Hilpoltstein
"Alles, was geht, wird gemacht"

Seniorenheime schotten sich gegen das Virus ab - Masken und Desinfektionsmittel sind mitunter Mangelware

05.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:30 Uhr
  −Foto: Kofer, BRK, Wolfsteiner Stiftung

Hilpoltstein - Es kann oft ganz schnell gehen, wie die elf Coronafälle in der Seniorenresidenz in Schwanstetten zeigen.

 

"Pflegebedürftige Menschen sind einer besonders hohen Gefahr ausgesetzt, an Covid-19 mit schwerem Verlauf zu erkranken", sagt Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml. Zudem könne sich die Erkrankung in Pflegeheimen schnell ausbreiten. "Beim Auftreten erster Anzeichen von Erkrankungsfällen ist schnelles und entschiedenes Handeln gefragt. In unseren Handlungsanweisungen ist daher genau geregelt, was zu tun ist. "

Diese Handlungsanweisungen für Alten- und Pflegeheime sowie für stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe hat das Bayerische Gesundheitsministerium zu Anfang dieser Woche herausgegeben. Das Konvolut reicht von allgemeinen Hygieneregeln über das Vorgehen bei Covid-19-Erkrankungen und dem Umgang mit Kontaktpersonen im Personal bis hin zum Prozedere, was zu tun ist, wenn ein Bewohner an dem Virus gestorben ist.

Für die Altenheime in Allersberg, Heideck und Hilpoltstein enthielt das Schreiben allerdings nichts, was man nicht schon vorher gewusst, beziehungsweise berücksichtigt hat. Aber die Einrichtungen bräuchten ja auch etwas an der Hand, um sich zu orientieren, sieht es Marion Rupprecht, die Leiterin des Heidecker BRK-Seniorenhauses am Schloßberg ganz pragmatisch. Für den Fall der Fälle habe man zudem einen Notfallplan.

 

Im Moment gibt es in Heideck - wie auch in der Allersberger Wolfsteiner Stiftung und im AWO-Seniorenheim in Hilpoltstein - keinen Coronafall. Und es wird viel dafür getan, dass mögliche Risiken von außen weitgehend minimiert werden. Besuche sind sowieso seit 21. März verboten, Neuaufnahmen seit Donnerstag gestoppt. Im Gespräch ist derzeit auch, den Bewohnern jeglichen Kontakt zur Außenwelt zu untersagen. In Heideck würden zurzeit nur noch zwei das Haus verlassen, "für Spaziergänge in der Pampa", sagt Rupprecht. Alleine versteht sich. Die Angehörigen dürften auch nichts mehr bringen, auch keine Wäsche mehr waschen. "Das machen wir alles hier. " Die Hygienemaßnahmen habe man um 200 Prozent gesteigert. Es werde alles, was angefasst werde, desinfiziert. "Alles, was geht, wird gemacht", sagt Rupprecht.

Im Gegensatz zum Heidecker BRK-Haus und dem AWO-Zentrum in Hilpoltstein ist die Wolfsteiner Einrichtung ein Einzelkämpfer ohne große Organisation. Was zurzeit zur Folge hat, dass man mit Hilfsmitteln nicht gerade üppig ausgestattet ist. "Wir kämpfen um FFP2-Masken", sagt die Leiterin Sabine Regler. Auch Desinfektionsmittel seien knapp. Bei vielen hilft man sich daher selbst, wie beispielsweise beim Nähen von Masken. Denn bei aller Knappheit wurde trotzdem zum Schutz der Bewohner beschlossen, dass seit Mittwoch die komplette Belegschaft Mundschutz trägt.

Wenn die Bewohner derzeit ins Freie wollen, können sie sich im Garten der Stiftung aufhalten. Der war seit zwei Jahren als "Garten der Begegnung" auch für die Öffentlichkeit zugänglich, was man jetzt wieder zurücknehmen musste. "Das schmerzt ein wenig", sagt Sabine Regler. Insgesamt komme man aber zurecht. Nicht klagen könne sie über die Unterstützung des Landratsamtes. "Die tun alles, dass es funktioniert. " Sie sei heilfroh, dass sie dort anrufen kann und ihr dann geholfen werde - so weit es eben möglich ist. "Es muss laufen und bei uns läuft es. "

 

Schutzmaßnahmen frühzeitig in die Wege geleitet hat man laut Leiter Frank Krebel beim AWO-Heim in Hilpoltstein. "Wir haben von Anfang an reagiert. " Bisher habe man nur einen Verdachtsfall gehabt, der sich als negativ erwies. Dabei sei man weiter aber sehr achtsam. Wenn jemand Fieber habe, dürfe er sein Zimmer nicht verlassen. "Zum Glück haben wir viele Einzelzimmer. " Es seien alle angewiesen, sich zu rühren, was sie auch machten. "Die kommen lieber einmal öfter. "

Bei der Belegschaft seien im Moment nur ganz wenige krank, nur zwei oder drei, sagt Krebel. Das sei weniger als normal. "So gesehen geht es uns ganz gut. " Zudem schweiße die Krise zusammen.

Getrennt ist seit einiger Zeit bereits der stationäre Teil von den 16 Seniorenwohnungen. Ein Kontakt - auch zum Essen - findet nicht mehr statt. Auch habe man den Bewohnern im stationären Bereich geraten, das Haus nur noch, wenn es unbedingt notwendig sei und nicht in Gruppen, zu verlassen, sagt Krebel. Letztlich seien die Bewohner alle sehr kooperativ. Für die Mitarbeiter sei es wichtig, die Ruhe zu bewahren und mit den Bewohnern zu reden.

Eine große Bedeutung hat in diesen Tagen das Telefon, ist es doch letztlich für die meisten Senioren die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Das gilt sowohl für die Angehörigen als auch für professionelle Helfer wie den sozialpsychiatrischen Dienst.

Auch kleine Aktionen sind gestartet worden, um Kontakt zu halten. So gibt es eine Briefaktion mit dem Gymnasium. Dabei schreiben Fünftklässer an die Bewohner und stellen Fragen: Wie ist das Leben im Altenheim? Was macht ihr da? Singt ihr gemeinsam? Bieten die euch auch etwas an? "Da sind auch ganz rührige Briefe dabei, da kriegst du Tränen in den Augen", sagt Krebel. Natürlich würden die Briefe auch beantwortet, und wenn alles mal vorbei ist, plane man ein Treffen.

HK

Rainer Messingschlager