galgenhof und Gibitzenhof in der Nürnberger Südstadt. Diese Gegenden "hinter" dem Hauptbahnhof weisen die höchsten Ausländeranteile in der Nürnberger Bevölkerung auf, die bereits im Jahr 2019 laut Amt für Stadtforschung und Statistik durchschnittlich über das gesamte Stadtgebiet verteilt mehr als 45 Prozent betragen haben.

Gut informierte Stadtratsmitglieder wie Jürgen Dörfler von den Freien Wähler fordern bereits, das heikle Thema nicht unter den Teppich zu kehren. "Wir müssen wissen, wer und wo sich in Nürnberg die meisten Menschen mit Corona anstecken", erklärt Dörfler und vermutet, das sich integrationsunwillige Zuwanderer offensichtlich weniger an die Corona-Regeln halten würden. Die Bereitschaft die Ernsthaftigkeit der Covid-Bedrohung anzuerkennen, sei in den Nürnberger Einwanderer-Quartieren wohl nicht so stark ausgeprägt, findet Dörfler und fordert vom Freistaat mehr Tempo beim Impfen. "Neue Flugblätter in noch mehr Sprachen und noch mehr Streetworker auf den Straßen kann in Nürnberg nicht allein die Lösung sein", ist Dörfler sicher.

Die grüne Gesundheitsreferentin Britta Walthelm vermutet dagegen andere Gründe für die erhöhte Ansteckungsgefahr in den Nürnberger Stadtteilen mit den höchsten Ausländeranteilen. "In den dicht besiedelten Stadtteilen leben die Menschen enger beieinander, was die Verbreitung des Virus begünstigt", sagt Walthelm und verweist auf den allgemeinen Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und Sozialstruktur.

Walthelm vermutet, dass die häufigeren Wanderungsbewegungen beispielsweise für Verwandtenbesuche im Ausland der Hauptgrund für die aktuell erhöhte Infektionsrate unter den Nürnbergern mit Migrationshintergrund sind. Allerdings räumt die grüne Politikerin ein, dass der Migrationshintergrund im Gesundheitsamt nicht standardmäßig erhoben wird. "Wir sind aber gerade dabei, stärker in die Mikroanalyse einzusteigen", teilt Walthelm auf Anfrage weiter mit.

Derweil ist im Rathaus die Frage nach der Herkunft des Corona-Patienten offensichtlich bereits zur Chefsache erklärt worden. "Wir sehen, dass wir in Stadtteilen, die als sozial angespannt gelten, höhere Infektionszahlen haben", teilt Oberbürgermeister Marcus König (CSU) auf Anfrage mit. "Mir persönlich ist es wichtig, dass jetzt Menschen nicht stigmatisiert werden aufgrund solcher statistischen Zusammenhänge", sagt König und verweist auf eine neue Informationskampagne, mit der die Stadt unter der Überschrift "Abstand halten - lebenswichtig; Maske tragen - aber richtig" ganz aktuell möglichst viele Menschen über die Gefahr der Pandemie aufklären will.

"Um auch Menschen zu erreichen, die vielleicht schlechte Deutschkenntnisse haben, gibt es mehrsprachige Informationsangebote auf der Homepage der Stadt Nürnberg", sagt König. Außerdem habe man gemeinsam mit dem Klinikum vor einigen Wochen eine Video-Kampagne in 14 verschiedenen Sprachen zu den Gefahren der Pandemie gestartet.

Die Kampagne begrüßen auch kritische Beobachter der städtischen Corona-Politik: "König macht einen tollen Job in der Corona-Bekämpfung", lobt Dörfler und verweist auf den Ernst der Lage. "Wir müssen in Nürnberg die Corona-Zahlen mit aller Kraft schneller herunter bekommen." Ohne Teile der Bevölkerung pauschal zu stigmatisieren, müssten dafür jetzt endlich alle Fakten auf den Tisch.

HK

Nikolas Pelke